Kommunist sein heute

Im Gegensatz zu dem, was in den Zeitungen und im Fernsehen darüber erzählt wird - was bedeutet es, heute Kommunist und Internationalist zu sein? Kommunist zu sein bedeutet, die Gültigkeit eines Programms anzuerkennen, das als Ziel die Bekämpfung und Überwindung des Wirtschaftssystems setzt, das die Menschheit seit über zwei Jahrhunderten beherrscht: die kapitalistische Produktions- und Verteilungsweise. Es setzte sich mit einer gewaltsamen Revolution gegen die feudale Wirtschaft und Gesellschaft durch, indem es die bürgerliche Klasse an der Stelle des Adels an die Macht brachte - für die Menschheit unzweifelhaft ein Schritt nach vorn.

Aber diese Produktionsweise, die sozialen Verhältnisse, die sich in der Bevölkerung verbreitet haben, die Teilung der Gesellschaft in zwei Klassen mit entgegengesetzten und unversöhnlichen Interessen - Bourgeoisie und Proletariat - gründen sich auf die Ausbeutung der überwältigenden Mehrheit der Menschen durch eine verschwindende Minderheit von Privilegierten. Die Klasse, die den Reichtum besitzt, herrscht über die Klasse, die nichts anderes besitzt als ihre Fähigkeit zu arbeiten.

Das Proletariat ist, um zu überleben, gezwungen, die eigene Arbeitskraft gegen einen Lohn an die zu verkaufen, die - egal, ob es sich dabei um Private oder um den Staat handelt - das Kapital und die Produktionsmittel besitzen. Der Private oder der Staat machen dies einzig und allein dann, wenn sie durch den Einsatz des in ihrem Eigentum befindlichen Kapitals und den Gebrauch der von ihnen gekauften und in Aktivität gesetzten Arbeitskraft einen Profit machen. Wenn nicht, lassen sie Millionen von Menschen in Beschäftigungslosigkeit und also im Elend zurück, und hindern sie daran, Maschinen und Technologien zu benutzen, um die Güter zu erzeugen, die ihnen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse gereichen. Die Maschinen und die Technologien bleiben ungenützt, wenn das Kapital aus ihrem Gebrauch keinen Profit zieht. Das einzige Bedürfnis, welches das die Maschinen besitzende und dirigierende Kapital anerkennt, ist jenes nach Profit, nach industriellem Gewinn und Zins, d. h. nach Mehrwert, den es im Produktionsprozess durch die Ausbeutung der Arbeitskraft herauspresst.

Wer konkret arbeitet, erhält in Form des Lohnes nur einen minimalen Teil dessen, was er produziert. Ohne die enormen Massen von Mehrwert müsste nicht nur die bürgerliche Klasse auf ihre eigenen Reichtümer verzichten, sondern es würde sogar das ganze aktuelle Wirtschaftssystem zusammenbrechen - und damit die Macht in allen ihren Formen (politischen, sozialen, juristischen, ideologischen).

Der Kapitalismus überlebt allein, wenn er beständig die Masse der Reichtümer, die sich in den Händen von wenigen befinden, vergrößert und das Elend von Milliarden Menschen in allen Teilen der Erde vermehrt.

Der Kommunismus ist möglich

Was vor einem Jahrhundert wie eine Utopie erscheinen konnte, ist heute unmittelbar realisierbar dank den enormen technologischen und wissenschaftlichen Entwicklungen, die die Produktionskräfte jenseits jeder rosigeren Erwartung potenziell erhöht / erhoben haben. Die gigantische Erhöhung der Arbeitsproduktivität ist so groß, dass jedes Individuum alle seine materiellen und geistigen Bedürfnisse befriedigen könnte, wenn man die Produktions- und Verteilungsmittel vergesellschaften würde (und Vergesellschaftung bedeutet nicht Verstaatlichung).

Im Kommunismus wird die Produktion auf der Grundlage dessen, was wirklich nötig ist, geplant, entsprechend den Bedürfnissen der menschlichen Gemeinschaft, einer Vereinigung von freien und gleichen Produzenten. Die von der Bourgeoisie angehäuften und in Kapital - zum Zwecke der Erzeugung von Profit - verwandelten Reichtümer werden nichts mehr zählen. Alle werden das wenige arbeiten, das unerlässlich ist (drei bis vier Stunden pro Tag sind genug, wie die Bourgeois selber zugeben), und alle werden dabei die notwendigen, wirklich nützlichen Güter im Überfluss haben. Das Geld wird nicht mehr der Vermittlung zwischen denen, die es besitzen, und den zu kaufenden Gütern dienen, wodurch die, deren Brieftaschen leer sind, sich die Nasen an den Schaufenstern platt drücken müssen. Das Haus, die ärztliche Pflege, die Bildung und die wissenschaftliche Forschung, die Erziehung der Kinder und die Altenpflege werden die wichtigsten Zwecke der Gemeinschaft.

Dieses Programm kann nicht durch Wahlen, durch Stimmabgabe, durch Regierungswechsel oder durch von der Bourgeoisie tolerierte Reformen verwirklicht werden.

Wer über Reichtum, Privilegien und Macht verfügt, wird niemals auf das wirtschaftliche und gesellschaftliche System verzichten, das ihm all das liefert.

Keine herrschende Klasse hat sich in der Geschichte der Menschheit jemals selbst umgebracht.

Wer nur mit der Mühseligkeit der eigenen Arbeit überlebt, wer leidet, wer keine Zukunft hat, weder für sich noch für die eigenen Kinder - d.h. das Proletariat (die lohnabhängigen und an den Rand gedrängten Mitglieder der Gesellschaft) - , muss sich notgedrungen, wenn er sich nicht in der täglichen Ohnmacht und Frustration verzehren will, organisieren und die Klasseneinheit und -solidarität herstellen, die die Grundlage für die Durchführung des kommunistischen Programms sind. Er wird kämpfen müssen, zuerst mit der unerschütterlichen Kritik und dann in der Praxis, um jene Macht zu erobern, die ihm niemand spontan oder nach bloßer Auszählung von erhobenen Händen übergeben wird.

Die Klasseneinheit und -solidarität auf internationalem Niveau ist die Voraussetzung für die vollkommene Emanzipation des Proletariats und mit ihm der ganzen Menschheit. Die Verwirklichung des „Sozialismus in einem Land“ - einer der Lästerungen des Stalinismus auf der Grundlage des konterrevolutionären Prozesses, der die Arbeiterbewegung verwüstet hat -ist eine Sackgasse. Nur der internationale Zusammenschluss und Kampf des Proletariats, über alle nationalen, religiösen, rassischen und ethnischen Spaltungen hinweg, wird die Türen zur neuen kommunistischen Gesellschaft aufstoßen.

Will man jeden abstrakten Idealismus überwinden und die Befreiung des Proletariats und der ganzen Menschheit aus der Versklavung durch das Kapital verwirklichen, muss man Marxist sein.

D.h. man muss im Marxismus das wissenschaftliche Werkzeug - der Marxismus ist nicht eine Ideologie neben so vielen, sondern eine Wissenschaft, die Wissenschaft der antikapitalistischen Revolution - begreifen, das uns gestattet, die ökonomischen Gesetze zu analysieren und zu verstehen, denen der Kapitalismus gehorcht und mit denen er den eingebildeten freien Willen der Menschen für die Erfordernisse des Profits und der Kapitalakkumulation, d.h. für seine Wahnsinnslogik einspannt.

Nur indem wir uns auf die grundlegenden Prinzipien des Marxismus stützen und seine Methode der Analyse richtig gebrauchen, können wir, durch eine Bilanz der vergangenen Erfahrungen, die richtigen strategisch-taktischen Linien festlegen. Mit diesen Voraussetzungen werden wir wieder zuverlässig jenes Instrument schaffen können, das unerlässlich für die politische(n) Führung des Proletariats ist: die internationalistische kommunistische Partei.

Zusammenbrüche und Bestätigungen - der rote Faden der internationalistischen kommunistischen Linken ist nie abgerissen

Aber mancher wird einwenden: Ist in Russland etwa nicht der Kommunismus zusammengebrochen? So die Bourgeoisie von rechts und von links und alle seine pennivendoli bilden sich ein, dass ein für alle Mal die Utopie (so bezeichnen sie es) einer anderen, besseren Gesellschaft ein für alle Mal vernichtet ist.

Nun, in Russland konnte nicht zusammenbrechen, was nie existiert hat. Das, was der Stalinismus als Kommunismus ausgegeben hat (und was alle so bezeichnet haben, um Verwirrung zu stiften und die Wirklichkeit zu entstellen), war nichts anderes als ein despotischer Staatskapitalismus. Dahinter hat die Konterrevolution - zum Schaden der internationalen Arbeiterbewegung - den tragischsten Betrug und destruktivsten Verrat begangen.

Die Fakten haben leider bestätigt, was - schon seit 1925, nach den ersten glorreichen Jahren der Oktoberrevolution - die kommunistische Linke Italiens aufgezeigt hatte:

  1. Der Sozialismus kann nicht in einem einzigen Land „aufgebaut“ werden und Stalin verkörperte den Verrat des Marxismus und des von Lenin und der glorreichen bolschewistischen Partei begonnenen Werks;
  2. Die Dritte Internationale (bzw. Kommunistische Internationale) beugte sich den Interessen und Befehlen von Moskau;
  3. Was in Russland aufgebaut und verstärkt wurde, war ein Staatskapitalismus, der alle grundlegenden Kategorien der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen am Leben erhielt: Geld, Waren, Kapital, Lohn, Profit;
  4. Die politische Macht war nicht mehr in den Händen der durch den Bürgerkrieg dezimierten Arbeiterklasse - die Sowjets existierten nur mehr dem Namen nach -, sondern einer wilden bürgerlichen Diktatur, die im Verlaufe weniger Jahre die gesamte alte bolschewistische Garde und mit ihr Tausende von kommunistischen Militanten physisch, durch Erschießung oder Straflager, beseitigte.

Auch in China wurde ein staatskapitalistisches Regime verwirklicht, dessen Geschichte aber nicht wie in Russland mit einer proletarischen Revolution, sondern mit einer tragischen Niederlage des chinesischen Proletariats, in Kanton und Schanghai 1927, begann. Diese Niederlage wurde durch die ersten Manifestationen einer politischen Konterrevolution seitens der Dritten Internationale bewerkstelligt. Der folgende Bürgerkrieg (1935-49) wurde von einem von Russland unterstützten Klassenblock geführt. In China bestand nicht nur nie auch nur der geringste Ansatz einer proletarischen Macht, wie sie anfänglich in Russland gegeben war, sondern der Marxismus wurde in solchen ideologischen Formen mystifiziert, damit man die Massen der Arbeiter und Bauern für die Interessen des nationalen Kapitals in Dienst nehmen konnte.

Kein Nachgeben gegenüber der Konterrevolution

Die italienische kommunistische Linke war die erste politische Strömung, die die Niederlage der Oktoberrevolution in Russland in der Folge des Zusammenbruchs der revolutionären Bewegungen in Europa nach dem Ende des ersten Weltkriegs und dem Umsturz der Kräfteverhältnisse zwischen Proletariat und Bourgeoisie aufzeigte.

Diese Wahrheiten haben den Genossen der italienischen kommunistischen Linken Jahrzehnte von Verfolgungen, Verleumdungen und ehrenrührigen Anklagen (Banditen, Provokateure, Spione) und die Ermordung von einigen unserer Genossen eingebracht.

Auch in der Isolation, die nach dem Faschismus unter dem demokratischen Regime fortdauerte, hat die italienische kommunistische Linke ihren Kampf fortgesetzt, mit theoretischer, organisatorischer und, in den Grenzen, die die eigenen Kräfte zuließen, auch politischer und agitatorischer Arbeit.

Faschismus, Stalinismus, imperialistischer Krieg, demokratisch-parlamentarische Räusche, Illusionen des systemerhaltenden Reformismus - alle zusammen haben nie die aktive Präsenz der kommunistischen Linken unterbrochen, auch wenn sie kräftemäßig wenig sichtbar war.

Im Gegensatz dazu, welches Ende haben unsere Verleumder und Gegner genommen?

  • Die „national-kommunistische“ Partei von Togliatti und Genossen, mit ihrem Hof von organischen Intellektuellen und stalinistischen Funktionären, ist verschwunden, teilweise flüchteten sie in die Reihen der SP oder der Parteien von Cossutta und Bertinotti (Rifondazione Comunista, gegründet nach der Sozialdemokratisierung und Umbenennung der KP Italiens in Partei der demokratischen Linken. Anm.)
  • Viele der ex-68er-Kleinbürger recycelten sich in Abhängigkeit von Berlusconi oder von Bossi (Umberto Bossi - Führer der rechtsextremen bzw. rechtspopulistischen padanistischen Lega Nord und Koalitionspartner von Berlusconis 1998-2006? Anm.)
  • Sie sind im Schlamm der „historischen“ Sozialistischen Partei und der allmächtigen Democrazia Cristiana versunken (natürlich allesamt recycelt), während die Nostalgiker des Zwanzigsten Jahrhunderts sich unter dem Schirm von Alleanza Nazionale (demokratisierte Postfaschisten. Anm.)

Die Schlussfolgerungen sind offensichtlich: Die internationalistische kommunistische Linke ist die einzige theoretisch-politische Strömung, die über den ganzen historischen Bogen dieser brennenden 80 Jahre fest auf ihren Füßen geblieben ist. Fest auf den Prinzipien und dem Programm des wissenschaftlichen Sozialismus, die sie nie verleugnet oder der augenblicklichen Mode entsprechend aktualisiert hat, aber immer mit der sich ständig verändernden Realität konfrontiert hat. Erhobenen Hauptes können wir die Aktualität des Marxismus in seiner ursprünglichen Interpretation, befreit von den Verfälschungen und Verzerrungen / Deformationen, die sich seit Stalin in einer immer konfuseren und demoralisierteren Arbeiterbewegung durchgesetzt haben, demonstrieren. Diese Verzerrungen / Deformationen, dieser wahrhaftige, vielfache Verrat, die als realer Sozialismus oder demokratisch-nationale Wege zum Sozialismus ausgegeben wurden, haben dem Prüfstands der Geschichte nicht standgehalten und sind gewaltig gescheitert, während der Kommunismus von Marx, Lenin und der internationalistischen Linken die Zukunft in Händen hält.

Der Kommunismus ist keineswegs beendigt, im Gegenteil, er muss noch kommen. Wessen Ende hingegen angebrochen ist, ist dasjenige des Kapitalismus, ausgerechnet im Augenblick seines vermeintlichen weltweiten Triumphes.

Die geschichtliche Erinnerung einer Vergangenheit, die so reich an Lehren für die Zukunft ist, trotz der von der Arbeiterklasse erlittenen Niederlagen, kann sich im Moment verdunkeln, aber nicht ausgelöscht werden. Der große Schatz an Grundsätzen und Programmatik, der sich im Verlaufe eines Jahrhunderts von Kämpfen und Erfahrungen, ruhmreichen wir tragischen, angehäuft hat, steht den vielen - vor allem der jungen Generation - zur Verfügung, die sich über die eigenen Bedingungen, die eigenen Perspektiven und die Möglichkeit der Veränderung einer Welt, die sich im Griff der wirtschaftlichen Krise und der sozialen Barbarei befindet, Fragen stellen.