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Startseite ›Solidarität mit den Wanderarbeitern von Rosarno! Gegen die Bosse, Ausschluss und Aussperrungen!
Anfang dieses Jahres kam es in Rosarno zu einem Aufstand afrikanischer Arbeiter gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und rassistischen Schikanen. Die Revolte von Rosarno war der Ausgangspunkt einer Mobilisierung für den “Giornata senza immigrati: 24 ore senza di noi”, einem landesweiten Migrantenstreik am 1. März. Im Folgenden dokumentieren wir zwei Flugblätter, mit denen unserer italienischen Genossen von Battaglia Comunista in die Bewegung intervenierten.
Nach den zweitägigen Auseinandersetzungen in Rosarno mussten 66 Menschen im Krankenhaus behandelt werden: 17 Einwohner, 19 Polizisten und 30 Immigranten. Von den letzteren wurden zwei in der Nacht vom 7. auf den 8. Januar mit Eisenstangen schwer verletzt. Ihr Zustand ist weiterhin ernst. Andere Immigranten wurden von Autos angefahren. Dies war die Reaktion auf den plötzlichen Ausbruch von Wut am Vortag nachdem zwei Immigranten aus dem Hinterhalt beschossen und verletzt wurden. Die unbändige Wut der Immigranten, die sich zu Hunderten auf der Hauptstraße der Stadt versammelten, machte vor nichts halt was ihnen im Weg stand und hinterließ eine Schneise ausgebrannter und beschädigter Autos und umgeworfener Mülltonnen. Die Bilder der Proteste nahmen in den Medien viel Raum ein. (1)
Dieser Aufstand war faktisch unvermeidlich. Eine Fernsehreportage der BBC zeigte im Februar letzten Jahres die schrecklichen Lebensbedingungen dieser Klassengenossen. (2) Wer sie sich ansieht, kann wie der Reporter selbst, kaum glauben, dass die Bilder die Realität nicht in fernen Ländern, sondern im Herzen des „zivilisierten“ Europas zeigen. Diese armen Seelen haben eventuell einige Tage das "Glück" von den Landbesitzern ausgewählt zu werden, um für einen Lohn von weniger als 20 Euro 12 Stunden in der Kälte harte Arbeit bei der Ernte von Zitrusfrüchten und Gemüse zu leisten. Dies sind Arbeitsbedingungen von Sklaven. Allerdings leben viele Sklaven unter besseren Bedingungen. Im Mai 2008 wurden drei Geschäftsleute festgenommen, weil sie ihre Arbeiter in sklavischer Abhängigkeit gehalten hatten. Marco Rovelli, Autor des Buches „Sklaven“, beschreibt die Lebensbedingungen von Immigranten die im letzten Jahr auf dem Gelände einer alten Papierfabrik leben mussten folgendermaßen:
„Es ist ein Ort, den wohl die besten Bühnenbildner Hollywoods in seiner apokalyptischen Schrecklichkeit wohl kaum nachbauen könnten. Wenn Sie hinein gehen, finden Sie sich zwischen Rauchschwaden und brennenden Feuern wieder Durch die Hitze schneiden Lichtstrahlen durch die Öffnungen des mit gelber Plastikfolie abgedichteten Daches, wie in einer Kathedrale der Trostlosigkeit. Es ist ein Ödland, das keiner sieht. Es wird auf offenen Feuern gekocht, neben Hütten, die aus Brettern zusammengenagelt sind, mit Wänden aus Pappe, Kunststoff und Karton und Dächern, die mit Schuhen, Stiefeln und Steinen bedeckt sind. Erdhügel, Trümmer, Ziegel ...“
In anderen Unterkünften, die noch bewohnt sind, ist die Situation die gleiche. Es genügte nur ein Funke, um die seit Jahren aufgestaute Wut zur Explosion zu bringen, und dieser Funke hat sich nun unweigerlich entzündet. Die "Aufständischen", diese Klassengenossen, haben unsere volle Solidarität. Wir hoffen, dass alle Kollegen und die Proletarier (besonders in Kalabrien) sie durch Blockaden, Flugblattaktionen und Demonstrationen mit allen Kräften unterstützen. Leider ist das Ausmaß der Desorganisation und Entmutigung der Klasse besonders im Süden weit fortgeschritten, so dass wir keine massive Antwort erwarten. Dennoch ist es notwendig die Kollegen zu unterstützen. Sie haben gezeigt, dass es möglich ist gegen die Abscheulichkeiten des Kapitals zu rebellieren. Dies ist die Zeit für Solidarität und konkrete Aktionen! Es ist nicht die Zeit sprachlos und eingeschüchtert zu verweilen!
Dass die Lebensbedingungen des Proletariats im Süden besonders schlimm sind, kann man überall sehen. In einer Region, die einer wirklichen wirtschaftlichen und sozialen Wüste gleicht, gibt es keine Aussicht auf Besserung. Wir haben dazu vor kurzem etwas geschrieben (3). Die "Verwüstung" der Produktivität Kalabriens erschwert erheblich die Möglichkeiten effektiver Reaktionen wie z.B. Streiks. Zudem beginnt das Gift des Rassismus, das in den letzten Jahren in großen Dosen injiziert wurde, seine Wirkung zu zeigen. Ein offensichtliches Beispiel dafür ist die Erklärung des Ministers Maroni, der die Immigranten dafür anklagt, sich an den Unruhen beteiligt zu haben. Dies ist ein Paradebeispiel für die Verdrehung der Realität - die miserablen Lebensbedingungen und die Ausbeutung der Arbeiter durch die lokale Bourgeoisie, die in weiten teilen Kalabriens als „Ndrangheta“ bezeichnet wird. Maroni lässt auch die Tatsache unter den Tisch fallen, dass der Umstand, dass die Immigranten sich alles gefallen lassen müssen und schlechter als in einem Schweinstall leben, auf die von seinem Chef (Bossi) und dem „demokratischen“ Fini erlassenen Gesetze zurückgeht. (4)
Die „Ndrangheta“ selber kann nicht ganz unbeteiligt oder gar gegen die Entscheidung gewesen sein, die Arbeiter an verschiedene andere Orte auch außerhalb der Region zu verfrachten. Mit oder ohne die Zustimmung der Bauern kann die Ernte nun abgeschlossen werden. (5) Es ist eine Form der Aussperrung (6). Anonyme Aussagen die sowohl von L'Unità (7) als auch dem Kollettivo Onda Rossa von Cinque Frondi (8) veröffentlicht wurden, lassen den Eindruck entstehen, dass die Immigranten für einige wichtige Personen und ihre Interessen unbequem wurden, und sie die etablierten sozialen Hierarchien empfindlich gestört haben. Gut! Es ist absolut an der Zeit, dass jemand das tut! Roberto Savaiano, der einen klassenübergreifenden und legalistischen Weg vorschlägt (der in sich widersprüchlich und steril ist), erfasst die Situation dennoch ganz gut, wenn er sagt:
„Die Immigranten haben den Mut gegen die Mafia zu kämpfen. Einen Mut, den viele Italiener verloren haben. Für sie ist die Bekämpfung von kriminellen Organisationen eine Frage von Leben und Tod. Was immer man auch über den Aufstand denkt, man muss anerkennen, dass sie rebelliert haben, und der gesunde Teil der afrikanischen Community keine Kompromisse mit der Ndrangheta akzeptiert. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass die Afrikaner hier in Italien die Arbeiten erledigen, die kein Italiener machen will, und dass sie Rechte verteidigen, die kein Italiener verteidigen will.“
Die Verbindung zwischen dem italienischen und den immigrierten Proletariat ist die entscheidende Frage. Diese Verbindung muss noch weiter ausgebaut werden, aber sie ist für die Verteidigung der unmittelbaren und historischen Interessen der Arbeiterklasse von größter Wichtigkeit.
Gegenwärtig erleben wir jedoch eine verheerende, sadistische und dumme Suche nach Sündenböcken und den Rassismus als ein Ventil für eine Situation, die hoffnungslos erscheint.
„Der beliebteste Sport der jungen Leute von Rosarno ist die Jagd auf Schwarze. "Schwarz" steht dabei für Afrikaner. Ob die Hautfarbe nun dunkler oder heller ist, spielt keine Rolle. Es gibt für das Lynchen von Schwarzen bestimmte Techniken. Als erstes muss man natürlich in einer Gruppe sein. Dann legt man sich an strategisch wichtigen Orten auf die Lauer. Orte die die Immigranten auf jeden Fall passieren müssen um von einem Ort an den anderen zu gelangen.“
Diese Zustandsbeschreibung von Rovelli deckt sich mit den Zeitungsartikeln von Korrespondenten aus der Gegend. Die Parole „sti Niri! Haut ab“ (9) scheint in die Köpfe vieler Leute aus Rosarno geradezu eingehämmert zu sein. Auch die Tatsache, dass auf Immigranten geschossen wird, ist nicht neu. Vor einem Jahr gab es einen ähnlichen Fall. Zwei Jugendliche hatten aus einem Auto auf zwei junge Afrikaner geschossen, die von den Feldern heimkehrten. Auch damals gab es massive Proteste der Wanderarbeiter.
Diese Situation zeigt einmal mehr den dramatischen Mangel eines revolutionären Bezugspunktes, einer revolutionären Klassenpartei, die in der Lage ist, Unmut und Wut in einen generalisierten Klassenkampf gegen das kapitalistische System zu überführen.
Gegenwärtig (und wahrscheinlich für einen längeren Zeitraum) bringt das Proletariat Aufbegehren und Widerstand gegen die Gesellschaft nur in einzelnen Wutausbrüchen zum Ausdruck. Da diese nicht die Mehrheit der Arbeiter oder das Proletariat als Ganzes erfassen, werden diese schnell unterdrückt oder versickern wie Wasser im Wüstensand. (So hat es jedenfalls derzeit den Anschein. Allerdings ist es immer schwierig genau einzuschätzen, was sich unter der Oberfläche in Bewegung ist)
Am Morgen des 8. Januar, loderten die Proteste der Immigranten wieder auf. Es fand eine große und kämpferische Demonstration vor dem Rathaus (welches von der Anti-Mafia-Kommission übernommen wurde) (10) statt, die explizit die bürgerliche politische Herrschaft als Ursache der sozialen Katastrophe anprangerte. Dies war eine spontane Initiative, die zu begrüßen ist. Allerdings können wir vom bürgerlichen Staat nichts erwarten. Wir müssen anfangen politisch als Klasse zu agieren, anstatt weiter als Klasse zu leiden. Die Arbeiterklasse hat dazu die Stärke, wenn sie zusammensteht und sich vereinigt.
Kolleginnen und Kollegen! Proletarier Kalabriens! Schließt Euch den Protesten der Immigranten an! Eine Klasse - Ein Kampf!
Partito Comunista Internazionalista - Battaglia Comunista - 2010-01-13(4) Bossi ist der Führer der rassistischen Lega Nord und Fini der Alleanza Nazionale (der ehemaligen faschistischen Partei), beide sind in der Koalition von Berlusconis Regierung
(5) In Kalabrien kontrolliert die `Ndrangheta einen Großteil des Obstanbaus
(6) Von den etwa 2000 Immigranten Arbeiter in dem Gebiet zwischen Rosarno und Gioia Tauro, wurden Hunderte von den Behörden in andere Gebiete und Landesteile abgeschoben.
(9) "sti niri" bedeutet im kalabrischen Dialekt "Die Schwarzen"
(10) Im Jahr 2008 der örtlichen Verwaltung von der Regierung wegen Verstrickungen mit der Mafia geschlossen. Sie ist immer noch nicht ersetzt worden. Siehe ft.com
Sozialismus oder Barbarei #21
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