In Gaza und darüber hinaus: Kapitalismus, Imperialismus und Nationalismus bedrohen die gesamte Menschheit

Als wir uns aufstellten ... wurde vier Mädchen befohlen, sie zu begleiten, um Wasser für die [Kämpfer] zu tragen ... Stattdessen brachten sie sie in unsere leeren Häuser und vergewaltigten sie. Etwa siebzig unserer Männer wurden mit verbundenen Augen erschossen, einer nach dem anderen, vor unseren Augen. Sie ... nahmen ihre Leichen und warfen sie auf den Zement, der den Dorfbrunnen bedeckte und schütteten Sand auf sie.(1)

Sie töteten etwa achtzig ... Die Kinder wurden getötet, indem man ihnen mit Knüppeln die Schädel einschlug.(2)

Der 7. Oktober 2023? Nein, dieser andere abscheuliche Vorfall fand im Oktober 1948 statt. Bei den "Kämpfern" handelte es sich in Wirklichkeit um jüdische Soldaten der Organisation Haganah ("Verteidigung"). Es waren keine isolierten oder spontanen Vorfälle, sondern Bestandteil des sorgfältig ausgearbeiteten Plans „Dalet“ („Plan D“) der zionistischen Streitkräfte. Dieser von den israelischen Regierungen stets als Verteidigungsmaßnahme dargestellte Plan sollte sicherstellen, dass man erhielt was ihr im Rahmen der UN-Teilung Palästinas versprochen worden war. In Wirklichkeit war es ein Plan zur ethnischen Säuberung der palästinensischen Landbevölkerung. Die Haganah war nicht die einzige an diesem Tag im Einsatz befindliche israelische Truppe. An ihrer Seite agierten die terroristischen Gruppen Lehi (von ihren Gegnern als Stern-Bande bezeichnet)(3) und Irgun Zvai Leumi, die eine Aufteilung des Landes nicht akzeptieren wollten. Es war die Irgun, ermutigt von Haganah-Kommandeuren, die im April 1948 in Deir Yassin mit dem Massaker an bis zu 254 Dorfbewohnern die wohl größte Gräueltat von allen begangen hatte. Die Tatsache, dass Deir Yassin achtzehn Meilen innerhalb jenes Gebietes lag, welches die UNO den bisherigen Bewohnern des britischen Mandatsgebiets Palästina zugewiesen hatte, widerlegt jegliche "defensive" Absicht hinter dem Plan Dalet. Die Nachricht von dieser Gräueltat führte unter der palästinensischen Bevölkerung, die nun um ihr Leben fürchtete, zu einer Fluchtbewegung.

Wir erinnern nicht an diese Details der palästinensischen Nakba um die von den Hamas-geführten Kräften verübten Schrecken des 7. Oktober 2023 zu rechtfertigen. Gegenseitige Schuldzuweisungen sind eine propagandistische Waffe in allen Kriegen und wird sowohl von der Hamas (Akronym für Harakat al-Muqawama al-Islamiya oder die "Islamische Widerstandsbewegung") als auch vom israelischen Staat bis zum Äußersten ausgereizt um ihre gleichermaßen toxischen nationalistischen Agenden zu rechtfertigen. Das Ziel ist, dass sich die Arbeiter gegenseitig massakrieren um das Eigentum ihrer Herren zu verteidigen. Beide müssen abgelehnt werden, ebenso wie das System, das sie hervorgebracht hat.

Die unmittelbaren Ursachen des derzeitigen Mordens

Die jüngste Runde in diesem jahrhundertealten "asymmetrischen Konflikt" begann mit dem überraschenden und beispiellosen Ausbruch der Hamas aus der Enklave Gaza. Dies führte zu einem wahllosen und unmenschlichen Massaker an bis zu 1.200 Menschen (nicht nur Jüdinnen und Juden, auch arabische Israelis die versuchten mit den Kämpfern zu sprechen, wurden umgebracht), während weitere 240 (aus 40 verschiedenen Ländern) als Geiseln genommen wurden. Es war der größte Verlust an jüdischem Leben an einem einzigen Tag seit dem Holocaust.

Im Gegenzug hat die israelische Armee (IDF) in weniger als drei Monaten Kampfhandlungen mehr als 22.000 Palästinenser getötet, darunter einige Tausend Hamas-Kämpfer. Doch 45 % der Opfer waren Kinder.(4) Auch dies ist ein neuer Rekord des Grauens für die palästinensische Bevölkerung. Weite Teile Gazas gleichen einer Mondlandschaft. Israel hat in einer Woche fast so viele Bomben auf den Gazastreifen abgeworfen (der etwa so groß ist wie die Isle of Wight), wie die US-geführte Koalition in einem Jahr auf das gesamte Gebiet Afghanistans. Die IDF geben nicht vor, dass es sich um "Präzisionsbombardements" handelt, wie die USA und ihre Verbündeten 2003 im Irak zu behaupten versuchten. 2.000-Pfund-Bomben werfen Wohnblocks einfach um wie Streichhölzer, selbst wenn sie nicht direkt getroffen werden. Zusammen mit der Blockade lebenswichtiger Güter hat dies zu einer humanitären Katastrophe für mehr als zwei Millionen Menschen geführt, die von den IDF immer wieder aufgefordert werden sich an diesen oder jenen sicheren Ort zu begeben, wobei das letzte Gebiet nicht viel größer als 3 Quadratmeilen ist - und selbst das ist nicht sicher. Sie sind bereits mit Kälte, Hunger und Krankheiten konfrontiert, und das in einer Situation in der fast alle medizinischen Einrichtungen überlastet sind und ein besonders nasser Winter dieses Elend noch verschlimmert.

Die Heftigkeit der israelischen Reaktion war für jeden vorhersehbar der diesem Konflikt in den letzten Jahren auch nur ein Minimum an Aufmerksamkeit gewidmet hat. Im Mai 2021 veröffentlichte die Internationalistische Kommunistische Tendenz ein Statement zu den damaligen Auseinandersetzungen zwischen der Hamas und Israel. Unter der Zwischenüberschrift "Déjà Vu" schrieben wir:

Déjà vu? Das hatten wir doch alles schon einmal. Genau drei Mal, seit die Hamas vor 15 Jahren die Kontrolle in Gaza übernommen hat. Das Muster ist immer das gleiche. Israel macht einen weiteren Schritt um Tatsachen vor Ort zu schaffen, wie die geplante Vertreibung der PalästinenserInnen aus Teilen Ost-Jerusalems, zu schaffen. Daraufhin feuert die Hamas all die selbstgebauten und gehorteten Raketen ab und die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) antworten mit ihrem gesamten Arsenal (ausgenommen ihrer Nuklearwaffen). Die USA legen im Sicherheitsrat ihr Veto gegen jede Verurteilung Israels ein, während die restlichen "Führer der Welt" zum Frieden aufruft. Auch die Ergebnisse folgen dem gleichen Muster. Die Zahl der getöteten PalästinenserInnen steht immer in krassem Missverhältnis zu der Zahl der getöteten Israelis.(5)

Doch auch wenn einem vieles bekannt vorkommt ist es diesmal anders. Der Anschlag vom 7. Oktober 2023 durch die Hamas mag auf dieselben Missstände zurückzuführen sein wie 2021, doch fand er in einem völlig anderen nationalen und weitaus gefährlicheren internationalen Kontext statt.

Was also hat die Hamas zu der massiven und für die Menschen in Gaza katastrophalen Provokation vom 7. Oktober veranlasst? An der offiziellen Erklärung der Hamas, der Angriff sei als Vergeltung für die Angriffe auf PalästinenserInnen in der al-Aqsa-Moschee, in Ost-Jerusalem und im Westjordanland geplant gewesen, ist offensichtlich etwas dran. Die ebenso provokante rechtsgerichtete Regierung unter Netanjahu hatte dem wegen Anstiftung zum Rassismus und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verurteilten Itamar Ben Gvir freie Hand gelassen und sogar eine spezielle paramilitärische Nationalgarde geschaffen damit dieser Minister für nationale Sicherheit die PalästinenserInnen in diesen Gebieten terrorisieren konnte. Darüber hinaus haben die Abraham-Abkommen, mit denen die USA arabische Staaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko dazu brachte Abkommen mit Israel zu unterzeichnen, die palästinensische Position auf der internationalen Bühne weiter geschwächt. In den Wochen vor dem Hamas-Angriff verhandelte auch Saudi-Arabien über einen Vertrag mit Israel.

Hamas-Sprecher Ibrahim Hamad sagte gegenüber Al Jazeera TV ..., dass der Anschlag "absolut eine Botschaft" an muslimische Länder sei, die eine Normalisierung mit Israel anstreben.(6)

Die Hamas hat nicht reagiert als das frühere Abraham-Abkommen geschlossen wurde, doch ist es anzunehmen, dass die Saudis die Umsetzung einer der Vorschläge des Oslo-Abkommens von 1993 fordern;

... die sich auf das sogenannte Gebiet C konzentrieren, das 60 Prozent des Westjordanlandes ausmacht und in dem sich die meisten israelischen Siedlungen befinden. Es gibt glaubwürdige Berichte über verschiedene Vorschläge der Palästinensischen Autonomiebehörde, der Vereinigten Staaten und Saudi-Arabiens, die darauf abzielen, dass Israel im Rahmen eines Abkommens zwischen Riad und Jerusalem zur Normalisierung der Beziehungen zustimmt, einen bedeutenden Teil des Gebiets C unter palästinensische Kontrolle zu stellen.(7)

Eine solche "Normalisierung" war nicht im Sinne der Hamas, da sie der Palästinensischen Autonomiebehörde und damit ihrem säkularen Rivalen, der Fatah, mehr Macht verliehen hätte. Vielleicht war dies die "Botschaft", die Ibrahim Hamad den Saudis überbringen wollte?

Aber es gab noch ein drittes mögliches Motiv. Die Unterstützung der Hamas im Gazastreifen war rückläufig und die Bevölkerung machte nicht nur die israelische und ägyptische Blockade des Gebiets für ihre sich verschlechternden sozialen Bedingungen verantwortlich. Eine Umfrage des Arab Barometer, die in Foreign Affairs,(8) der New York Times und der linksreformistischen italienischen Zeitung Il Manifesto veröffentlicht wurde, ergab, dass 62 % der Bevölkerung des Gazastreifens die Hamas nicht unterstützen. Die meisten würden sich auch mit einer Zwei-Staaten-Lösung zufriedengeben, die der Hamas-Gründungscharta(9) von 1988 ablehnt. Wir brauchen uns auch nicht nur auf Meinungsumfragen zu verlassen. Wie Amnesty International im Jahr 2022 berichtete:

Im Gazastreifen herrschte nach der brutalen Niederschlagung der friedlichen Proteste gegen die steigenden Lebenshaltungskosten im Jahr 2019 ein allgemeines Klima der Unterdrückung, das abweichende Meinungen wirksam verhindert und häufig zu Selbstzensur führte.(10)

Die Lage ist heute nicht besser. Die Arbeitslosigkeit liegt jetzt bei 60 %, ein massiver Anstieg verglichen mit den 40 % vor nur 2 Jahren. In dieser Situation ist Repression nicht genug. Der Standardtrick aller Nationalisten besteht darin, den Feind zu einer Gräueltat zu provozieren(11), um die Unterstützung gegen "die Anderen" zu festigen und was ebenso wichtig ist, interne Meinungsverschiedenheiten zum Schweigen zu bringen. Wie eine weitere aktuelle Umfrage von Khalil Shikaki von Ende November/Anfang Dezember zeigt, hat dies zumindest vorläufig weitgehend funktioniert. Im Westjordanland ist die Unterstützung für die Hamas von 12 % auf 44 % gestiegen, während sie im Gazastreifen seit Beginn der israelischen Bombardierung von 38 % auf 42 % gestiegen ist.(12)

Auch in Israel ist eine tiefe politische Spaltung zu beobachten. Das ganze Jahr 2023 hindurch gab es massive Demonstrationen gegen die Versuche der neuen ultrarechten Koalition, durch die Verabschiedung von Justizreformen den Obersten Gerichtshof praktisch zu einem Erfüllungsgehilfen für die Knesset machen würden. Viele Demonstranten und Oppositionspolitiker wissen, dass die Rechtsreformen nur ein Vorläufer für den weiteren Ausbau der Siedlungen im Westjordanland und sogar für die Vertreibung aller PalästinenserInnen aus den anerkannten Grenzen Israels sind. Netanjahu hat ein persönliches Interesse daran die Gerichte zu unterminieren um einer Anklage wegen Korruption zu entgehen, doch seine ultrarechten Verbündeten von den religiös-orthodoxen Parteien und der Siedlerbewegung (in Ostjerusalem und dem Westjordanland gibt es inzwischen 750.000 solcher Siedler) verfolgen ein spiegelbildliches Ziel wie die Hamas - sie wollen in Wirklichkeit die Vertreibung aller Palästinenser aus dem Gebiet der ehemaligen britischen Mandatskolonie. Jüdische Siedlungen werden seit einem halben Jahrhundert in aufeinanderfolgenden UN-Resolutionen verurteilt, aber mit der Komplizenschaft der USA ignoriert wird und so werden die Siedlungen weiterhin in den besetzten Gebieten errichtet. Sie alle sind Teil eines seit langem bestehenden zionistischen Projekts "Fakten vor Ort" zu schaffen, um einen künftigen palästinensischen Staat unmöglich machen sollen. Dabei agiert die Hamas als der "nützliche Idiot" des zionistischen Nationalismus, denn auch sie lehnt jede andere Lösung als die Auslöschung des Staates Israel ab. Genau wie im Krieg in der Ukraine gibt es keinen Raum für Kompromisse.

Es ist allgemein bekannt, dass die Hamas von den verschiedenen israelischen Regierungen ermutigt wurde als islamistische Alternative zur Fatah-Bewegung aufzutreten, die damals wie heute die so genannte Palästinensische Autonomiebehörde dominiert. Israelische Beamte haben dies bestätigt.

Im Jahr 2009 sagte Avner Cohen, ein über 20 Jahre lang im Gazastreifen tätiger ehemaliger israelischer Beamter für religiöse Angelegenheiten, dem Wall Street Journal: "Die Hamas ist zu meinem großen Bedauern Israels Schöpfung". Ein anderer ehemaliger israelischer Beamter, Brigadegeneral Yitzhak Segev, sagte, dass ihm ein Budget zur Finanzierung islamistischer Bewegungen im Gazastreifen bereitgestellt wurde um Jassir Arafat und seine Fatah-Bewegung zu bekämpfen. Ein anderer ehemaliger israelischer Militärbeamter, David Hacham, sagte, Zitat: "Wenn ich auf die Kette der Ereignisse zurückblicke, denke ich, dass wir einen Fehler gemacht haben. Aber zu der Zeit dachte niemand an die möglichen Folgen.(13)

Am Tag nach dem Hamas-Anschlag zögerten viele israelische Beobachter nicht lange, mit dem Finger auf die Schuldigen zu zeigen:

Die meiste Zeit bestand die israelische Politik darin, die Palästinensische Autonomiebehörde als Belastung und die Hamas als Vorteil zu betrachten. Der rechtsextreme Knessetabgeordnete Bezalel Smotrich, jetzt Finanzminister in der Hardliner-Regierung und Vorsitzender der Partei des religiösen Zionismus, sagte dies selbst im Jahr 2015.

Verschiedenen Berichten zufolge äußerte sich Netanjahu auf einer Sitzung der Likud-Fraktion Anfang 2019 in ähnlicher Weise, als er mit den Worten zitiert wurde, dass diejenigen, die gegen einen palästinensischen Staat seien, den Transfer von Geldern nach Gaza unterstützen sollten da die Aufrechterhaltung der Trennung zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland und der Hamas in Gaza die Gründung eines palästinensischen Staates verhindern würde.(14)

Bei solch offenem Zynismus der israelischen Führung muss man sich auch fragen, warum die Hamas an jenem Samstagmorgen des 7. Oktober nicht nur die Grenze überqueren, sondern so weit in israelisches Gebiet eindringen und so viel Zeit damit verbringen konnte umherzuziehen und nach Belieben zu töten. Immerhin gelten die israelischen Geheimdienste als die effektivsten der Welt. Sie haben eine beispiellose Erfolgsbilanz und haben alle palästinensischen Organisationen irgendwann einmal infiltriert. Wie kommt es dann, dass fast genau am 50. Jahrestag des Jom-Kippur-Krieges und wieder einmal am Sabbat, während eines jüdischen religiösen Feiertages (Sukkot), keine Aktion zu erwarten war? Warum wurden die Warnungen des ägyptischen Geheimdienstes ignoriert? Warum wurden die Soldatinnen die die Grenze zum Gazastreifen visuell überwachten und von Trainingseinheiten berichteten, in denen Hamas-Kämpfer übten den Grenzzaun niederzureißen, ignoriert? Die offiziellen Antworten waren nicht überzeugend (man muss nicht die gesamte IDF ins Westjordanland schicken, um mit unbewaffneten PalästinenserInnen fertig zu werden, vor allem, wenn die Probleme dort von bewaffneten jüdischen Siedlern verursacht werden) was den schrecklichen Verdacht nährt, dass die israelische Regierung den Einmarsch zuließ um sich eine Rechtfertigung zu verschaffen, die Hamas ein für alle Mal zu beseitigen.

Nach Angaben der New York Times (2. Dezember 2023) hatten der israelische Geheimdienst und das Militär ein Jahr vor dem Angriff ein Hamas-Dokument erhalten. Darin wurde ein Angriff beschrieben, der die Befestigungen rund um den Gazastreifen überwältigen, israelische Städte einnehmen und wichtige Militärbasen angreifen sollte.

Das etwa 40-seitige Dokument, das von den israelischen Behörden unter dem Codenamen "Jericho Wall" geführt wurde, skizzierte Punkt für Punkt genau die Art von verheerender Invasion die zum Tod von etwa 1.200 Menschen führte ... Aber israelische Militär- und Geheimdienstbeamte wiesen den Plan als ehrgeizig zurück und hielten ihn für zu schwierig für die Hamas um ihn auszuführen.(15)

Auch dies könnte zutreffen. Netanjahu hatte ursprünglich am Tag des Anschlags eine Kritik an den Geheimdiensten getwittert, diese dann aber gelöscht. Der einzige andere Kommentar kam von Ronen Bar, dem Leiter des Innlandgeheimdienstes Shin Bet. Er bekannte sich sofort zur Verantwortung und erklärte ganz banal: "Leider waren wir nicht in der Lage eine ausreichende Warnung auszusprechen, die es ermöglicht hätte, den Hamas-Anschlag zu vereiteln", fügte aber schnell hinzu: "Es wird Zeit für Untersuchungen geben. Jetzt kämpfen wir."

Ein Grund für die angebliche Selbstzufriedenheit liegt darin, dass die Versuche der Hamas, die Grenze zum Gazastreifen im Jahr 2021 zu überqueren, scheiterten obwohl sie einige der gleichen Waffen und Geräte, wie z. B. Drohnen, eingesetzt hat, die am 7. Oktober verwendet wurden. Dies scheint die IDF zu der Überzeugung gebracht zu haben, dass sich so etwas viele Jahre lang nicht wiederholen könnte. Der israelische Reporter Haviv Rettig Gur brachte es damals auf den Punkt:

Die Hamas musste 11 Tage lang zusehen, wie Israel systematisch ihre taktischen Innovationen unterband und ihre militärische Infrastruktur im Wert von Hunderten von Millionen Dollar zerstörte. Die Gruppe hat ein Jahrzehnt damit verbracht umfangreiche neue Kriegsführungsfähigkeiten aufzubauen um Israel an neuen und unerwarteten Fronten herauszufordern. Alle erwiesen sich als unwirksam oder schlichtweg nutzlos.(16)

Darüber hinaus wurden im Jahr 2021 zahlreiche mittel- bis hochrangige Hamas-Offiziere getötet (und ihre Namen von den IDF aufgelistet), was darauf hindeutet, dass der israelische Militärgeheimdienst trotz des Abzugs der Siedlungen im Gazastreifen 16 Jahre zuvor noch immer dort operierte. Netanjahu prahlte wiederholt damit und rühmte ständig das Ausmaß der (unbestrittenen) militärischen Überlegenheit Israels in Sachen Technologie.(17) Vor diesem Hintergrund scheint es, dass man sich zu sehr auf die Überwachungstechnologie verlassen hat. Am 7. Oktober zielte die Hamas geschickt zuerst auf diese und dann auf das Kommunikationssystem, sodass Hilferufe nicht durchkamen. In einigen Fällen dauerte es 20 Stunden bis einige israelische Einheiten eintrafen um den Angegriffenen zu helfen.

Die Hamas-Führer hingegen scheinen aus der Niederlage von 2021 gelernt zu haben und setzten auf eine neue Technologie, indem sie tief in den Tunneln unter dem Gazastreifen drahtgebundene Telefone anstelle von Mobiltelefonen verwendeten (laut demselben Bericht der New York Times). Nur hochrangige Hamas-Befehlshaber kannten die Einzelheiten des Plans, der erst im letzten Moment an die anderen an dem Angriff beteiligten Gruppen(18) weitergegeben wurde. Auf diese Weise konnten sie ihre Pläne angeblich bis zum 7. Oktober geheim halten.

Vielleicht müssen Historiker diesmal nicht die üblichen 30 Jahre warten um die volle Wahrheit zu erfahren, denn die Spaltung an der Spitze der israelischen Regierung ist für alle sichtbar. Erst im vergangenen März forderte Ben Gvir die Entlassung von Verteidigungsminister Yoav Gallant, weil er eine Aussetzung der Justizreform gefordert hatte. Für die rechten und ultrareligiösen Siedlerführer Ben Gvir und Bezalel Smotrich war dies ein Verrat, da es Teil ihrer Strategie zur Kolonisierung des gesamten israelischen Staatsgebiets ist. Einige Tage lang sah es so aus, als wolle Netanjahu Gallant entlassen, aber massive Demonstrationen zu seinen Gunsten erzwangen eine Kehrtwende. Tatsache ist, dass der Angriff der Hamas nicht nur dazu beigetragen hat die zerstrittene ultrarechte Koalition zusammenzuhalten, sondern auch eine Art nationale Einheit herbeigeführt und den Weg für die ethnische Säuberung der PalästinenserInnen im Gazastreifen geebnet hat. Sie hat auch zur Bildung einer Art Regierung der nationalen Einheit sowie eines fünfköpfigen Kriegskabinetts geführt, dem zwar Oppositionsführer angehören aber die extreme Rechte ausgeschlossen ist. Als Gegenleistung für diese "nationale Einheit" vereinbarte Netanjahu, die Justizreformen "für die Dauer" einzufrieren. Und Netanjahu hat den Israelis gesagt, dass der Krieg lange dauern wird (für ihn persönlich gilt: je länger, desto besser).

Im Moment geht diese nationale Einheit auch über den Kuhhandel zwischen den Politikern hinaus. Die inzwischen traditionelle Samstagabend-Massendemonstration gegen die von der Regierung Netanjahu geplante Justizreform wurde am 7. Oktober sofort abgesagt. Einige der organisierenden Gruppen, die zuvor die Einberufung verweigert hatten, riefen ihre Anhänger auf sich für den kommenden Krieg zu melden. Der Krieg hat also wie immer den nationalen Konsens gestärkt und lässt wenig oder keinen Raum für Abweichler auf beiden Seiten. So weigerten sich beispielsweise ehemals "gemäßigte" Radiomoderatoren wie Ben Caspit, Videos von toten Kindern in Gaza zu sehen und twitterten stattdessen:

Sie haben sich ihre Hölle redlich verdient. Ich habe kein bisschen Mitleid.(19)

Die Gräueltaten der nationalistischen Fanatiker auf beiden Seiten führen zu dieser Art von gestörter Mentalität.

Ein Ort an dem einige mutige Israelis zur Unterstützung der Palästinenser Widerspruch eingelegt haben ist das Westjordanland, vor allem durch die Arbeit der Nichtregierungsorganisation Yesh Din ("Es gibt Recht"). Sie überwacht die illegalen Siedlungen dort und die Gewalt gegen palästinensische DorfbewohnerInnen, welche im Jahr 2023 zugenommen hat und eindeutig ein Faktor für den Hamas-Angriff war. Nach einem Monat des israelischen Angriffs auf Gaza liest sich die Bilanz wie folgt:

Die israelische Menschenrechtsorganisation Yesh Din teilte am Freitag mit, dass es seit dem grausamen und mörderischen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober, der den Krieg mit der Terrorgruppe auslöste, 172 Vorfälle von Siedlergewalt und Schikanen gegen Palästinenser in mindestens 84 palästinensischen Städten und Gemeinden im Westjordanland gegeben habe.(20)

Niemand wurde für diese Verbrechen auch nur befragt, geschweige denn verhaftet. Jugendliche aus den Siedlungen können mit Stöcken in palästinensische Dörfer eindringen und die Oliven von den Bäumen schlagen, um die Lebensgrundlage der DorfbewohnerInnen zu zerstören. Wenn die DorfbewohnerInnen versuchen, sie aufzuhalten, schießen entweder die Siedler auf sie (Ben Gvir verteilte in den Tagen nach dem 7. Oktober 10.000 Sturmgewehre an Siedler) oder die Armee rückt an um ... die Palästinenser oder Mitglieder von Yesh Din zu verhaften. Es ist ganz klar, dass das Ziel nach wie vor darin besteht das Leben der PalästinenserInnen im Westjordanland unerträglich zu machen. Zusammen mit der anhaltenden Zerstörung des Gazastreifens bahnt sich damit eine zweite oder dritte Nakba an. Aber um eine wirkliche Perspektive auf die Geschehnisse zu bekommen, müssen wir verstehen, dass der Krieg um den Nahen Osten Teil eines viel umfassenderen Kampfes ist.

Kapitalismus und Nationalismus

Der Nationalismus und der Nationalstaat entstanden mit dem Kapitalismus als "die politische Revolution (der Bourgeoisie) ... die feudale Macht stürzte und die Staatsangelegenheiten zu Angelegenheiten des Volkes machte".(21) Mit ihrer Losung "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" behauptete die Bourgeoisie die Verkörperung des Volkes zu sein, auch wenn der Besitz von Eigentum bedeutete, dass einige "gleicher als andere" waren. Freiheit bedeutete Freiheit von feudalen Beschränkungen des Handels und des Produktionswachstums und "Laissez-faire" wurde zur Doktrin der aufstrebenden Unternehmerklasse. Der Staat war nicht mehr der eines absoluten Monarchen dem die "Untertanen" ihre Loyalität schuldeten, sondern er war auch die Verkörperung der "Nation". Das Konzept des "Nationalstaates" war das perfekte Instrument für die kapitalistische Akkumulation.

Erklärungen, dass "alle Menschen gleich geschaffen sind" mögen für afrikanische Sklavinnen und Sklaven oder indigene Völker, ganz zu schweigen von der neuen ausgebeuteten Klasse des Proletariats, eine leere Phrase gewesen sein, aber für die Jüdinnen und Juden, die in den sechzehn Jahrhunderten seit dem Scheitern ihres letzten Versuchs die jüdische Unabhängigkeit in Palästina 137 n.u.Z. wiederherzustellen, gezwungen gewesen waren von einem Ort zum nächsten zu ziehen, klang dies wie ein echter Fortschritt. Die religiösen Verfolgungen(22) und Vertreibungen denen sie ausgesetzt gewesen waren wurden nun durch eine gewisse religiöse Toleranz abgelöst, die allerdings auch klare Grenzen hatte.

Die Emanzipation der Juden ermöglichte es ihnen, zuweilen Land zu besitzen, in den Staatsdienst einzutreten (obwohl einige von ihnen dazu konvertieren wechseln mussten) oder teilweise als Offiziere in den nationalen Streitkräften zu dienen. Dies rief den Unmut derjenigen hervor, die in den neuen Nationalstaaten der Ansicht waren, dass sie, wie man heute sagt, "uns die Arbeitsplätze wegnehmen". Obwohl die Mehrheit der Juden arm blieb und manchmal nur in den Ausbeuterbetrieben ihrer Glaubensgenossen Arbeit fand, wurden diese von den wenigen, die sich von Geldverleihern (da die katholische Kirche den Christen den "Wucher" verbot) zu führenden Finanzkapitalisten in Europa entwickelten, verdrängt. Dies erweckte noch mehr Neid, sodass sich der Anschein der Toleranz auflöste, als die kapitalistische Weltwirtschaft von 1866 bis 1873 ihre erste echte Finanzkrise (…) erlebte.

Kapitalistischer Imperialismus

Die zwei Jahrzehnte nach der Krise von 1873 veränderten das Wesen des Kapitalismus dramatisch. Die weitere Konzentration des Kapitals hatte nicht nur eine Weltwirtschaft geschaffen, sondern den Kapitalismus zusätzlich in ein neues Entwicklungsstadium geführt. Einzelne Unternehmen wichen nun neuen Aktiengesellschaften und später Kartellen, während das Bank- oder Finanzkapital begann den Akkumulationsprozess in jedem Staat zu dominieren. Der Wettbewerb ging von dem zwischen einzelnen Kapitalisten auf dem heimischen Markt zum Wettbewerb zwischen Nationalstaaten auf dem Weltmarkt über. Die Tage von "Laissez-faire" und Freihandel waren nun gezählt, da die Verteidigung der nationalen Wirtschaft über die Erhöhung der Schutzzölle allmählich zu Handelskriegen führte.(23) Der Staat wurde überall zur Verteidigung der nationalen Wirtschaft und nicht nur des nationalen Territoriums herangezogen, was zu einer neuen Form des Imperialismus führte.

Die führenden kapitalistischen Staaten konkurrierten in dieser Zeit darum sich die billigsten Rohstoffquellen, billige Arbeitskräfte und abhängige Märkte zu sichern. Diese Rivalität führte schließlich zur Aufteilung des Planeten in Kolonien, die nicht nur dazu dienen sollten die jeweilige nationale Wirtschaft anzukurbeln, sondern auch dazu den Rivalen ein solches Gebiet vorzuenthalten. In Wirklichkeit erwies sich der Wettlauf um Afrika und andere derartige Unternehmungen als weniger profitabel als ihre Befürworter dachten (denn der faux frais des Kolonialismus war ein steigender Militärhaushalt). Aber das machte nichts. Entscheidend war, dass die Imperialisten erwarteten eines Tages hierdurch einen Gewinn zu erzielen.

Dieser neue wirtschaftliche Impuls hatte auch andere überbauliche Auswirkungen, die zu einer Veränderung des Charakters des Nationalismus führten. Dies war nicht mehr die Epoche der "Gleichheit" und "Brüderlichkeit" (so sehr das auch ein Schwindel gewesen war), sondern der Behauptung, dass die überwiegend weißen Staaten die Welt zivilisieren müssten. Die Idee der rassischen Überlegenheit war seit der Aufklärung nie weit vom kapitalistischen Diskurs entfernt gewesen, aber jetzt begann sie sich wirklich bemerkbar zu machen. Angefangen bei Kiplings‘ "taking up the White Man's Burden" bis hin zu dem dahinterstehenden pseudowissenschaftlichen Sozialdarwinismus wurde die nationale Identität mehr und mehr auf der Behauptung von Rassenunterschieden aufgebaut.

Am deutlichsten wurde dies in neu entstandenen Nationalstaaten wie Deutschland, wo die Schaffung einer nationalen Identität nach der staatlichen Einigung für einige allmählich zum Synonym für "Rassenreinheit" wurde. Es wurde leicht, die "artfremden" Juden für jedes Problem verantwortlich zu machen. Auch in Deutschland wurde der rassische Begriff "Antisemitismus" anstelle des religiösen "Antijudaismus" populär.(24) Die Sozialdarwinisten machten daraus einen Kampf um die Existenz zwischen den „Rassen“, wobei die nordisch-arischen Deutschen als Übermenschen angesehen wurden. All dies wurde in den 1890er Jahren in dem antisemitischen und rassistischen Unsinn von Wagners Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain gebündelt, doch zu diesem Zeitpunkt war die neue Welle des Antisemitismus bereits in ganz Europa sichtbar.

Im Russischen Reich leiteten nach der Ermordung von Zar Alexander II. im Jahr 1881 (die fälschlicherweise den Juden angelastet wurde) die Pogrome in Warschau, Cherson und Kiew eine drei Jahrzehnte andauernde, offiziell sanktionierte Ermordung von Jüdinnen und Juden ein. Dies führte zu einer Massenauswanderung, manchmal in andere Teile Europas, hauptsächlich aber in die USA.

In der korrupten Dritten Französischen Republik führte der antisemitische Hintergrund der Dreyfus-Affäre zu einer anderen Reaktion. Sie überzeugte Theodor Herzl, einen prominenten österreichischen Journalisten, der selbst Agnostiker und "assimiliert" war, auf die steigende Flut des antisemitischen Nationalismus mit einem jüdischen Nationalismus zu antworten; dem Zionismus. In seinem Buch „Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage“ (1896) rief er dazu auf, Palästina zu einer Heimstätte für Juden zu machen. Der Zionismus entstand also in der kolonialen Periode des europäischen Imperialismus, einer Periode in der man davon ausging, dass der Rest der Welt fast leer sei oder dass die Bewohner so "rückständig" seien, dass man sie entweder ignorieren oder einfach zu ihrem eigenen Besten kolonisieren könne. Auch der Zionismus war von diesem Merkmal geprägt. Herzl schrieb, dass eine jüdische Heimat im Nahen Osten auch den europäischen Interessen zugutekäme:

Wir sollten dort einen Teil des Schutzwalls Europas gegen Asien bilden, einen Vorposten der Zivilisation im Gegensatz zur Barbarei.(25)

In seinen Anfangsjahren richtete sich der Zionismus jedoch vor allem an die verarmten und verfolgten Juden Osteuropas (manchmal in Form des "Arbeiterzionismus"). Wäre der Zionismus auf Mittel- und Osteuropa beschränkt geblieben, hätte er es schwer gehabt, voranzukommen.

Zu dieser Zeit beherrschten die kapitalistischen imperialistischen Mächte so ziemlich den gesamten Globus. Das war weit entfernt von dem Zeitpunkt an dem Marx und Engels die Bildung einiger (aber nicht aller) bürgerlicher Nationalstaaten unterstützt hatten. Sie taten dies, weil sie der Ansicht waren, dass die Ausbreitung des Kapitalismus in diesen unabhängigen Staaten die materielle Grundlage für den Sozialismus schaffen würde, indem sie zur Bildung einer größeren Mehrheit der ArbeiterInnenklasse führte. Am Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich die Bedingungen jedoch geändert. Jeder neu zu entstehende Nationalstaat konnte dies nur als Klient eines oder mehrerer imperialistischer Konkurrenten um die Weltherrschaft tun. Die Sozialdemokratische Partei des Königreichs Polen und Litauen (deren prägnanteste Vertreterin Rosa Luxemburg war) war die erste, die dies erkannte. Mit Blick auf die Schwäche der "eigenen" Bourgeoisie erkannten sie sehr schnell, dass diese so sehr von der Weltwirtschaft abhängig war, dass sie immer der einen oder anderen dominierenden Macht unterworfen sein würde. Daraus zogen sie den Schluss, dass die Zeit der fortschrittlichen nationalen Kämpfe der Bourgeoisie vorbei war. Stattdessen würde jeder nationale Kampf zu einem Spielball der imperialistischen Strategie der dominierenden Mächte werden. Die ArbeiterInnnenklasse hatte kein Interesse mehr daran, irgendeine nationale Bewegung zu unterstützen. Der Satz von Marx aus dem Kommunistischen Manifest, - „Arbeiter haben kein Vaterland. Man kann ihnen nicht nehmen was sie nicht haben.“- war zur Tatsache geworden.

Die in der jüdischen Diaspora der kapitalistischen Welt lebenden Anhänger des Zionismus hatten bereits verstanden, dass sie die Hilfe der Großmächte benötigen würden. Herzl hatte sich ohne großen Erfolg darauf gestützt. Als er 1904 starb erkannte der Präsident der englischen Zionistenföderation, Chaim Weizmann, dass die Wiederbelebung der zionistischen Hoffnungen von der Unterstützung des größten Reiches der Welt abhing. Bereits während des Ersten Weltkriegs hatten die Briten (und Franzosen) die arabischen Nationalisten betrogen, indem sie ihnen als Gegenleistung für ihre Hilfe bei der Niederlage des Osmanischen Reichs fälschlicherweise eigene Staaten versprachen.(26) Anstelle eines geheimen (und, wie die Araber herausfanden, wertlosen) Versprechens setzte sich Weizmann dafür ein, das britische Kabinett davon zu überzeugen seine Unterstützung für eine jüdisches Heimstätte in Palästina öffentlich zu machen. Hierzu musste er sich nicht allzu sehr anstrengen. Die britischen Imperialisten glaubten, dass ein jüdischer Staat im Nahen Osten langfristig Vorteile bringen würde. Sie waren der irrigen Meinung, dass er die USA in den Krieg gegen Deutschland einbinden würde (ohne zu verstehen, dass die amerikanischen Juden im Allgemeinen keine begeisterten Zionisten waren). Die im Namen des Außenministers herausgegebene Balfour-Erklärung versprach das Unmögliche - eine "nationale Heimstätte für das jüdische Volk", in der "nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nicht-jüdischen Gemeinschaften in Palästina beeinträchtigen könnte ..." In Wirklichkeit war Balfours arrogante rassistische Anmaßung klar;

... Der Zionismus, ob richtig oder falsch, gut oder schlecht, wurzelt in einer jahrhundertealten Tradition, in den Bedürfnissen der Gegenwart, in den Hoffnungen für die Zukunft, die von weitaus größerer Bedeutung sind als die Wünsche und Vorurteile der 700.000 Araber, die dieses alte Land bewohnen.(27)

Als die Briten 1917 Jerusalem einnahmen schien es jedoch wahrscheinlicher, dass in Palästina nach dem Krieg ein arabischer Staat entstehen würde. Selbst Weizmann, der unmittelbar danach eine zionistische Kommission in Jerusalem leitete, war "überrascht, wie nicht-jüdisch Jerusalem und Palästina geworden waren"(28), und kehrte bald nach Großbritannien zurück.

Wenn Weizmann von 1918 enttäuscht war, so nannten die Araber 1920 (als die Bedingungen des Vertrags von Sevres bekannt wurden) âm an nakba ("Jahr der Katastrophe")._ In der gesamten arabischen Welt war der Unmut groß darüber als klar wurde, dass die an Frankreich und Großbritannien vergebenen Mandate (in Wirklichkeit Kolonien) bedeuteten, dass die Araber betrogen worden waren. In Palästina gab die Ankunft des "eindeutig zionistischen"(29) Sir Herbert Samuel als britischer Hochkommissar einen ersten Hinweis darauf, wie die Balfour-Erklärung umgesetzt werden würde.

Die britisch-imperialistische Herrschaft in Palästina war durch die allmähliche jüdische Einwanderung und die Spaltung der mächtigeren palästinensischen Familien gekennzeichnet. Anfangs kauften die Juden vor allem Land von abwesenden Grundbesitzern oder Anhängern (und Verwandten) des Bürgermeisters von Jerusalem, Raghib al-Nashashibi.(30) Die Fellachen (landlose Arbeiter, Landwirte und Bauern) wurden dann vertrieben, vor allem in die Elendsviertel um Jaffa und Haifa. Die jüdischen Einwanderer bauten einen Staat im Staat auf, mit ihrer Wirtschaftsorganisation, der Histadrut (die sowohl Gewerkschaft als auch Unternehmen war) und einer paramilitärischen Truppe, der Haganah. Letztere sollte geheim sein, wurde aber von der britischen Verwaltung geduldet. Die arabische Wut nahm erst zu, als klar wurde was die jüdische Einwanderung bedeutete. Als diese nach dem Aufstieg der Nazis dramatisch zunahm (31), brach die Gewalt offen aus. Ein arabischer Generalstreik im Jahr 1936 schadete der arabischen Bevölkerung mehr als der bereits autarken jüdischen Gemeinde, doch zwang er die Briten, sich mit dem Widerspruch der Balfour-Erklärung auseinanderzusetzen. Die Peel-Kommission erstellte 1937 den ersten Teilungsplan (die erste "Zwei-Staaten-Lösung"). Darin wurde vorgeschlagen das mehrheitlich arabische Galiläa an die Zionisten abzutreten, was den Konflikt nur noch weiter anheizte und 1938 zu einer regelrechten Revolte führte.

Die militärische Niederlage der arabischen Revolte im Jahr 1939 kostete 5.000 PalästinenserInnen das Leben und ließ ihre Führer gespaltener denn je zurück. Einige, wie der Großmufti von Jerusalem, erkannten, wie zuvor die Zionisten, dass keine nationale Bewegung in der imperialistischen Epoche ohne die Unterstützung einer Großmacht gewinnen konnte, und baten angesichts der eindeutigen Bevorzugung der Zionisten durch die Briten um die Hilfe Nazideutschlands. Hitler war bereit zu helfen(32), aber seine Besessenheit, zuerst die UdSSR zu besiegen, bedeutete, dass er materiell wenig zu bieten hatte. Der Großmufti floh nach Berlin von wo aus er Nazi-Propaganda in den Nahen Osten verbreitete. Nicht nur, dass er hier einen Verlierer unterstützte, der größte und perverseste Beitrag der Nazis zum Nahen Osten der Nachkriegszeit war der Holocaust - die Argumente für den Zionismus wurden enorm gestärkt, bis hin zu dem Punkt, an dem die arabische Bevölkerung so gut wie ignoriert wurde. Die zionistische Lüge vom "Land ohne Volk, für ein Volk ohne Land" kam im Westen gut an.(33)

Dies ist jedoch ein Vorgriff auf die Zukunft. Der arabische Aufstand hatte die Briten verunsichert, sodass sie, um sich Ruhe zu verschaffen, erneut eine Kehrtwende vollzogen. Am Vorabend des Zweiten Weltkriegs schlug ein neues britisches Weißbuch vor, die jüdische Einwanderung in den nächsten fünf Jahren auf 75.000 zu beschränken und weitere Landverkäufe einzuschränken oder zu verbieten. Die Frage nach dem endgültigen Status eines unabhängigen Palästinas wurde auf die Nachkriegszeit verschoben.

Die Zionisten waren empört, aber der Wind des Imperialismus wehte den PalästinenserInnen während des Zweiten Weltkriegs auch auf andere Weise entgegen. Die Briten trainierten und bewaffneten Eliteeinheiten der Haganah, um das Vichy-Marionettenregime in Syrien anzugreifen und den Zionisten gelang es in Palästina eine eigene Munitionsindustrie aufzubauen. Diese Faktoren verschafften der zionistischen Sache einen militärischen Vorsprung im bevorstehenden Kampf um Land. Gleichzeitig zeigte sich der Niedergang des britischen Imperiums auch in seiner weiterhin widersprüchlichen Politik vor Ort. Die Weigerung Großbritanniens, seine Grenzen für jüdische Einwanderer zu öffnen, selbst nach den ganzen Schrecken des Holocaust - der selbst ein drastisches Beispiel dafür ist, wozu nationalistischer und rassistischer Fanatismus fähig ist - führte erst nach 1945 zu einer Terrorkampagne der Irgun und Lehi. Sie sprengten das King David Hotel in die Luft, in dem die britische Verwaltung untergebracht war und ermordeten britische Soldaten und Diplomaten. Wie in Indien, wo die britische Politik des "Teile und herrsche" zwischen Muslimen und Hindus zu lokalen Unruhen und der Teilung des Landes führte, beschloss eine bankrotte britische Regierung, sich aus dem Staub zu machen, ohne sich allzu sehr um die Folgen zu kümmern. Das Mandat für Palästina wurde an die Vereinten Nationen übergeben. Zur gleichen Zeit erkannte eine neue Generation zionistischer Führer, die durch die Erfahrung des Holocaust noch entschlossener geworden waren, unter der Führung von David Ben Gurion, dass sie ihre Aufmerksamkeit von den untergehenden Kolonialmächten auf die neue imperialistische Macht der USA lenken sollten. Präsident Truman, der in einem Wahljahr von der zionistischen Kräften unter Druck gesetzt wurde, belohnte sie, indem er die sofortige Aufnahme von 100.000 Juden in Palästina forderte. Die sog. „displaced persons“, die Überlebenden des Holocausts, die in den stalinistischen Ländern wie bspw. Polen wieder unter Pogromen zu leiden hatten und von den „westlichen Demokratien“ weder gewollt noch aufgenommen wurden, wurden hierbei zur Manövriermasse nationalistischer Politik gemacht. Damit wurde das letzte Kapitel einer katastrophalen Entwicklung aufgeschlagen, die Palästina verschlingen sollte.

„Nationale Befreiung“ und imperialistische Unterdrückung

Der Teilungsplan der Vereinten Nationen von 1947 zeigte, dass nicht einmal mehr die Kapitalisten an das angebliche "Selbstbestimmungsrecht der Völker" glaubten. Die Jüdinnen und Juden machten nur noch etwa ein Drittel der Bevölkerung aus (und waren überall in der Minderheit, außer in einem Stadtteil von Jaffa), erhielten aber 56 % des Territoriums zugewiesen. Dazu gehörte der gesamte Süden, in dem es keine Juden gab, den die Zionisten aber wegen des Zugangs zum Roten Meer gefordert hatten. Und hinter ihnen standen, damals wie heute, die Vereinigten Staaten.

In Wirklichkeit akzeptierten weder „Araber“ noch „Juden“ die Teilung. Die Gründe für die arabische Ablehnung waren offensichtlich. Für extreme Zionisten, wie den Irgun-Führer und späteren israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin, ist das Teilungsabkommen ungültig:

Es wird das jüdische Volk nicht binden. Jerusalem war und wird für immer unsere Hauptstadt sein. Eretz Israel(34) wird dem Volk Israel zurückgegeben werden. Das ganze Land. Und zwar für immer.(35)

In der Tat hat Begin nur artikuliert, was bis heute das "Projekt Israel" ist. Andere jüdische Führer waren 1948 was ihre Ziele anging zurückhaltender. Für sie war die Annahme der Teilung nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zum gleichen Ziel. Entscheidend war 1948 nicht die Klarheit des zionistischen Ziels, sondern die Tatsache, dass es wie immer in der Geschichte der nationalen Befreiungskämpfe darauf ankam, wer einen unterstützte. Israel konnte auf die Unterstützung der beiden größten Mächte zählen, die aus dem Zweiten Weltkrieg siegreich hervorgegangen waren. Das Kriegsbündnis zwischen der UdSSR und den USA war bereits zusammengebrochen, und der Kalte Krieg hatte begonnen (mit der Ankündigung der US-Politik zur "Eindämmung des Kommunismus" im Jahr 1947). Die USA hatten bereits ein Ölabkommen mit Saudi-Arabien geschlossen (36), sahen aber in Israel einen soliden Brückenkopf des Westens, um ihre Interessen in einem Nahen Osten zu verteidigen, in dem nun andere Nationalstaaten entstanden und die Zukunft unvorhersehbar war.

In der UdSSR sah Stalin den Zionismus zunächst als Verkörperung einer "nationalen Befreiungsbewegung", die "antiimperialistisch" sein würde (d. h. die UdSSR unterstützen würde). Die Irgun hatte von der UdSSR gelieferte Waffen gegen die Briten eingesetzt, und 1948 erkannte die UdSSR als erster Staat den Staat Israel mit dem Zentrum in Jerusalem an (die USA folgten eilig). Selbst 1953 unterstützte die UdSSR Israel noch gegen die ägyptischen Versuche, den Suezkanal für seine Schiffe zu sperren. Die UdSSR musste jedoch bald erkennen, dass sie in wirtschaftlicher Hinsicht nicht mit den USA konkurrieren konnte, die, nachdem sie festgestellt hatten, dass sie unter den arabischen Staaten keine antisowjetische Allianz bilden konnten, Israel zunehmend finanziell unterstützten.

In den ersten Jahren des Kalten Krieges hätte Israel ohne die finanzielle Unterstützung aus den USA (die etwa 80 % seiner Einnahmen ausmachten) wirtschaftlich nicht überleben können. Die Suez-Krise von 1956 zeigte, dass Israel immer noch auf die US-Regierung hören musste. Als der ägyptische Präsident Nasser den Suezkanal verstaatlichte, versuchten die alten Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich, die Kontrolle zurückzuerlangen, indem sie mit Israel einen Plan zur Invasion des Gazastreifens und des Sinai ausarbeiteten. Für die Kolonialmächte war der strategische Wert des Kanals (durch den ein Großteil des weltweiten Erdöls floss) das Motiv, während die Israelis hofften, mehr Territorium zu gewinnen und den Zugang zum Hafen von Eilat wiederherzustellen. Das brachte die USA in eine schwierige Lage, vor allem als die UdSSR (jetzt unter Chruschtschow) drohte die eindringenden Truppen mit Raketen zu beschießen (es war sogar vom Einsatz von Atomwaffen die Rede). Eisenhower war sich sehr wohl bewusst, dass die frühere Unterstützung der USA für Israel ihren Interessen im Nahen Osten geschadet hatte und dennoch war die Sache Israels (damals wie heute) bei der amerikanischen Bevölkerung (insbesondere bei den evangelikalen Christen) beliebt.(37) Er stellte jedoch die umfassenderen imperialistischen Interessen der USA an die erste Stelle und versuchte, die Unterstützung Israels mit der Suche nach Verbündeten im weiteren Nahen Osten in Einklang zu bringen. Die Invasion im Suezgebiet hatte zu einem Ansturm auf das Pfund Sterling geführt, so dass die Briten den Internationalen Währungsfonds um Unterstützung baten. Da dieser weitgehend von den USA kontrolliert wurde, weigerte sich Eisenhower den Antrag zu unterstützen, was Großbritannien und Frankreich zur Kapitulation zwang. Die UNO organisierte einen Waffenstillstand und das isolierte Israel wurde aufgefordert sich aus dem Sinai zurückzuziehen.

Ein Jahrzehnt später hatte sich die Situation geändert. Der Nachkriegsboom ging zu Ende, und die USA waren in den Vietnamkrieg verwickelt, während der Einfluss der UdSSR in der arabischen Welt zunahm. Die UdSSR hatte bereits 1956 (über die Tschechoslowakei) Waffen an Ägypten verkauft, aber die Beziehungen zwischen Moskau und Kairo intensivierten sich. Nasser wandte sich von den USA ab als diese sich weigerten das Projekt des Assuan-Staudamms zu finanzieren (die USA bezweifelten wohlweislich, dass Ägypten dafür aufkommen könnte), woraufhin die UdSSR einsprang. Als Nasser im Mai 1967 ein Verteidigungsabkommen mit Israels arabischen Nachbarn (Jordanien, Syrien und Irak) schloss sah es so aus als stünde Israel ein Krieg an drei Fronten bevor. Am 5. Juni startete Israel einen Präventivangriff auf Ägypten und zerstörte dessen Luftwaffe in zweieinhalb Stunden. Die Invasionen aus Syrien und Jordanien wurden problemlos abgewehrt und der Krieg war nach sechs Tagen beendet. Israel erhielt das Westjordanland von Syrien die Golanhöhen und von Ägypten den Gazastreifen sowie die Sinai-Halbinsel. Sechs Jahre später löste Nassers Nachfolger Anwar al-Sadat den Jom-Kippur-Krieg aus, der mit dem Camp-David-Abkommen von 1978 den Sinai an Ägypten zurückgab und den derzeitigen territorialen Status quo festlegte.

Von diesem Zeitpunkt an wurden die USA unter Ausschluss aller anderen Mächte zum Schiedsrichter dessen was lächerlicherweise als "Friedensprozess" bezeichnet wird. Der UdSSR fehlte das Kapital um dem Einfluss der USA wirtschaftlich etwas entgegenzusetzen und sie übte ihren Einfluss nur durch Waffenlieferungen an jede anti-amerikanische und anti-israelische arabische Regierung aus. Der Niedergang und schließlich der Zusammenbruch der UdSSR bis 1991 zwang die PalästinenserInnen, aus einer noch schwächeren Position heraus zu verhandeln. Da sie kein Gegengewicht zu den USA hatten, das ihnen helfen konnte, war Jassir Arafat, der Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), gezwungen die Osloer Abkommen zu schließen in denen die PLO zum ersten Mal das Existenzrecht des Staates Israel anerkannte und im Gegenzug nur vage Versprechungen über einen künftigen palästinensischen Staat erhielt. Yitzhak Rabin, der israelische Premierminister, hatte eine Meisterleistung vollbracht, die das palästinensische Kleinbürgertum, die natürliche Wählerschaft der neu gegründeten Hamas, ablehnte. Doch für die extremen Zionisten war selbst die Anerkennung der Existenz der PalästinenserInnen zu viel. Rabin wurde 1995 von einem rechtsgerichteten, jüdischen religiösen Eiferer (von der Sorte, die jetzt in der israelischen Regierung sitzt) ermordet, der behauptete, er handele "im Auftrag Gottes".

Das Gerede von einem "Friedensprozess" war schon damals hohl aber alles was seitdem geschehen ist hat nur bestätigt, dass es sich um eine Täuschung handelt. Artikel dreizehn des Hamas-Charta lehnt ihn ausdrücklich ab: "Initiativen und so genannte friedliche Lösungen und internationale Konferenzen stehen im Widerspruch zu den Grundsätzen der islamischen Widerstandsbewegung".(38) Das zionistische Projekt hatte nie die Absicht, „Eretz Israel“ mit irgendjemandem zu teilen, wie der aktuelle Krieg nur allzu deutlich gemacht hat. Der Bombenteppich auf den Gazastreifen, der eine ethnische Säuberung androht, wurde von mehreren israelischen Führern gerechtfertigt. Der ehemalige Chef des israelischen Nationalen Sicherheitsrates hat von Anfang an mögliche Epidemien in Gaza als Hilfe zum Sieg gefeiert(39) und argumentiert, dass "die Schaffung einer schweren humanitären Krise in Gaza ein notwendiges Mittel ist, um das Ziel zu erreichen ... Gaza wird ein Ort werden, an dem kein Mensch existieren kann". Der derzeitige israelische Präsident Isaac Herzog rechtfertigt Israels kollektive Bestrafung mit der Behauptung, dass "eine ganze Nation da draußen dafür verantwortlich ist. Es ist nicht wahr, dass die Zivilbevölkerung nichts davon weiß, nichts damit zu tun hat ..."(40), während Netanjahu widerliche biblische Analogien zur Zerstörung der Stadt Amalek zieht:

„... greift die Amalekiter an und vernichtet alles, was ihnen gehört. Schont sie nicht; tötet Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel.(41)

Wenn das nicht die Sprache des Völkermordes ist…

Auf dem Weg in den Dritten Weltkrieg?

Die obigen Ausführungen bestätigen nur, dass das was sich in Gaza abspielt nicht nur ein anderes Ausmaß hat, sondern sich auch in einem internationalen Kontext abspielt, der weitaus gefährlicher ist als jemals zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. Vor zwei Jahren haben wir dies in unserem Artikel "Ukraine and Taiwan: Flashpoints in an Uncertain Imperialist World(42) hervorgehoben, in dem wir einige Monate vor dem tatsächlichen russischen Einmarsch in die Ukraine darlegten, dass das globale kapitalistische System in eine neue Phase eintritt, in der die Probleme der Weltwirtschaft jede Möglichkeit einer Verhandlungslösung zwischen den führenden Mächten der Welt verdrängen.

Wirtschaftlich gesehen wurde das System ein halbes Jahrhundert nach dem Niedergang des Kapitalakkumulationszyklus (auch bekannt als das Ende des "Nachkriegsbooms") durch eine Kombination aus der Überausbeutung des Proletariats des "Globalen Südens" (der sich hauptsächlich im globalen Osten befindet) und der staatlichen Unterstützung des Finanzkapitals durch Deregulierung und Anreize für Investitionen im nationalen Hoheitsgebiet am Laufen gehalten. Dies hat zu massiven Spekulationen geführt, die mit Kürzungen bei Löhnen, Renten und Sozialleistungen einhergingen. Die Finanzialisierung hat eine Welt geschaffen in der die Kluft zwischen der megareichen Minderheit und dem Großteil der übrigen Menschheit um vieles schneller gewachsen ist als das BIP einer jeden Volkswirtschaft. Solche Widersprüche bringen den Weltkapitalismus näher an den Zusammenbruch. Selbst reiche Staaten wie die USA, Japan und halb Europa leben auf Pump. Das Wachstum ist schmerzlich langsam, die Profitraten sinken und die Probleme bei der Verwertung von Kapital für produktive Investitionen nehmen zu. Den so genannten "BRICS" geht es nicht besser, denn China befindet sich in der gleichen Krise der Finanzspekulation (vor allem auf dem Immobilienmarkt, wie es bei der US-Subprime-Blase von 2007-8 der Fall war) wie die "älteren" führenden Volkswirtschaften, während einst reiche Länder wie Argentinien vor einem finanziellen Zusammenbruch stehen. International nimmt die Spekulation in unkontrollierbarem Ausmaß zu und beträgt inzwischen das 13-fache des weltweiten BIP. Inzwischen hat die globale Verschuldung im Januar 2023 "einen Rekordwert von 300 Billionen Dollar oder 349 % des Bruttoinlandsprodukts erreicht"(43) und steigt weiter an. Das System befindet sich nun in einem sichtbaren Niedergang.

Die Folgen sind bekannt. Der Anteil der Löhne am BIP ist seit Jahrzehnten (im Vereinigten Königreich seit 1979) rückläufig, und die angebotenen Arbeitsplätze sind zunehmend befristet, unzureichend bezahlt und prekär. Aber selbst dieser Anstieg der Ausbeutung hat nicht ausgereicht um den Akkumulationsprozess wieder in Gang zu bringen. Die wirtschaftliche Stagnation bedeutet, dass die Menschheit in einen Strudel gerät, der von vielen miteinander verbundenen Fäden angetrieben wird.

Die weltweite Wirtschaftskrise führt in Afrika, Lateinamerika und Teilen Asiens zu sozialen Verwerfungen. Dadurch werden weltweit Migrationswellen in die ohnehin schon klammen "reicheren" Länder ausgelöst. MigrantInnen, die in Länder mit zunehmend eingeschränkten wirtschaftlichen Möglichkeiten kommen, werden als Belastung empfunden (anders als in der Vergangenheit, als sie gebraucht wurden). Es entsteht der Eindruck als ob die Flüchtlinge den Druck auf den Wohnungsmarkt und die Sozialleistungen erhöhen, die von den Ärmsten der ArbeiterInnenklasse in Anspruch genommen werden. Dies ist ein reifes Gebräu von Ressentiments, das von nationalistischen Politikern trefflich ausgenutzt werden kann. Wie wir hier in Israel und Gaza gezeigt haben ist die Angst vor dem "Anderen" eine rassistische Karte, die man in jeder Gesellschaft ausspielen kann und auf die die ultranationalistischen Rechten auf der ganzen Welt setzen.

Hinzu kommt die durch die rücksichtslose kapitalistische Produktionsweise angerichtete Umweltzerstörung. Wir leben in einer Welt, die sowohl klimatologisch als auch politisch zunehmend in Flammen steht. In der Sahelzone hat der Temperaturanstieg dazu geführt, dass die Wüste Sahara seit Jahrzehnten langsam immer weiter nach Süden vordringt. Dies führt zu Konflikten zwischen Hirtennomaden und Ackerbauern, was von Burkina Faso über Niger, Tschad, Mali, die Zentralafrikanische Republik bis hin zum Sudan sowohl von den imperialistischen Mächten als auch von den Möchtegern-Imperialisten und Dschihadisten ausgenutzt wird.

Und das sind nicht die einzigen Konflikte. Die Weltwirtschaftskrise treibt immer mehr Staaten in den Zusammenbruch oder zum Angriff auf ihre Nachbarn. Die Liste ist lang, aber am auffälligsten sind die Konflikte in der Demokratischen Republik Kongo, Kamerun, Uganda, Somalia, Äthiopien, Jemen, Syrien und Myanmar. An anderen Orten (z. B. Serbien-Kosovo, Armenien-Aserbaidschan) scheinen die Konflikte zwar zu ruhen, nehmen aber dennoch kein Ende oder gehen einfach von einer grausamen Episode zur nächsten über. Wie in Israel-Palästina sind die langen Arme der imperialistischen Großmächte nie weit entfernt.

Und wie wir seit über zwei Jahren feststellen hat sich der globale Kontext verändert. Der Krieg zwischen der NATO und Russland in der Ukraine zeigt, dass die Krise die imperialistischen Rivalitäten auf ein seit dem Zweiten Weltkrieg ungekanntes Niveau getrieben hat. Wie im Gaza-Krieg gibt es keine mögliche Kompromissposition und der Krieg ist, wie der Erste und der Zweite Weltkrieg, jetzt ein totaler Krieg der die gesamte Gesellschaft verschlingt, die Stimmen der Andersdenkenden zum Schweigen bringt und gleichzeitig die Wirtschaft und die Bevölkerung auszulöschen droht. Es steht jetzt zu viel auf dem Spiel. Für Russland ist die Einkreisung durch die NATO seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion unaufhaltsam vorangeschritten, während für die USA der Krieg in der Ukraine sehr nützlich war um ihre lauwarmen Verbündeten in der kommenden Konfrontation mit ihrem wahren globalen Rivalen China auf Linie zu bringen.

Im Vorfeld des Ukraine-Krieges hatten die USA nach und nach eine informelle Allianz der Mächte geschaffen, die sie mit Wirtschaftssanktionen gegen Iran, Russland und China belegt hatten. Auch dies waren kriegerische Handlungen, die dazu führten, dass die Zusammenarbeit zwischen den drei eurasischen Mächten gefestigt wurde. Heute spielt dies auch in die aktuelle Krise im Nahen Osten hinein.

Für die USA ist die israelische Politik in Gaza ein großes Problem, aber nachdem sie der israelischen herrschenden Klasse sechs Jahrzehnte oder mehr einen Blankoscheck ausgestellt haben, können sie jetzt keine Kehrtwende machen. Angesichts ihres schmachvollen Rückzugs aus Afghanistan im Jahr 2021 mussten die USA ihren stärksten Verbündeten im Nahen Osten unterstützen. Die USA sind damit zum Gefangenen ihrer eigenen Klientelmacht geworden. Um einen größeren Konflikt zu vermeiden und andere wie die Hisbollah und den Iran von einer Reaktion auf den Angriff auf Gaza abzuhalten, schickten die USA sofort zwei ihrer elf Flugzeugträgerflotten ins östliche Mittelmeer. Sie haben auch schnell Waffen an Israel geschickt um den Angriff auf Gaza zu unterstützen und sie haben wie immer ihr Veto gegen alle Versuche in den Vereinten Nationen eingelegt, einen Waffenstillstand herbeizuführen. Sie ist sich jedoch sehr wohl bewusst, dass je länger die kollektive Bestrafung der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens und die Tötung so vieler Kinder andauert, desto größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie einen größeren Konflikt in der Region und darüber hinaus auslöst. Aus diesem Grund fordern Biden und Blinken Israel immer häufiger öffentlich auf die Terrorkampagne einzudämmen. Diese Aufforderungen sind auf taube Ohren gestoßen, mit der Folge, dass sich die Lage weiter verschlechtert.

Im Irak, wo die USA 2500 Soldaten zum Schutz vor einem Wiedererstarken von ISIS stationiert haben, hat die pro-iranische Miliz Kata'ib Hisbollah bereits deren Stützpunkt in Erbil mit Drohnen ins Visier genommen woraufhin die USA als Vergeltung drei ihrer Stützpunkte bombardierten.(44)

Noch dramatischer ist, dass die Houthis - die De-facto-Regierung des Jemen nach fast 10 Jahren Bürgerkrieg - ein Ende des Massakers im Gazastreifen gefordert haben, das vom Iran mit Billigung Russlands und Chinas unterstützt wird. Mit Hilfe von Drohnen haben sie den Schiffsverkehr angegriffen, um die Einfahrt ins Rote Meer und damit den Zugang zum Suezkanal zu blockieren, durch den 15 % des weltweiten Erdöls und 20 % der Lebensmittel und anderer Waren fließen. Dies stellt eine direkte Herausforderung an die Vorherrschaft der USA über die weltweiten Schifffahrtswege dar. Die Houthis haben die USA daher gezwungen, eine weitere Trägerflotte ins Rote Meer zu entsenden, um zu versuchen, diese lebenswichtige Route offen zu halten. Gelingt dies nicht, wird die Weltwirtschaft mit einem weiteren Inflationsschock konfrontiert, der die sozialen Spannungen im Westen verschärfen wird.

An der nördlichen Grenze Israels zum Libanon hat sich die iranische Stellvertreterin Hisbollah, eine weitaus stärkere militärische Kraft als die Hamas, bisher mit ihrer Unterstützung für die Menschen im Gazastreifen zurückhaltender gezeigt. Das liegt weniger an der Präsenz der US-Flotten vor der libanesischen Küste als an der schwierigen wirtschaftlichen Lage im Libanon selbst. Es kam zu Artillerie- und Panzergefechten an der Grenze und viele libanesische Dorfbewohner im Süden mussten erneut fliehen, aber das war's dann auch schon. Das liegt vor allem an der extremen Schwäche der libanesischen Wirtschaft, die noch immer unter den Folgen jahrelanger Korruption und Misswirtschaft leidet, die durch die massive Explosion im Hafen von Beirut nur noch verschlimmert wurden.(45) Alle regierenden Fraktionen sind in Misskredit geraten. Eine weitere von der Hisbollah provozierte israelische Invasion könnte abgewehrt werden, aber nur zu enormen Kosten, nicht nur materiell für die leidgeprüften Libanesen, sondern auch politisch für die Hisbollah selbst. Darüber hinaus unterzeichnete die libanesische Regierung (zu der die Hisbollah gehört) 2022 ein Abkommen mit Israel über die gemeinsame Ausbeutung der Offshore-Gasfelder von Karish und Qana. Der Libanon braucht das Gas und die Einnahmen. Dies erklärt, warum der Führer der Hisbollah, Hassan Nasrallah, die Hamas nur in begrenztem Umfang verbal unterstützt und arabische Länder wie Libyen lediglich gebeten hat, Israels Öl-, nicht aber Gaslieferungen zu kappen (bei denen Israel nicht nur Selbstversorger ist, sondern auch nach Ägypten und Tunesien exportiert). Die Interessen des Handels, so scheint es, haben Vorrang vor den Interessen der Solidarität, aber das ist nur einer der vielen Widersprüche der imperialistischen Politik.

Die gleichen Widersprüche spielen sich auch im Krieg in der Ukraine ab. Der Kampf um die Ukraine mag seinen Ursprung in strategischen Überlegungen haben, aber eine seiner Folgen ist eine Verschiebung im Energiehandel. Die sieben Jahrzehnte währende Abhängigkeit Europas von russischem Gas kann nicht durch Flüssigerdgas aus den USA ersetzt werden (wenn man Gas aus Fracking als "natürlich" bezeichnen kann), das die Gaspreise auf dem gesamten Kontinent in die Höhe treibt und damit die Inflation verstärkt. Was das Öl betrifft, so mussten die meisten europäischen Länder nach der Sprengung von Nord Stream 1 und der Blockade von Nord Stream 2 auf andere Lieferanten ausweichen. Der Anteil des US-Öls an den europäischen Lieferungen beträgt inzwischen 18 %, aber auch die Lieferungen aus Nord- und Zentralafrika sowie aus Aserbaidschan nehmen zu, zusätzlich zu den Lieferungen von traditionellen Lieferanten wie Saudi-Arabien und den Golfstaaten. Das billigere russische Öl geht nun zunehmend an China und Indien sowie an andere Länder des globalen Südens (die das Sanktionsregime der NATO und des Westens ebenfalls als illegal ablehnen). Sogar Saudi-Arabien hat trotz seines alten Bündnisses mit den USA Energieabkommen mit China unterzeichnet und verlangte bereits vor dem 7. Oktober weitere Zugeständnisse bei der möglichen Unterzeichnung des Abraham-Abkommens.

Die Auswirkungen der gegenwärtigen Kriege bleiben also unglaublich komplex. Die veränderte Geografie der Energieversorgungskette wird enorme Folgen für die ganze Welt haben, was die Bedrohung des Lebensstandards und die Umweltkatastrophe aufgrund des Klimawandels angeht und hat dies auch bereits getan. Und es gibt noch weiteres Konfliktpotenzial in den wachsenden Handelskriegen um die neuen Technologien und die dafür benötigten Rohstoffe wie seltene Erden und andere Mineralien wie Kobalt. Die ungelöste Frage Taiwans, Herkunftsort vieler Mikrochips der Welt, winkt als nächster Kriegsschauplatz - und zwar direkt zwischen den wirtschaftlichen Supermächten der Welt, den USA und China, die regelmäßig ihre militärische Bereitschaft in diesem Gebiet testen.

Während die internationale Bourgeoisie das Drehbuch für einen zunehmend verallgemeinerten imperialistischen Konflikt schreibt, von dem sie sich alle eine Belebung ihrer Wirtschaft auf Kosten ihrer Rivalen erhoffen, leiden vor allem die Arbeiterinnen und Arbeiter der Welt unter den Folgen des Todeskampfes ihres Systems. In Friedenszeiten überausgebeutet, in Kriegszeiten massakriert, bietet allein die ArbeiterInnenklasse den einzigen Weg zum Ende des Albtraums. Unter dem Deckmantel des Nationalismus bringen sich derzeit jedoch Millionen von ArbeiterInnen im Namen von Interessen, die nicht die ihren sind, gegenseitig um. Nur eine internationale politische Organisation der ArbeiterInnenklasse, unabhängig von jeglicher Unterstützung der imperialistischen Mächte und ihrer nationalistischen Lakaien, kann den Weg aus diesem kapitalistischen schwarzen Loch weisen. Wie unsere Schwesterorganisation Battaglia Comunista kürzlich schrieb:

Es ist an der Zeit, die Bedingungen der Frage umzukehren. Wenn wir für etwas sterben müssen, dann für die Interessen des Proletariats und nicht für die des Klassenfeindes, des Nationalismus und der imperialistischen Tendenz zum Krieg. Das internationale Proletariat ist eine einzige Klasse, mit gemeinsamen Interessen, die sicherlich nicht die der gegenseitigen Vernichtung sind. Das Einzige, was wir zerstören müssen, ist die bürgerliche Gesellschaft, ihre kapitalistische Struktur und die Kriege, die ihre Art und Weise darstellen, ihre eigenen Widersprüche zu überleben, indem sie Armeen von Lohnsklaven gegen sie kämpfen lassen. Die Zeit ist gekommen, unsere Ketten zu sprengen. NEIN ZUM KRIEG, JA ZUM KLASSENKAMPF. Nein zur Barbarei des krisengeschüttelten Kapitalismus, ja zur gesellschaftlichen Alternative, die das erste Glied dieser Kette zerstört, das uns an das perfide, ungleiche Verhältnis zwischen Kapital und Lohnarbeit bindet.(46)

Jock (CWO)

Anmerkungen

Bild: Wafa (CC BY-SA 3.0), de.wikipedia.org

(1) Nafez Nazzal, The Palestinian Exodus from Galilee in 1948 (Institut für Palästinastudien, Beirut 1978)

(2) Ein Brief eines MAPAM-Soldaten vom November 1948 (israelische sozialdemokratische Partei, deren Nachfolger später eine Zweistaatenlösung unterstützten). Beide Quellen sind zitiert in David Gilmour, Dispossessed - the Ordeal of the Palestinians (Sphere Books, 1980), S. 68

(3) Lehi (vollständig "Lohamei Herut Israel Lehi", „Kämpfer für die Freiheit Israels“) war eine Abspaltung von Irgun Zvai Leumi im Jahr 1940, die ein Bündnis mit Nazideutschland und dem faschistischen Italien anstrebte, da sie Großbritannien als Haupthindernis für einen jüdischen Staat ansah. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schlug sie eine pro-stalinistische Richtung ein, identifizierte sich mit dem "Nationalbolschewismus" von 1923 und strebte einen totalitären Staat an. Angesichts dieser bizarren politischen Geschichte überrascht es nicht, dass die Partei bei den ersten israelischen Wahlen schlecht abschnitt. Dennoch wurde einer ihrer Führer, Yitzhak Shamir, 1983 als Nachfolger des ehemaligen Irgun-Terroristen Menachim Begin Premierminister des Likud. Siehe S. Sofer. Zionism and the Foundations of Israeli Diplomacy (Cambridge University Press, 2007), S. 253-254. Shamirs Verteidigung der Morde, die seine Gruppe verübte, könnte eine perfekte Rechtfertigung für den enteigneten Terrorismus der Palästinenser von heute sein. Sie ist zu finden in Nicholas Bethell, The Palestine Triangle: The Struggle between British, Jews, and the Arabs, 1935-48 (Weidenfeld and Nicholson, 1979), S. 278.

(4) haaretz.com

(5) leftcom.org

(6) csmonitor.com

(7) foreignpolicy.com

(8) foreignaffairs.com

Die Umfrage des Arab Barometer im Westjordanland und im Gazastreifen, die in Zusammenarbeit mit dem Palestinian Center for Policy and Survey Research und mit Unterstützung des National Endowment for Democracy durchgeführt wurde, liefert eine Momentaufnahme der Ansichten der normalen Bevölkerung am Vorabend des jüngsten Konflikts.

(9) Obwohl die Hamas im Jahr 2017 ein weiteres Dokument mit allgemeinen Grundsätzen und Politiken herausgab, das die widersprüchliche Aussage enthält, dass:

Die Hamas ist der Ansicht, dass kein Teil des Landes Palästina aufgegeben oder zugestanden werden darf, ungeachtet der Ursachen, der Umstände und des Drucks und unabhängig davon, wie lange die Besatzung andauert. Die Hamas lehnt jede Alternative zur vollständigen und uneingeschränkten Befreiung Palästinas vom Fluss bis zum Meer ab. Ohne ihre Ablehnung der zionistischen Entität zu kompromittieren und ohne auf irgendwelche palästinensischen Rechte zu verzichten, betrachtet die Hamas jedoch die Errichtung eines vollständig souveränen und unabhängigen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt in den Grenzen des 4. Juni 1967 und die Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Häuser, aus denen sie vertrieben wurden, als eine Formel des nationalen Konsenses.“ palwatch.org

Die fett gedruckten Passagen wurden von uns hervorgehoben.

(10) amnesty.org

(11) Für eine Untersuchung dieser Taktik (auch in Nordirland) siehe: leftcom.org

(12) apnews.com In den palästinensischen Gebieten wurden seit 2006 keine Wahlen mehr abgehalten, was es den IDF-Kommandeuren ermöglicht zu behaupten, dass 90% der PalästinenserInnen die Hamas unterstützen, um die kollektive Bestrafung der PalästinenserInnen zu rechtfertigen. Diese Umfrage wie auch alle vorangegangenen Umfragen zeigen, dass die Hamas jedes Mal, wenn die Israelis derartige Aktionen durchführen, einen sprunghaften Anstieg der Unterstützung erfährt, aber selbst unter diesen Bedingungen erreicht die Hamas nie eine Mehrheit. Der beliebteste potenzielle Führer der PalästinenserInnen ist ein Fatah-Führer, Marwan Barghouti, der wegen seiner angeblichen Rolle bei den palästinensischen Anschlägen während der ersten "Intifada" seit zwei Jahrzehnten mehrere lebenslange Haftstrafen verbüßt. Angesichts der Tatsache, dass 90 % der Befragten den alten, korrupten und pro-amerikanischen Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde loswerden wollen, ist es nicht schwer zu verstehen, warum die Israelis Barghouti aus dem Verkehr ziehen wollen. Seit Beginn dieses Artikels hat eine neue Umfrage nach zwei Monaten israelischer Bombardierung ergeben, dass 80 % der Bewohner des Gazastreifens den Angriff vom 7. Oktober unterstützen - eine weitere Bestätigung der These, dass eine Gräueltat die nächste nach sich zieht.

(13) Amy Goodman, democracynow.org

(14) timesofisrael.com

(15) nytimes.com

(16) timesofisrael.com

(17) Siehe zum Beispiel den Artikel von Yossi Melman in Ha'aretz vom 21. Mai 2023 Netanyahu Boasts But Israel's Latest Gaza Operation Changed Nothing.

(18) Mindestens fünf weitere Milizen schlossen sich dem Angriff am 7. Oktober an, bbc.com

(19) haaretz.com

(20) timesofisrael.com

(21) Karl Marx: Zur Judenfrage: mlwerke.de

(22) Obwohl die Religion oft der Deckmantel für reine Habgier war, wie beim Massaker an den Juden von York im Jahr 1190. Für einen einfachen Bericht siehe: english-heritage.org.uk

(23) Für eine ausführliche Darstellung des ökonomischen Hintergrunds siehe: leftcom.org

(24) Von dem Journalisten und Politiker Wilhelm Marr im Jahr 1879. Die semitischen Sprachen haben alle ihre Wurzeln im Nahen Osten und umfassen Ugaritisch, Phönizisch, Aramäisch, Hebräisch, Syrisch und heute ironischerweise auch Arabisch.

(25) Zitiert in Maxime Rodinson Israel and the Arabs (Penguin, 1968) S.14

(26) Das geheime Sykes-Picot-Abkommen von 1915 zwischen den Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich sah vor, die osmanischen Provinzen nach dem Krieg aufzuteilen. Die Briten hatten ursprünglich vorgeschlagen, Jerusalem und die Heiligen Stätten von einem internationalen Gremium verwalten zu lassen, doch im Vertrag von Sèvres (1920), der das Osmanische Reich zerschlug, erhielten sie ein "Mandat" über ganz Palästina und Transjordanien (und regierten im Irak), während Frankreich die Mandate für den Libanon und Syrien erhielt. Das Abkommen wäre beinahe in die Brüche gegangen, als die Bolschewiki nach der Oktoberrevolution 1917 seine Bedingungen veröffentlichten. Die Briten und Franzosen erklärten Scherif Hussain vom Hedschas (der sich selbst als König der Araber bezeichnete), dass das Dokument nur ein verworfener Entwurf sei.

(27) Zitiert in Peter Mansfield A History of the Middle East (Zweite Auflage Penguin 2003) S. 164-5

(28) Mansfield S. 164

(29) Rodinson S. 26

(30) Die Rivalität zwischen den beiden Adelsfamilien der al-Nashashibi und der al-Husseini war die Hauptursache für die Schwäche des arabischen Nationalismus in Palästina. Die Nashashibis waren nicht nur bereit, sich mit den Briten und den Zionisten zu arrangieren (was so weit ging, dass sie Geld von Weizmanns Jewish Agency annahmen, um die illegale jüdische Einwanderung zu unterbinden), während die Husseinis gegen das britische Mandat und die jüdische Einwanderung waren. Die Briten machten einen ihrer Söhne zum Großmufti von Jerusalem, um sich ihre Unterstützung zu erkaufen, aber nach dem Scheitern der arabischen Revolte (1936-9) flüchtete er nach Nazi-Deutschland.

(31) Allein in den Jahren 1933-5 kamen über 130.000 Juden aus Deutschland. Im Jahr 1930 waren es noch 4-5.000 gewesen. Siehe Mansfield S. 205, Gilmour, S. 51

(32) "Die arabische Bewegung im Nahen Osten ist unser natürlicher Verbündeter gegen England... Ich habe daher beschlossen, die Entwicklungen im Nahen Osten durch Unterstützung des Irak zu fördern". A. Bullock Hitler - A Study in Tyranny (Penguin 1962) S. 639. Wie Bullock feststellt, war diese Aussage in Wirklichkeit eine Entschuldigung für seine Generäle. Rommel und Raedal, die darauf hingewiesen hatten, dass es viel einfacher und strategisch wichtiger gewesen wäre, die Briten 1941 anzugreifen, als sie schwach waren und weder die UdSSR noch die USA in den Krieg eingetreten waren. Bullock bezeichnet dies als einen von Hitlers "größten Fehlern".

(33) Bei der Abfassung dieses Artikels erinnerten wir uns daran, wie Teams israelischer Propagandisten in den 1960er Jahren durch britische Schulen touren durften, um ältere Schüler dazu zu bewegen, ihre Sommerferien in Kibbuzim als "sozialistische" Pioniere zu verbringen, die "die Wüste zum Blühen bringen". Bis zum Sechstagekrieg hatten wir keine Ahnung von der Existenz der Palästinenser. Die Propagandateams waren auch in den 1990er Jahren noch auf Tournee, aber da die israelische Arbeiterpartei nicht mehr an der Macht war, wurde die Botschaft vom idealistischen Reiz des Kibbuz abgelöst.

(34)Eretz Israel“ bedeutet übersetzt "Land Israel", ist aber ein religiöses Konzept, das nur sehr vage geografische Grenzen hat.

(35) Menachem Begin, The Revolt (W.H.Allen, 1951) S.335

(36) Für Einzelheiten siehe Revolutionary Perspectives 5 (Third Series) Oil and the Shifting Sands of Imperialism, leftcom.org

(37) Das American-Israel Public Affairs Committee ist heute eine der mächtigsten Lobbygruppen für auswärtige Angelegenheiten in Washington und unterstützt finanziell Politiker beider Parteien (obwohl republikanische Politiker den größten Teil der Gelder erhalten), aber es steht als Geldgeber für die zionistische Lobby an zweiter Stelle nach den Christians United for Israel.

(38) avalon.law.yale.edu

(39) haaretz.com

(40) Beide Zitate werden von Conor Gearty in "Short Cuts", London Review of Books, 30. November 2023, angeführt.

(41) Ebenfalls von Gearty zitiert, aber für eine umfassendere und erschreckendere Untersuchung siehe: motherjones.com

(42) Siehe: leftcom.org

(43) spglobal.com

(44) bbc.com

(45) leftcom.org

(46) Some Reflections on the War in Gaza and Beyond, . Übersetzung durch die CWO leftcom.org Das letzten drei Absätze dieses Artikels basierten auf diesem Artikel.

Monday, February 26, 2024