Iran: Über den Hijab als Arbeitsdisziplin und die Parole „Frau, Leben, Freiheit“

Wie hat alles angefangen?

Am Dienstag, den 13. September, wurde Mehsa Amini (Zina), eine 22-jährige Iranerin aus der Stadt Saqez in der Provinz Westkurdistan, die mit ihrem Bruder zu Besuch in Teheran war, von der „Sittenpolizei“ festgenommen. Kurz nach ihrer Verhaftung erlitt sie einen Schädelbruch und einen Hirnschaden, weil sie von den Beamten der „Sittenpolizei“ geschlagen wurde. Drei Tage später, am 16. September, verstarb sie im Kasra-Krankenhaus in Teheran.

Daraufhin versuchte das Regime, Mehsa Aminis Familie mit Gewalt und Bestechung dazu zu zwingen, die Beerdigungszeremonie unter Ausschluss der Öffentlichkeit und im privaten Rahmen abzuhalten. Die Familie von Mehsa Amini hat diesem Druck jedoch nicht nachgegeben. Bei der Beerdigung auf einem Friedhof in der Stadt Saqez nahmen die Frauen als Zeichen des Protests ihre Kopftücher ab, und alle Anwesenden, Männer wie Frauen, brachten ihre Wut zum Ausdruck, indem sie regimefeindliche Slogans skandierten. Dieses Ereignis entfachte ein solches Feuer, dass es sich in kurzer Zeit auf viele Städte im Iran ausbreitete, und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.

Wie üblich reagierte das Regime schnell und brutal. Bislang wurden 185 Menschen ermordet, darunter 14 Jugendliche, Hunderte wurden verletzt und Tausende verhaftet. Allein in der Stadt Zahedan, in der südöstlichen Provinz Belutschistan, sind 86 Menschen ums Leben gekommen. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts (9. Oktober) dauern die Proteste noch immer an. Nach dem Aufruf des Koordinierungsrates der Gewerkschaftsorganisationen der iranischen LehrerInnen haben sich immer mehr SchülerInnen den Protesten angeschlossen, und an allen Schulen und Universitäten kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen den Demonstrierenden und den Sicherheitskräften.

Diese Proteste haben nicht nur die Aufmerksamkeit der Bevölkerung und der inländischen Medien im Iran auf sich gezogen, sondern beherrschten auch die Schlagzeilen außerhalb des Irans. Am 1. und 2. Oktober haben im Ausland lebende IranerInnen in vielen Städten der Welt an einem der größten Proteste gegen die Islamische Republik teilgenommen. Allein in Toronto, Kanada, nahmen 50.000 Menschen an den Demonstrationen teil.

Wie und warum hat der Tod einer jungen Frau so viel Aufmerksamkeit erregt?

Allein die Tatsache, dass man jemanden wegen Nichteinhaltung der Kleiderordnung verhaftet und ihrem Bruder, der zu diesem Zeitpunkt bei ihr war, mitteilt, dass man sie für eine Stunde zur „Sittenpolizei“ bringt, um sie zu belehren und zu schulen, und dass man ihre Leiche dann zwei Tage später ihrer Familie übergibt, würde natürlich jede und jeden erschüttern, ganz zu schweigen von Menschen, die in einer Gesellschaft leben, in der Frauen seit mehr als 40 Jahren das Grundrecht der freien Wahl ihrer Kleidung verwehrt wird. Das muss der Hauptgrund sein, der die meisten DemonstrantInnen auf die Straße getrieben hat.

Doch damit nicht genug. Besonders wenn man bedenkt, dass es sich bei einigen der fahnenschwenkenden Demonstrierenden auf nationaler und internationaler Ebene nicht einfach nur um das erwachte menschliche Gewissen handelt, sondern in erster Linie um Institutionen, Organisationen, Prominente und Mainstream-Medien, die, wie alle Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, die Situation für ihre persönlichen und Klasseninteressen ausnutzen. Sie mögen zwar nicht direkt verantwortlich sein, tragen aber indirekt erheblich zu diesem Prozess bei.

Zehntausende von IranerInnen protestieren in verschiedenen Ländern in Solidarität mit den Demonstrierenden im Iran, aber nur diejenigen, die mehr Sanktionen gegen den Iran fordern, verschaffen sich Gehör und erhalten die Aufmerksamkeit der Medien! Sanktionen gegen genau die Menschen, die angeblich verteidigt werden sollen. Wenn die Frau von Reza Pahlavi, dem letzten Kronprinzen des Irans, bei der Kundgebung in Paris ein Plakat mit der Aufschrift „Frau, Leben, Freiheit“ hält und zusammen mit anderen Demonstrierenden „Tod dem Unterdrücker, ob König oder Führer" skandiert, wenn ihre Leibwächter und Anhänger „Tod Stalin, Tod Lenin" skandieren, oder wenn plötzlich die Niagarafälle 22 Minuten lang mit der iranischen Flagge beleuchtet werden, als Zeichen für 22 Jahre die Mahsa lebte, dann ... wird klar, dass es nicht nur um den Tod von Mahsa Amini geht, sondern dass Klasseninteressen und persönliche Vorteile im Spiel sind. Nein, nein, hier gibt es keine Verschwörung, im Gegenteil, Unterdrückung, Schikanen, Verhaftungen, Inhaftierungen, Morde ... all das findet im Iran seit Jahren „regelmäßig“ und auf sehr organische Weise statt.

Hinter all den humanitären Worten, hinter den sentimentalen Gefühlsausbrüchen der Prominenten, hinter den Gesten, Bildern, dem Singen von Liedern und Hymnen ... bleibt verborgen, was nicht zum Ausdruck kommen darf oder daran gehindert wird, zum Ausdruck gebracht zu werden - die Existenz eines Klassenkonflikts. In diesen gesellschaftlichen Verhältnissen haben nicht nur die dem Müßiggang frönende Gattin von Reza Pahlavi, nicht nur die Prominenten der Islamischen Republik, sondern auch andere Staaten und Institutionen Interessen und Gewinnabsichten. Ihr luxuriöser und verschwenderischer Lebensstil basiert auf nichts weniger als der Ausbeutung von Menschen wie Mahsa Amini. Ihre „guten Vorsätze“ pflastern bekanntlich den Weg in genau die Hölle in der die ArbeiterInnenklasse des Irans heute zu leben hat.

Bei uns wird ständig der Fehler gemacht, daß man die Losungen und die Taktik einer bestimmten Partei oder Gruppe, überhaupt ihre Richtung, nach den Vorsätzen oder Motiven beurteilt, die diese Gruppe selbst deklariert. Eine solche Beurteilung taugt nichts. Mit guten Vorsätzen - das ist eine alte Weisheit - ist der Weg zur Hölle gepflastert. Es geht nicht um Vorsätze, nicht um Motive, nicht um Worte, sondern um die objektiven, von ihnen unabhängigen Umstände, die das Schicksal und die Bedeutung der Losungen, der Taktik oder überhaupt der Richtung einer gegebenen Partei oder Gruppe bestimmen. (…) Seine demokratische Pflicht erfüllen, seinen Dienst als Vortrupp tun, den Massen des Volkes dienen, sie aufklären und zusammenschließen kann das Proletariat nur im entschiedenen Kampf gegen die Liquidatoren, die vom Liberalismus faktisch völlig abhängig sind. Auch die Liberalen gebärden sich nicht selten radikal auf der Dumatribüne, und sie tun es nicht schlechter als verschiedene quasimarxistische oder schwankende Elemente, aber das hindert die Liberalen nicht, den Demokratismus der Massen außerhalb der Duma (mit Hilfe der Liquidatoren) zu bekämpfen.

Lenin: Worte und Taten, 1913

Dies sind immer noch die Merkmale unserer Epoche, der Epoche der kapitalistischen Dekadenz, der Epoche des Imperialismus und der Globalisierung.

Klassenkonflikte und imperialistische Rivalitäten

Das Bild, das die westlichen Mainstream-Medien und ihre bürgerlichen Intellektuellen von diesem Ereignis zu zeichnen versuchen, basiert in erster Linie darauf, Fakten unter den Teppich zu kehren und so die grundlegenden Ursachen zu verschleiern. Demnach erkenne das regressive Regime der Islamischen Republik die Rechte der Frauen nicht an, weil es sich nicht zur „Demokratie“ bekenne; die Islamische Republik nehme den Frauen auf mittelalterliche Weise ihre Grundrechte, wie die freie Wahl der Kleidung. Die „Sittenpolizei“ zwinge sie, den Hijschab zu tragen.

Doch es ist diesen Herren nie in den Sinn gekommen, sich die Frage zu stellen, ob Mahsa verhaftet worden wäre, wenn sie nicht aus einer Arbeiterfamilie käme und nicht wie Millionen andere ArbeiterInnen und Werktätige mit der U-Bahn hätte fahren müsste. Wäre sie verhaftet worden, wenn sie im Norden von Teheran gelebt und mit dem Auto gefahren wäre? Wäre sie verhaftet worden, wenn sie in einem wohlhabenden Viertel gelebt hätte? Die „Sittenpolizei“ hätte es gar nicht erst gewagt, sie zu verhaften, geschweige denn, sie zu verprügeln. Es ist allgemein bekannt, dass die „Sittenpolizei“ umso weniger patrouilliert, je wohlhabender ein Viertel ist. Es ist kein Geheimnis, dass auf Partys und Festen in diesen Vierteln kein Hijab zu sehen ist, gemischtgeschlechtliche Partys am Pool gefeiert werden und Frauen in Bikinis ungehindert Alkohol genießen. Die „Sittenpolizei“ ist sich dessen sicherlich bewusst, traut sich aber aus Angst vor den reichen „Aristrokraten“ nicht einmal in diese Viertel. Und was würde wohl passieren, wenn sie es doch täte? Nichts! Sie würde innerhalb weniger Sekunden mit Bestechungsgeldern zurückgeschickt werden, die für diese Schickeria genauso mickrig wie unbedeutend wären.

Des Weiteren gehen dieselben Medien und dieselben Intellektuellen nicht einmal mit dem Bild konform, welches sie erzeugen wollen. Wann immer es ihre Interessen erfordern, vollziehen sie mit einem Federstrich und plötzliche Wendung, um unter dem Vorwand der ethnischen Vielfalt, des Multikulturalismus und anderen politisch korrekten Blödsinns genau denselben Hijab zu verteidigen gegen den sie heute wettern, doch diesmal unter dem Vorwand „der Kultur“.

Was die heuchlerische Haltung der westlichen Regierungen betrifft, so ist die Liste lang, wir nennen hier nur einige Beispiele:

  • Tony Blair, ehemaliger britischer Premierminister, erklärte: „Die Wahrheit ist, [dass] wenn die [islamische] Revolution zusammenbricht und der Iran sich verändert, dies die größte Befreiung für die Region [des Nahen Ostens] sein werde.“ Und das von jemandem, der maßgeblich an der Zerstörung des Irak und des Nahen Ostens beteiligt war!(1)
  • Donald Trump: „Ich habe mich aus dem katastrophalen Atomabkommen mit dem Iran zurückgezogen, und gerade jetzt, während wir hier sprechen, protestieren die Menschen im Iran mutig gegen ihr brutales und korruptes Regime. Sie stellen sich mutig der Gewalt, Verfolgung, Inhaftierung, Folter und sogar dem Tod. Wir sind mit euch, Menschen im Iran, und wir werden immer mit euch sein.“ Doch vor nicht allzu langer Zeit, als sein maximaler Druck das iranische Regime trotz immensen Leids für die iranische Bevölkerung nicht an den Verhandlungstisch bringen konnte, schlug er vor, den „Iran wieder groß“ zu machen, und zwar unter der derzeitigen Führung.(2)
  • Während sich zwei Abgeordnete des belgischen Parlaments als Zeichen der Solidarität mit den iranischen Frauen im Parlament die Haare schnitten, bereitete das belgische Parlament die Freilassung eines Terroristen der Islamischen Republik vor, der auf frischer Tat festgenommen worden war. So wurde eine rechtliche Grundlage für den Gefangenenaustausch von Asadollah Assadi mit dem Iran geschaffen.(3)
  • Claudia Tenney, republikanisches Mitglied des US-Repräsentantenhauses, bekundete ihre Solidarität mit den Protesten: „An das tapfere iranische Volk: Wir hören euch, wir unterstützen euch, und wir beten für euch.“(4)
  • Ebenso der britische Milliardär Richard Branson: „_Es ist inspirierend zu sehen, wie mutige Frauen und Mädchen auf den Straßen des Iran protestieren und für ihre Freiheit eintreten. Ihre Stimmen verdienen es, gehört zu werden, und wir alle sollten ihre Geschichten erzählen.“(5)

Die Heuchelei die dieser bürgerlichen Perspektive zugrunde liegt, wird vervollständigt, wenn wir uns anschauen, was in den Medien des konkurrierenden Lagers gesagt wird, namentlich im Iran selbst sowie in China und Russland und der sog. „Achse des Widerstands" (also der mit den Iran verbündeten politischen Kräfte). Im Grunde tun sie das Gleiche, indem sie die wahre Ursache verschleiern, wenn auch auf eine andere, ziemlich plumpe Weise. In ihren Medien wird Mahsas Tod als unbedeutender Vorfall dargestellt. Die Proteste dagegen seien lediglich das Werk einiger iranischer Jugendlicher, die von ausländischen Kräften manipuliert und angestachelt worden seien. Der Tod des Mädchens würde lediglich als Vorwand genutzt, um die „Unabhängigkeit“ der Islamischen Republik Iran und ihre Errungenschaften zu untergraben.

"Laut dem gerichtsmedizinischen Bericht, aus dem die offizielle iranische Nachrichtenagentur IRNA am Freitag zitierte, wurde Aminis Tod „nicht durch einen Schlag auf den Kopf oder die lebenswichtigen Organe des Körpers verursacht". Das Dokument besagt, dass Amini an den Folgen einer Operation an einem gutartigen Hirntumor litt, dem sie sich im Alter von acht Jahren unterzogen hatte."(6)

Oder sie stellen die ganze Angelegenheit auf den Kopf und schreiben dummerweise hollywoodreife Szenarien:

"Mehsa Amini war eine Terroristin, die mit Israel kooperierte. Sie sei mit der Absicht auf die Polizeiwache gegangen, Selbstmord zu begehen, um den Iran und die Region in Brand zu setzen, und es gibt Berichte, dass sie eine Selbstmordpille genommen habe."(7)

Ohne auf die Besonderheiten der Zeit einzugehen, in der solche Bewegungen entstehen, d.h. der Zeit verschärfter imperialistischer Konkurrenz im Kontext einer tiefen Wirtschaftskrise, die alle Lebensbereiche erfasst hat, wird nicht ein Quäntchen der Wahrheit ans Licht kommen. Noch wichtiger ist, dass dann diese Bewegung trotz aller Entbehrungen und Opfer im „besten“ Fall zu einer Plattform für den Aufstieg einer anderen Fraktion der Bourgeoisie werden wird, bei der sich alle Türen weiterhin in denselben Angeln drehen wie zuvor.

Die „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung und ihre Merkmale

Es ist kein Geheimnis, dass die Mehrheit derjenigen, die heute auf den Straßen des Irans gegen die repressiven Kräfte der Islamischen Republik kämpfen und ihr Leben riskieren, aus der ArbeiterInnenklasse stammen. Und es ist auch offensichtlich, wie groß der Schritt ist, den diese Bewegung im Vergleich zu den früheren Protesten gemacht hat. Zum ersten Mal hat diese Bewegung die religiösen Slogans völlig beiseitegelassen. Bis zu einem gewissen Grad, wenn auch sehr schwach, hat sich diese Bewegung von den bekannten Regierungsfraktionen, den Reformisten und den Hardlinern, abgegrenzt. Aufgrund des Geschlechts von Mehsa Amini und ihrer kurdischen Herkunft hat diese Bewegung die Grenzen der geschlechtlichen und ethnischen Segregation überschritten. Wegen der Frage des Hijschabs hat sie nationale Grenzen überwunden und für Solidarität zwischen den Frauen der muslimischen Länder in der Region gesorgt.(8) Die Führer des Nahen Ostens haben ebenso wie das iranische Regime Angst vor der globalen Parole „Frau, Leben, Freiheit“.(9) In einigen Fällen, wie bspw. bei dem Slogan „Tod dem Unterdrücker, sei es ein König oder ein Führer“, ist es der Bewegung gelungen, eine Klassenposition zu beziehen, auch wenn diese noch so schwach sein mag. Sie hat die Unterdrückung der Frauen in das öffentliche Bewusstsein gerückt.

Es stimmt, dass sich keine Bewegung der Unterstützung von Außenstehenden entziehen kann, aber wenn diese Unterstützung den Klassenforderungen der Protestierenden schadet, Hindernisse, Verzögerungen oder sogar Illusionen schafft, dann sollte dem entgegengetreten werden. Natürlich ist es jedem Prominenten freigestellt, die Bewegung zu unterstützen, wenn er dies aus welchen Gründen auch immer tun möchte; es ist jedoch so gut wie sicher, dass diese Unterstützung abnehmen wird, wenn die Bewegung einen Klassencharakter annimmt. Die Bewegung sollte sich niemals an diese Art von Unterstützung binden oder auf sie fixieren und, was noch wichtiger ist, sich nicht auf diese verlassen, um sich selbst zu organisieren. Die bewundernswerte Anwesenheit einer Gruppe von ArbeiterInnenaktivisten aus Haft Tappeh, die trotz der strengen Sicherheitsvorkehrungen am Grab von Mahsa Amini und an ihrem Haus ihr Mitgefühl mit der Familie von Mehsa Amini bekundeten und auch ihre Solidarität mit den Demonstrierenden zum Ausdruck brachten, zeigte eine andere Art von Unterstützung. (10)

Ohne die Verbindung dieser Bewegung mit der ArbeiterInnenbewegung und den Streiks, wie sie von vielen AktivistInnen, die sich die Losung „Brot, Arbeit, Freiheit – Rätemacht“ zu eigen gemacht haben, werden die nächsten Schritte, selbst im Rahmen eines gewissen Entgegenkommens des Regimes, sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein. Deshalb sollte die Überwindung des Kapitalismus im Mittelpunkt jeder politischen Diskussion stehen.

Der Klassenkampf ist der einzige Weg aus der kapitalistischen Hölle

Wenn Gott tot ist, ist alles erlaubt“, bemerkte Dostojewski. Im heutigen Iran ist das Gegenteil der Fall: Nach den Worten Gottes (des Ayatollahs) sei nicht nur alles erlaubt, sondern Gott lebe sogar!

Am 28. Juni 2022 nannte Ayatollah Khamenei in seiner Rede zum Tag der Justiz den Grund für das Überleben der Islamischen Republik in den vergangenen vierzig Jahren. Er rezitierte die „Göttlichen Traditionen“ und erklärte:

"Im Jahr 1980 waren wir in der Lage, auf eigenen Füßen zu stehen und den Feind angesichts all dieser Ereignisse zu enttäuschen, und angesichts der Schwere der Situation können wir dies auch heute noch tun; der Gott des Jahres 80 ist derselbe Gott dieses Jahres; der Gott der schwierigen Zeiten und der verschiedenen Zeiten ist derselbe, alle göttlichen Traditionen sind an ihrem Platz.“(11)

Ayatollah Khamenei, der sich der katastrophalen Lage bewusst ist und die Unruhen innerhalb der ArbeiterInnenklasse und die Zersetzung in seinen Reihen mit Sorge betrachtet, ruft erneut den allmächtigen Gott um Hilfe an. In den 1980er Jahren hatte der Gründer der Islamischen Republik mit demselben Aufruf die Hinrichtung von Tausenden angeordnet, die ihre Herrschaft abgelehnt hatten. Ebenso wurde nur wenige Monate nach dem Aufstand von 1979 unter Berufung auf denselben Gott der islamische Hijschab zur Pflicht erklärt. Die meisten der damaligen liberalen und linken Analysen, auf die noch heute zurückgegriffen wird, führten diese Maßnahme der Hijschab-Pflicht auf die Schichtung des Klerus und die Rückständigkeit der Gesellschaft zurück. Die Zeit hat jedoch gezeigt, dass die Hijschab-Pflicht aus Sicht des Kapitals dazu diente, die ArbeiterInnenklasse zu disziplinieren - eben jene ArbeiterInnenklasse, die sich nach dem Aufstand von 1979 in Shoras (Räten) organisierte. Die ArbeiterInnen waren nicht mehr bereit, sich den Ausbeutungsbedingungen der Vergangenheit zu unterwerfen, so dass das Kapital, das die Revolution im Namen der Revolution vereinnahmt hatte, gezwungen war, mit göttlichen Dekreten die Disziplin im Land wiederherzustellen. Es macht nicht den geringsten Unterschied, was Khomeini selbst oder die Kleriker in ihrer Gesamtheit bei der Anwendung dieser Regeln dachten. Wichtig war und ist die Tatsache, dass der Gott des Kapitals in jeder Form und in jedem Namen auftritt, um es zu schützen. Nun, da die Kinder und Enkel derselben ArbeiterInnen beschlossen haben, auf diese Dekrete zu pfeifen, wurde der Gott der 1980er Jahre erneut angerufen, um den Pöbel und die Schläger auf die Straße zu bringen, um noch mehr Repression zu betreiben.

In den kommenden Tagen wird es wahrscheinlich weitere Proteste geben, aber die Repression wird mit Sicherheit mit mehr Gewalt und mehr Verhaftungen weitergehen. Die Ankündigung und der Aufruf des Koordinierungsrates der LehrerInnen am elften Tag der Proteste hatten eine positive Wirkung und brachten mehr SchülerInnen auf die Straße. Unter den AktivistInnen ist die Idee eines Generalstreiks im Umlauf. Während wir diese Zeilen schreiben, verteilen soziale AktivistInnen Flugblätter, um „Streiks mit Protesten zu verbinden“. Eine große Zahl von ArbeiteranführerInnen und AktivistInnen sitzt im Gefängnis, ein neues Kapitel hat begonnen, der politische Islam wurde von den Demonstranten getroffen, die Tragweite dieses Angriffs könnte nicht nur den gesamten Iran, sondern die gesamte Region erfassen. Und er hat das Potenzial, den Klassenkampf zu befeuern, wenn diese Bewegung voranschreitet und sich entwickelt, oder kann ins Gegenteil umschlagen, wenn sie zurückgeht und sich zurückzieht. Wir werden die Entwicklungen in naher Zukunft weiter analysieren. (Damoon Saadati)

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(9) lemonde.fr

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(11) ensafnews.com

Saturday, October 15, 2022