Die Volksfront in Frankreich: Damals wie heute eine Sackgasse!

Wir können den Angriffen des Kapitalismus nicht entgegentreten indem wir Parteien wählen, die versprechen ihn zu verwalten! Setzen wir ihnen den Klassenkampf und den Internationalismus entgegen!

Die Niederlage der französischen Regierung bei den letzten Wahlen hat die politische Sackgasse der Bourgeoisie ans Licht gebracht. Seit der Ankündigung der Auflösung der Nationalversammlung sind die Wahlmanöver in vollem Gange. Macron singt einmal mehr das Loblied auf die „Werte der Republik", was die düstere Realität des Systems kaum verbergen kann: sozialer Rückschritt auf breiter Front, die Zunahme von Nationalismus,die weitere Verschärfung von Einwanderungsgesetzen und nicht zuletzt die Kriegstreiberei und die Militarisierung der Gesellschaft. Die Rechtsextremen sind von den Parteien die uns regieren bereits weit überholt worden!

Auf der „Linken“ wird der Geist der Volksfront von 1936 heraufbeschworen um eine Alternative zur Verteidigung der „Demokratie“ anzubieten. Doch schauen wir uns die Fakten an! Die „sozialen Errungenschaften“ der Volksfront waren lediglich notwendige Zugeständnisse um eine mächtige Bewegung spontaner Streiks zu kanalisieren. Mit dem Vertrauen, welches die linke Regierung in der ArbeiterInnenklasse genoss und einem Bouquet an sozialen Zugeständnissen sicherte sie dem Regime den notwendigen Rückhalt in der Bevölkerung während sie immer weiter auf einen neuen Weltkrieg zusteuerte.

Im Folgenden eine kurze Einschätzung dieser Erfahrung, die im Jahr 1938 verfasst wurde(1):

Der dreifache Betrug durch die Volksfront

"Politischer Betrug

Die Volksfront wurde gegründet, um "gegen den Faschismus zu kämpfen". Das Ziel des Faschismus besteht jedoch darin, die kapitalistische Ausbeutung und Herrschaft dank einer extremen Konzentration der wirtschaftlichen und politischen Macht zu verstärken; ein wirklicher Widerstand gegen diese Verschärfung der kapitalistischen Diktatur ist nur möglich wenn man die Grundlage des kapitalistischen Regimes selbst angreift, d.h. wenn man durch direkte Massenaktionen entschlossen gegen die Ausbeutung durch die Bosse und den Staat kämpft. Aber die Volksfront wurde nicht auf dieser Grundlage geschaffen. Im Gegenteil, die Führer der ArbeiterInnenorganisationen verzichteten bewusst auf jede Aktion der Klasse und machten sich daran im Namen der Bourgeoisie Aufgaben zu erfüllen die in anderen Ländern von faschistischen Organisationen erledigt worden waren. So begann eine neue Periode der demokratischen Täuschung, die heute zu einer noch stärkeren Ausbeutung des Proletariats führt, bis die Arbeiterinnen und Arbeiter mit Händen und Füßen an die Diktatur des Militärs gefesselt sind, die sich nicht von faschistischen Diktaturen unterscheidet.

Sozialer und wirtschaftlicher Betrug

Wenn wir zu ihren Ursprüngen zurückgehen, werden wir feststellen, dass die Arbeit der Volksfront nichts anderes als eine ununterbrochene Kette von Verrat an den Interessen der ArbeiterInnenklasse war. Das erste Ergebnis ihrer Arbeit waren zweifelsohne die Gesetzesdekrete von Laval vom 17. Juli 1935.(2) Die Führer der CGT, der CGTU und der ArbeiterInnenparteien waren sich der Bedeutung dieser Dekrete, die kurz vor ihrer Verabschiedung standen, durchaus bewusst als sie die erste große Parade unter der Trikolore am 14. Juli organisierten. Anstatt die große Bewegung der Massen, die von diesen hart getroffen werden sollten, darauf vorzubereiten zu reagieren, arbeiteten die Führer im Gegenteil daran die Arbeiterinnen und Arbeiter zu verunsichern. Die Gewerkschaftsgurus der beiden Gewerkschaftsführungen reagierten dann mit Odrnusngsappellen auf die Staatsbediensteten, Eisenbahner, Postangestellten und Hafenarbeiter, die sehnsüchtig auf Aufrufe zur Aktion warteten, protestierten und den Kampf begannen. Es folgte die Niederschlagung der Unruhen von Brest und Toulon, für die die Volksfront zusammen mit ihrem Komplizen Laval mitverantwortlich war. Von 1935 bis Mai 1936 konzentrierte sich die gesamte Tätigkeit der ArbeiterInnenorganisationen auf die parlamentarische Agitation mit dem Ziel, den Sieg der Volksfront bei den Wahlen zu sichern. Die in dieser Zeit erreichte Einheit der Gewerkschaften wurde sofort zu diesem Zweck genutzt. Die Klassenzusammenarbeit wurde zur Charta der vereinigten Gewerkschaftsbewegung. Die Propaganda für den Plan der CGT ersetzte jedes Aktionsprogramm. Die gewerkschaftlichen Aktivitäten gingen in der Wahlagitation unter. Im Juni 1936 ergriffen die Arbeiterinnen und Arbeiter in einem großartigen Energieschub dennoch außerparlamentarische Maßnahmen. Eine noch nie dagewesene Streikwelle drohte die Gewerkschaftsführung völlig zu überwältigen. Doch der ersten Regierung der Volksfront gelang es diese gewaltige Bewegung zu ersticken und durch die Matignon-Abkommen den Schaden für die Bosse zu begrenzen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter erhielten die 40-Stunden-Woche, bezahlten Urlaub, die Anerkennung von Gewerkschaftsdelegierten, Lohnerhöhungen usw. Die Gewerkschaftsführer akzeptierten jedoch eine Reihe von Bedingungen in den Tarifverträgen, die die Aktionen der Arbeiterinnen und Arbeiter nur in komplizierte Verfahren einbinden sollten. Dies war der Ausgangspunkt für weitere Maßnahmen, die die Volksfront später im Gesetz zum obligatorischen Schlichtungsverfahren bis hin zum aktuellen Arbeitsstatut ausformulieren sollte. Nach dem großen Weckruf vom Juni 1936 holte sich die Volksfront nach und nach all das von den Lohnabhängigen zurück was diese durch ihre Aktionen den Bossen entrissen hatten. Eine erste Geldentwertung ließ die Lohnerhöhungen ins Leere laufen. Eine zweite brachte die Löhne auf ein niedrigeres Niveau als vor Juni 1936. Und die derzeitige dritte Abwertung nährt den kontinuierlichen Anstieg der Preise und verringert die Kaufkraft der Arbeiter immer mehr. Durch die Schlichtung erhalten die ArbeiterInnen nur einen Hungerlohn. [...] Erinnern wir uns nur daran, dass alle diese Maßnahmen die fortschreitende Integration der Gewerkschaften in den Staatsapparat der kapitalistischen Diktatur verwirklichten. Kurzum, von den Laval-Dekreten bis zum Arbeitsstatut, das in den Tarifverträgen vorgesehene Schlichtungsverfahren, die Matignon-Abkommen, die obligatorische Schlichtung, bestand eine perfekte Kontinuität. Die Volksfront hat die Arbeiterinnen und Arbeiter in eine Zwangsjacke gesteckt. Dies lief jedoch nicht ohne Schwierigkeiten ab, wie die Streiks im Dezember und Januar zeigten. Die Volksfront konnte diese gewaltige soziale und wirtschaftliche Täuschung vollbringen, indem sie leider die Mehrheit ihrer Opfer im Griff behielt. Und mit ihren 5 Millionen Mitgliedern ist die CGT vielleicht die solideste Machtbasis, die durch den Einfluss der politischen Parteien vervollständigt wird.

Imperialistischer Betrug

Trotz der Bedeutung und Schwere der von der Volksfront geleisteten Arbeit zur Unterwerfung der ArbeiterInnen unter die Kapitalisten und ihren Klassenstaat war jedoch die Vorbereitung auf den Krieg ihre wichtigste Aufgabe, die in Wirklichkeit alle anderen Aufgaben bedingte. Von dem Moment an, als Stalin erklärte er habe die Politik des französischen Imperialismus "verstanden und gebilligt", hatte die Kommunistische Partei nur ein Ziel: die Einheit der französischen Nation. Eine Aktionseinheit mit der Sozialistischen Partei wurde möglich und eine Versöhnung mit dem Reformisten Jouhaux ebenso.(3) Innerhalb der Volksfront arbeiten kommunistische Führer, Sozialisten und radikale Gurus(4) zusammen, um die ArbeiterInnenklasse zu täuschen. Bei den großen Paraden, die zur Verherrlichung der Republik, der Armee, des Landes usw. organisiert wurden, wurde die rote Flagge neben der Trikolore geschwenkt. Die Volksfront konnte nun zig Milliarden für die Rüstung bewilligen, die passive Verteidigung organisieren, den zweijährigen Dienst beibehalten, die Jugend in die militärische Vorbereitung einbeziehen, kurzum, alle Aufgaben erfüllen, die eine reaktionäre Regierung so schnell und ohne gewalttätige Reaktionen der ArbeiterInnen kaum hätte bewältigen können.Das Meisterwerk all dieser Arbeit wird der Plan zur Mobilisierung der Nation sein, den die derzeitige Regierung dem Parlament gerade zur Genehmigung vorgelegt hat. Die Volksfront hatte versprochen, das Brot, den Frieden und die Freiheit zu verteidigen. Sie brachte den Arbeiterinnen und Arbeitern Elend, Versklavung und Krieg. Ein dreifacher Betrug. Es wäre an der Zeit, die Augen aufzumachen. (Henri Chazé)

Der eigentliche Kampf beginnt mit der Verteidigung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen und vereint die Arbeiterinnen und Arbeiter über alle Branchen, Nationalitäten usw. hinweg. Dies ist der Hebel, der die Angriffe abwehren und eine Welt ohne Ausbeutung und Kriegsgefahr schaffen kann!

Vincent (Groupe révolutionnaire internationaliste)

Anmerkungen:

Für eine weitere Auseinandersetzung mit der Politik der Volksfront empfehlen wir die Texte der linkskommunistischen Zeitschrift Bilan: archivesautonomies.org

(1)Veröffentlicht in Le Réveil syndicaliste, Nr. 6, Montag, 28. März 1938. Die ersten beiden einleitenden Absätze werden hier nicht wiedergegeben. Er ist auf Französisch hier zu finden: archivesautonomies.org

(2) Durch die Dekrete (tatsächlich am 16. Juli) werden alle öffentlichen Ausgaben um 10 % gekürzt. Pierre Laval, ursprünglich ein Sozialdemokrat blanquistischer Prägung und Pazifist, war zu dieser Zeit rechtsgerichteter Premierminister und später eine wichtige Figur des Vichy-Regimes, wofür er am Ende des Zweiten Weltkriegs hingerichtet wurde.

(3) Léon Jouhaux war der reformistische Gewerkschaftsführer der CGT, im Gegensatz zur kommunistisch orientierten CGTU. Zuvor hatte er die CGT zur Unterstützung der Kriegsanstrengungen während des Ersten Weltkriegs zur "heiligen Gewerkschaft" gemacht, was ein wichtiger Grund für die schwierige Aussöhnung mit den Kommunisten war. Die beiden Gewerkschaften schlossen sich 1936 wieder zusammen. Während des Zweiten Weltkriegs war Jouhaux zusammen mit anderen namhaften französischen Persönlichkeiten auf Schloss Itter inhaftiert und war bei der gleichnamigen Schlacht anwesend, die manchmal als die seltsamste Schlacht des Krieges bezeichnet wird. Im Jahr 1947 spaltete er sich von der CGT ab und war Mitbegründer der Gewerkschaft Force Ouvrière, die indirekt von der CIA finanziert wurde. Für seinen Pazifismus erhielt er später auch den Friedensnobelpreis.

(4) Die Radikale Partei war zu dieser Zeit die Mitte-Links-Partei.

Friday, June 28, 2024