Guy Sabatier - Ein Internationalist

Guy hat uns am 4. Januar 2023 verlassen. Er war sein ganzes Leben lang ein revolutionärer Kämpfer der ArbeiterInnenklasse.

1. Ein Aktivist in den sozialen Kämpfen

In den Jahren 1968-9, den Jahren der großen Kämpfe der ArbeiterInnenklasse (das Jahrzehnt der wilden Streiks, das über die Welt hereinbrach), war er im Alter von 19-20 Jahren Mitbegründer der Mouvement d'action révolutionnaire spontané (MARS ) dann der Organisation conseilliste de Clermont-Ferrand, (OCCF).(1) Er wurde am 23. Oktober 1947 geboren.

Ab Juli 1971(2) nahm er mit der OCCF, den Cahiers de communisme de conseils und der Gruppe Révolution internationale (RI) an einer Reihe von Diskussionen teil, die zu einer revolutionären Umgruppierung führen sollte, aus der schließlich Révolution internationale (Neue Folge) hervorging.

Von Dezember 1972 bis Januar 1974 war er Mitglied von Révolution internationale. Im Februar desselben Jahres gründete er die Zeitschrift Jeune Taupe(3), da er Révolution internationale für eine Gruppe von "Theoretikern" hielt und der Meinung war, dass es notwendig sei, stärker in der ArbeiterInnenklasse zu intervenieren. Folgerichtig nannte sich die neue Gruppe Pour une intervention communiste (PIC). Die PIC existierte von Februar 1974 bis Oktober 1981, bevor sie sich nach einer schweren internen Krise zur Volonté communiste umwandelte und bis Februar 1983 die Zeitschrift Révolution sociale herausgab.(4)

Wie so vielen, die durch die sozialen Kämpfe der 1960er Jahre politisiert wurden, fiel es ihm schwer zu begreifen, dass sich die politische Situation verändert hatte und die ArbeiterInnenklasse eine tiefe Niederlage erlitten hatte. Es folgte eine politische Krise des revolutionären Milieus, die nur ernsthafte politische Gruppen mit politischer und theoretischer Kontinuität überlebten.

Zuvor, im Jahr 1977, hatten PIC und Guy an den Konferenzen der Kommunistischen Linken teilgenommen, die von der Partito Comunista Internazionalista (Battaglia Comunista) einberufen worden waren. Damals lehnte die PIC die Teilnahme an der zweiten Konferenz im November 1978 aus zwei wesentlichen Gründen ab: Die Einladungen war ihr zu weit gefasst (insbesondere die verschiedenen "bordigistischen" IKPen wurden nicht mehr als Teil der Kommunistischen Linken angesehen), und die Bedingungen für den Beitritt waren zu vage.(5)

2. Die "Années Terribles" - durch die politische Wüste

Guy ließ trotz der ungünstigen Bedingungen nicht locker und blieb dem Kampf für die Sache der ArbeiterInnenklasse verbunden. Er begann, Artikel für die von René Lefeuvre gegründete Zeitschrift Spartacus zu schreiben, die von 1975 bis 1979 in Zusammenarbeit mit anderen RevolutionärInnen herausgegeben wurde.

Im Jahr 2007 reagierte Guy sofort positiv, als es darum ging, Texte der Zeitschrift Kommunist(6) zu übersetzen und herauszugeben. Wir hatten den Plan zunächst den Cahiers Spartacus vorgelegt, die das Angebot jedoch ablehnten, und in der Zwischenzeit wurde die Editions Smolny gegründet, die sich des Projektes annahm. Ich hatte ihn damals in das Projekt einbezogen, da er der erste unter uns war, der sich mit den linken Bolschewiki zur Zeit des Vertrags von Brest-Litowsk auseinandergesetzt hatte. Im September 2010 nahm er an der Konferenz "Der postsowjetische Kapitalismus im aktuellen Kontext" in Moskau teil. Gleichzeitig beteiligte er sich stets an den politischen Treffen der Gruppen der Kommunistischen Linken. So nahm er auch an der Vorstellung des Buches Bordiga Beyond the Myth von Onorato Damen teil, das von Bilan et Perspectives und dem IBRP (der Vorläuferorganisation der Internationalistischen Kommunistischen Tendenz) am 18. Dezember 2011 in Paris präsentiert wurde.

Als die Zeitschrift Controverses im Juni 2009 ihre Arbeit aufnahm, wollte er daran teilnehmen. Er tat dies mit all seiner typischen Leidenschaft und soweit es ihm möglich war. Doch dies wurde durch einen schweren Schlaganfall erschwert. Dennoch hörte er nie auf mit Leidenschaft politisch zu diskutieren wenn wir ihn trafen.

3. Das Leben von Guy

Guy hatte schon immer eine Leidenschaft für das Theater: Er hatte unter anderem die Theatergruppe Théâtre du Sens gegründet, die in der Szene als sehr professionell galt und arbeitete hart daran, diese am Leben zu halten. Er interessierte sich auch für das Theater des 19. Jahrhunderts und verfasste ein großes zweibändiges Werk mit dem Titel „Le mélodrame de la république social et le Théâtre de Félix Pyat“.

Ebenso war er auch Mitglied der Société Jean Malaquais, da er ein großes Interesse an den vier alten Genossen hatte, die er gekannt hatte: Robert "Musso", Jean Malaquais, Marc Chirik und Henri Chazé - die "Vier", wie er sie nannte. Er arbeitet an einem Theaterstück über diese vier Genossen.

Außerdem arbeitete er an einem weiteren Stück über den Tod von Rosa Luxemburg: „L'hôtel Eden dans la nuit des temps“. Wir sollten diese Arbeit nicht unvollendet lassen!

Guy wird für immer in unseren Gedanken lebendig bleiben ... trotz unserer politischen Meinungsverschiedenheiten und seiner plötzlichen Ausbrüche, an die mich gestern ein altes Mitglied der PIC, Alain R., erinnerte.

Guy war ein unermüdlicher Kämpfer der ArbeiterInnenklasse in schwierigen Zeiten, aber auch ein Freund. Unser ganzes Mitgefühl gilt seiner Lebensgefährtin Catherine, die ihn mehrere Jahre lang tapfer begleitet hat.

Guy war ein Genosse und ein Kommunist, wir werden seinen Kampf weiterführen!

M. O. Bilan et Perspectives (8.1.2023)

Anmerkungen:

Der obige Text ist keine Biographie von Guy Sabatier, sondern eine Nachruf auf einen militanten Internationalisten. Andere werden zweifellos die Aufgabe übernehmen, eine gründlichere Biographie zu schreiben. Die "Faurisson-Affäre" um die Leugnung der Gaskammern und des Holocaust sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben. Damals haben wir und andere diese Tendenz bei der PIC und Guy aufs Schärfste verurteilt. Wir wollen uns damit begnügen, einen Brief von Henri Chazé zu zitieren, in dem er die PIC damals scharf kritisierte:

Die Faurisson-Affäre - schon vor diesem berüchtigten Traktat hatte ich wiederholt an G.S. (Guy Sabatier) geschrieben...Sie wurden wirklich alle mit heruntergelassenen Hosen erwischt (se sont eux-mêmes accrochés une drôle de casserole au cul)...Dieses Debakel mit den Gaskammern ist unglaublich dumm! Und ich hatte G.S. an mein eigene Erfahrungen (nicht aus dem Lager Sachsenhausen) erinnert ...wie ich G.S. schrieb, wird diese Affäre ihre ganze Glaubwürdigkeit zerstören...und es ist eine Schande, weil sie interessante Dinge veröffentlichen ..,darunter einen Artikel über die Frage der Organisation, der zeigt, dass alle Masterminds es vermasselt haben wie alle nach ihnen

Brief von Henri Chazé, 19. Januar 1981

Wir sind natürlich anderer Meinung als Chazé in der Frage der Organisation.

(1) Die politische Plattform: archivesautonomies.org

(2) Ausgabe 5 von RI: archivesautonomies.org

(3) archivesautonomies.org

(4) Eine lesenswerte Geschichte der PIC: archivesautonomies.org

(5) Siehe dazu: archivesautonomies.org

(6) Gemeint ist die Zeitschrift der russischen Linkskommunisten

(7) malaquais.org

Sunday, January 15, 2023