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Startseite ›Die „New Economy“ des Kapitalismus: Das Beispiel Großbritannien
Der hier vorliegende Artikel, der erste in einer Reihe über das, was damals als „New Economy“ bezeichnet wurde, erschien ursprünglich 2005 in dem politischen Journal der CWO, Revolutionary Perspectives. Nach etwa dreißig Jahren Wirtschaftskrise, einer Krise welche auch jetzt noch den Kapitalismus heimsucht und welche die Zukunft der Menschheit mehr denn je bedroht, war es den USA und ihren fortgeschrittenen kapitalistischen Verbündeten gelungen, einen Großteil ihrer Fertigung und schwerindustrieller Produktion an Orte zu verlagern, an denen die Kosten der Arbeitskraft viel billiger waren und die Arbeiterklasse wenig Widerstand gegen die Einführung von „arbeitssparenden“ Maschinen und Technologien leistete. Dieser Prozess wurde durch den Zusammenbruch des rivalisierenden imperialistischen Blocks in Gestalt der UdSSR erleichtert, der nicht nur die reale Gefahr eines totalen Weltkriegs als "natürliche" Lösung des Kapitalismus für die Krise abwandte, sondern auch den Prozess der Globalisierung und Verflechtung jeder nationalen kapitalistischen Wirtschaft beschleunigte. In den frühen 1990er Jahren glaubte das Kapital - vor allem das US-amerikanische und europäische Kapital - jedoch wirklich, das Elixier eines krisenfreien Lebens in einer "postindustriellen" Welt gefunden zu haben, in der die Arbeiterklasse keine Kraft mehr darstellte und die Geschichte selbst der Vergangenheit angehörte. Es war in diesem Klima, im Vorfeld des Finanzcrashs 2007/8, in dem, wenn man sich selbst als Marxist, geschweige denn als Revolutionär bezeichnete, politische Isolation drohte, als diese Reihe an Artikeln über die so genannte „New Economy“ des Kapitalismus geschrieben wurde. Vor allen Dingen ist es eine Bestätigung der anhaltenden Relevanz des marxistischen Wertgesetzes und der Schlüsselrolle der Ausbeutung der Arbeitskraft durch das Kapital in dieser Welt, in der immer mehr Lohnarbeiter zunehmend im Dienstleistungssektor beschäftigt sind.
Erster Teil: Der Rückgang der Produktion und die Zunahme der Dienstleistungen
Die von allen Seiten gedämpfte Reaktion auf den Zusammenbruch des Autokonzerns Rover unterstreicht die weit verbreitete Akzeptanz der abnehmenden Rolle der verarbeitenden Industrie in der britischen Wirtschaft. Die Gleichgültigkeit der Arbeiterklasse ist symptomatisch für den geringen Widerstand gegen die Angriffe auf die heutigen Generation von Lohnarbeitern. Für die Kapitalistenklasse ist es ein Zeichen der Zuversicht, dass eine vorwiegend dienstleistungsorientierte Wirtschaft ihnen höhere Profite und Wirtschaftswachstum bringen kann. Noch vor nicht allzu langer Zeit wäre der Zusammenbruch von Großbritanniens "letztem inländischen Serienautomobilhersteller" mit Verzweiflungsschreien über die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit der britischen Wirtschaft aufgenommen worden. Heutzutage allerdings, kommentiert das tonangebende Sprachrohr des Kapitals das Ende von Rover folgendermaßen: „Tatsächlich argumentieren Ökonomen, dass es eine Verschwendung von Ressourcen ist, produktives Kapital und Kompetenzen in Unternehmen zu binden, die nicht konkurrenzfähig sind. Viel besser, sagen sie, sei es den Arbeitnehmern zu ermöglichen, in Arbeitsplätze zu wechseln, die einen höheren Mehrwert für das Land schaffen. Helen Simpson, die Leiterin der Forschungsabteilung für Produktivität am Institut für Finanzstudien, sagt über den wahrscheinlichen Untergang von Rover: ‚Da das Unternehmen bankrott [getrennt schreiben] geht, werden die Vermögenswerte nicht auf ihre produktivste Weise genutzt, und sie könnten möglicherweise anderswo in der Wirtschaft besser eingesetzt werden‘. Ihr Argument wird an der Yale School of Management von Peter Schott, einem Experten für die verarbeitende Industrie in den USA, aufgegriffen. ‚Es ist das Beste für ein Land, seine Arbeitnehmer in den Bereichen mit höchster Produktivität zu beschäftigen‘, sagte er und fügte hinzu, es sei ein Mythos, dass Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe in irgendeiner Weise besser für eine Wirtschaft seien als die im Dienstleistungssektor.“ [‚Industrial Jobs Are Not Always Beneficial', 13th April 2005] Dass Ökonomen die Auflösung von Rover befürworten ist für sich genommen wenig überraschend. Wir haben genug über Wettbewerbsfähigkeit und das "Gesetz des Marktes" gehört, um nichts anderes zu erwarten . Interessant ist jedoch, dass nach der neuen wirtschaftlichen Orthodoxie "Dienstleistungen" nicht nur ein produktiver Teil der Wirtschaft sind, sondern dass sie (oder zumindest einige von ihnen) als produktiver (zur Schaffung von "höherem Mehrwert") als die verarbeitende Industrie eingeschätzt werden. Auch die Regierung ist - abgesehen von den "menschlichen Kosten" so kurz vor den Parlamentswahlen - nicht besonders besorgt über den anhaltenden Niedergang der verarbeitenden Industrie in Höhe von schätzungsweise 600 Arbeitsplätzen pro Tag. Im Gegenteil, auf einer offiziellen Website der Regierung [wenn auch für eine US-Zielgruppe] wird die Situation gepriesen, dass in Großbritannien, welche "die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ist und die den jüngsten wirtschaftlichen Abschwung besser als jedes andere G8-Land überstanden hat. [...] der Dienstleistungssektor etwa zwei Drittel des BIP ausmacht...". [1] Es überrascht daher nicht, dass offizielle britische Statistiken über die Beschäftigtenstruktur zeigen, dass von insgesamt etwas mehr als 30 Millionen Arbeitsplätzen im Dezember letzten Jahres mehr als 24 Millionen als eine Art Dienstleistung eingestuft werden. Demgegenüber entfallen auf die verarbeitende Industrie 3,5 Millionen Arbeitsplätze. [2] Obwohl der relative Rückgang des verarbeitenden Gewerbes in Großbritannien besonders ausgeprägt ist, ist dies ein universeller Trend in der gesamten fortgeschrittenen kapitalistischen Welt. Derselbe bereits oben erwähnte FT-Artikel informiert uns: „Der Rückgang des verarbeitenden Gewerbes ist nicht nur ein britisches oder US-amerikanisches Phänomen. Sogar in Japan und Deutschland, die traditionell als Motor des industriell getriebenen Wachstums angesehen werden, ist das verarbeitende Gewerbe ein weitaus weniger bedeutender Faktor für die Schaffung von Arbeitsplätzen als früher. Zwischen 1980 und 2002 sank der Anteil der Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe in Japan von 25 Prozent auf 19 Prozent und in Deutschland von 34 Prozent auf 24 Prozent.“ Es handelt sich um einen Trend, der sich mit der Globalisierung der Produktion beschleunigt. Besonders durch die Verlagerung der Produktion des verarbeitenden Gewerbes und von Schwerindustrien wie dem Schiffbau in Gebiete mit billigen Arbeitskräften. Zusammen mit der Lockerung der Beschränkung der Bewegungsfreiheit des globalen Finanzkapitals ist dieser Prozess Teil der Reaktion des fortgeschrittenen Kapitals auf seine Krise der fallenden Profitrate. In dem Maße, in dem der relative Niedergang der verarbeitenden Industrie und der Grundstoffindustrie in den reichsten kapitalistischen Volkswirtschaften durch ihre Expansion in Regionen der Welt mit billigeren Arbeitskosten und geringeren Fixkosten für das Kapital ausgeglichen wird, kann man kaum sagen, dass der Kapitalismus deindustrialisiert wird. Der Umfang, in dem die verarbeitende Industrie in diesen Bereichen die neueste Technologie mit billigerer Arbeitskraft kombiniert – bedeutet eine noch höhere Produktivität (in kapitalistischen Begriffen, Output pro Kopf, Input pro Arbeiter) und höhere Gewinne. Soweit dies durch ausländische Direktinvestitionen des reicheren Kapitals erreicht wird, ist der Rückgang des verarbeitenden Gewerbes im Inland lediglich die Folge der Ausbeutung billigerer Arbeitskräfte und des Melkens einer höheren Profitrate im Ausland. Aber das erklärt nicht den zunehmenden Anteil der im "Dienstleistungsbereich" beschäftigten Arbeitskräfte im Inland.
Marx über Dienstleistungen, produktive und unproduktive Arbeit
In der allgemeinen Vorstellung - die die Arbeiterklasse instinktiv mit denjenigen gleichsetzt, die produktive Arbeit leisten, und letztere mit der Handarbeit, die bei der Herstellung materieller Güter anfällt - verstärkt der stetige Niedergang des verarbeitenden Gewerbes und der Schwerindustrie die kapitalistische Propaganda, vor allem die der nicht so neuen New Labour Party, dass die Arbeiterklasse eine verbrauchte politische Kraft sei. Für einige tonangebende Sozialwissenschaftler hat die Arbeiterklasse ganz aufgehört zu existieren. Dennoch, so sagt man uns, überlebt der schlankere, fittere, wissensbasierte Kapitalismus gesünder denn je. Wir überlassen es den akademischen Experten selbst, an dem Rätsel zu arbeiten, wie der Kapitalismus ohne eine Arbeiterklasse existieren kann. In der Zwischenzeit wird es genügen, uns daran zu erinnern, dass Marx die Arbeiterklasse nicht danach definiert hat, ob jemand in der Fabrik, im Büro oder im Laden Handarbeit oder Kopfarbeit leistet, sondern nach ihrer Stellung zu den Produktionsmitteln. Während die Kapitalisten vom Profit leben, besteht die Arbeiterklasse aus jene Menschen, die auf Einkommen aus Lohnarbeit angewiesen sind. Marx' Einwand gegen diese Sachlage bestand nicht einfach darin, dass sie moralisch ungerecht oder unausgewogen sei. Stattdessen stütze er seine Kritik auf eine genaue Analyse der Quelle des Profits der Kapitalisten. Er stellte fest, dass der Profit letztlich auf die unbezahlte Arbeit zurückzuführen ist, vermittelt durch den Wert der Waren, die die Arbeiterinnen und Arbeiter über den Wert ihrer Löhne hinaus produziert haben. Ebenso hatte Marx ein einheitliches Konzept dessen, was er mit "Dienstleistungen" meinte, das sich, wie wir sehen werden, von den verschiedenen verworrenen Kategorisierungen der bürgerlichen Statistiker, Ökonomen und dergleichen deutlich unterschied. Für Marx wäre die Idee eines separaten Sektors von Dienstleistungsarbeitsplätzen, die zusätzlichen Wert für das Kapital schaffen, absurd. Zunächst einmal sah er, dass eine Dienstleistung genau das ist - d.h. es ist die Bereitstellung von etwas Nützlichem [einem Gebrauchswert] für den Käufer, der dafür aus seinen eigenen Einnahmen bezahlt, egal ob diese aus Löhnen oder Gewinn stammen. Der entscheidende Punkt ist hier, dass der Käufer für die Arbeitskraft bezahlt, die der 'Dienstleister' [um es in moderner Sprache auszudrücken] aufwendet, und sonst nichts. In "Theorien über den Mehrwert" gibt Marx Beispiele für verschiedene Arten von Dienstleistungsarbeit: Der "Flickschneider, der zu dem Kapitalisten ins Haus kommt und ihm seine Hosen flickt, ihm einen bloßen Gebrauchswert schafft“; die Köchin, deren Arbeit „ich [kaufe] ... [um sie] zu genießen, zu gebrauchen“ - diese Art von persönlichen Dienstleistungen sind Teil der Kosten des Konsums von Waren. "Die Dienste des Arztes" und des „Lehrers [dessen Dienst ich] kaufe, nicht um meine Fähigkeiten zu entwickeln, sondern um mir Vermögen zu erwerben, mit dem ich Geld verdienen kann“ sind Beispiele für eine andere Art von Dienstleistung - Dienstleistungen, die Teil der Kosten der Produktion von Arbeitskraft sind. In all diesen Fällen ist die aufgewendete Arbeit, obwohl sie sehr nützlich ist, für den Kapitalismus unproduktive Arbeit. Dies ist keine Frage, wie hart der 'Dienstleister' arbeitet oder ob seine Arbeit zu einem materiellen Produkt führt oder nicht: „der Schneidergeselle [ist] kein produktiver Arbeiter, obgleich seine Arbeit mir das Produkt, die Hose, und ihm den Preis seiner Arbeit, das Geld liefert“ [3] Andererseits ist derselbe Schneider, der die gleiche Aufgabe der Hosenherstellung erfüllt, aber jetzt bei einem kapitalistischen Textilhändler angestellt ist und für einen Lohn arbeitet, ein produktiver Arbeiter. Wie kann das sein? Wenn es nicht die Art von Arbeit ist, die bestimmt, ob Arbeit produktiv oder unproduktiv ist, was ist es dann? Die Antwort liegt in der veränderten Stellung des Arbeiters [in diesem Fall des Schneiders] zum Kapital. Im ersten Fall ist das Geld weg, wenn ich für den Gebrauchswert [der Hose], der durch die Arbeit des Schneiders geschaffen wurde, bezahlt habe, und ich habe keine Möglichkeit, daraus Kapital zu schlagen. Im Fall des vom Textilkapitalisten beschäftigten Schneiders, wie Marx ironisch erklärt, „besteht [dagegen] der Dienst, den derselbe Schneidergeselle [...] diesem Kapitalisten leistet, keineswegs darin, daß er Tuch in Hosen verwandelt, sondern darin, daß die notwendige Arbeitszeit, die in einer Hose vergegenständlicht ist, = 12 Arbeitsstunden und der Lohn, den der Geselle erhält, = 6 Stunden. Der Dienst, den er ihm leistet, besteht also darin, daß er 6 Stunden umsonst arbeitet. Daß dies in Form von Hosenmacherei geschieht, versteckt nur das wirkliche Verhältnis.“ [4] Im ersten Beispiel hat die Arbeit des Schneiders lediglich einen Gebrauchswert (in Form der Hose) hervorgebracht, mit dem der Käufer die Hose tragen oder verwenden kann, wie es ihm gefällt. Im zweiten Beispiel hat die Hose, die der Schneider für seinen Arbeitgeber hergestellt hat, die Form einer Ware, d.h. sie hat sowohl einen Gebrauchs- als auch einen Tauschwert. Als Geld ausgedrückt, ist der Tauschwert der Hose der Preis, den sie im Geschäft oder auf dem Markt kosten würde. Der Textilkapitalist "sucht [...] die Hosen daher wieder in Geld zu verwandeln", um die Differenz zwischen dem Geld, das er für den Lohn des Schneiders (entsprechend sechs Stunden Arbeit) ausbezahlt hat, und dem Geld, das er für die Hose erhält (entsprechend zwölf Stunden Arbeit), zu verwerten, sobald er kann. Sobald der Schneider für die Herstellung einer Ware eingesetzt wird, wird seine Arbeit für das Kapital produktiv, indem er für den Kapitalisten etwas geschaffen hat, das mehr Wert verkörpert, als er an Lohn zurückbekommt. Im Gegensatz zum Dienstleistungsarbeiter ist derjenige, der Waren produziert, ein produktiver Arbeiter für den Kapitalismus, weil seine Arbeit: „einen Mehrwert schafft, [einen neuen Wert] über das [Äquivalent] hinaus, das sie als [Lohn] erhält.“ [5] Ebenso kann die Ware, die die Manifestation der produktiven Arbeit ist, ein materieller Gegenstand sein oder auch nicht und kann das Produkt geistiger oder manueller Arbeit sein oder auch nicht. Schauspieler, die bei einer Theatergruppe angestellt sind, werden zum Beispiel höchstwahrscheinlich ein Stück aufführen, für das die Einnahmen an den Kassen höher sind als der Wert der Löhne, die sie erhalten. Oder wieder wie Marx es ausdrückt: „Ein Schriftsteller ist ein produktiver Arbeiter, nicht insofern er Ideen produziert, sondern insofern er den Buchhändler bereichert [...] Der Gebrauchswert der Ware, worin sich die Arbeit eines produktiven Arbeiters verkörpert, mag von der futilsten [nichtigsten] Art sein. [...] Es ist eine Bestimmung der Arbeit, die nicht aus ihrem Inhalt oder ihrem Resultat, sondern aus ihrer bestimmten gesellschaftlichen Form stammt.“ [6] Während die so genannte klassische Schule der politischen Ökonomen wie z.B Adam Smith erkannte, dass Arbeit eine Rolle bei der Schaffung von wirtschaftlichem Wohlstand zu spielen hat, war es Marx, der diese Arbeitswerttheorie entwickelte. Er zeigte auf, dass die Akkumulation von Kapital allein aus der verborgenen, unbezahlten Arbeit der Arbeiterinnen und Arbeiter, die Waren herstellen, stammt: aus dem Wert, der über die Kosten ihrer Arbeitskraft hinausgeht, die ihnen genommen wird, sobald sie in das Lohnarbeitsverhältnis eintreten. Die Klärung des ausbeuterischen Wesens des Kapitalismus durch Marx war für diejenigen, die davon profitierten, nicht akzeptabel. Die kapitalistische Antwort auf Marx' ökonomische Analyse bestand darin, die klassische Schule und die Arbeitswerttheorie ganz und gar zu verwerfen. [7] Es ist jedoch eine Sache, eine Theorie zu verleugnen, die dem Kapitalismus zugrunde liegende Realität - die unserer Meinung nach nur die Arbeitswerttheorie erklären kann - kann nicht verändert werden, ohne den Kapitalismus selbst loszuwerden. Aber lasst uns nicht abschweifen. Bevor wir endlich die derzeitige Behauptung der Kapitalisten untersuchen können, dass Investitionen in Dienstleistungen einen höheren Mehrwert für ihre Wirtschaft bringen, gibt es noch einige weitere Hinweise darauf, was die Analyse von Marx beinhaltet. Zunächst einmal müssen wir uns bewusst sein, dass in der Marx'schen Analyse die Dienstleistungsarbeit zwar unproduktiv [im Hinblick auf den Mehrwert] ist, aber unproduktive Arbeit nicht auf den Dienstleistungssektor beschränkt ist. Mit nur wenigen Ausnahmen konnte Marx das gesamte kommerzielle [oder "kaufmännische"] Kapital - Kapital, das am Prozess des Kaufens und Verkaufens beteiligt ist - kategorisch in die Kategorie des unproduktiven Kapitals einordnen, da "nach wie vor Kauf- und Verkaufszeit keinen Wert [schafft]." [8]. Die Löhne der Arbeiterinnen und Arbeiter in diesem Sektor gehören zu den Zirkulationskosten, d.h. sie zehren an dem insgesamt erwirtschafteten Mehrwert, obwohl die Arbeit für das Funktionieren des Kapitals notwendig ist und obwohl der einzelne Arbeiter " arbeitet so gut wie ein andrer", „schafft [der Inhalt seiner Arbeit] weder Wert noch Produkt. Er selbst gehört zu den faux frais der Produktion. Sein Nutzen besteht nicht darin, eine unproduktive Funktion in eine produktive zu verwandeln, oder unproduktive Arbeit in produktive. [...] Sein Nutzen besteht vielmehr darin, daß ein geringerer Teil der Arbeitskraft und Arbeitszeit der Gesellschaft in dieser unproduktiven Funktion gebunden wird.“ [9] In Anbetracht dessen, was wir jetzt diskutieren werden, ist der Transportsektor erwähnenswert. Vereinfacht ausgedrückt, unterschied Marx zwischen dem Transport als Dienstleistung und damit unproduktiv (Menschen) und dem Transport im Verhältnis zu Waren. Insofern als der Standortwechsel den Tauschwert der Ware erhöht, d.h. wenn die Arbeit der Transportarbeiter einen Wert vermittelt hat, dann ist der Transport für das Kapital produktiv. Abschließend sollte man festhalten, was vielleicht auf den ersten Blick offensichtlich ist: Was für den Kapitalismus wertmäßig unproduktive Arbeit ist, ist nicht unbedingt finanziell unrentabel. Finanzieller Gewinn ist nicht dasselbe wie die Produktion von Mehrwert. Doch auch wenn die Kapitalisten sich meistens vormachen, dass steigende finanzielle Profite notwendigerweise "Wirtschaftswachstum" [nicht zuletzt in ihren BIP-Statistiken] bedeuten, obwohl sie leugnen, dass Arbeit die Grundlage des realen Wirtschaftswachstums ist, müssen sie dennoch - wenn auch in verzerrter Form - erkennen, dass die enormen Zunahmen des nominalen Wohlstands auf die erhöhte Produktivität der Arbeit zurückzuführen sind. Im nächsten Teil dieses Artikels werden wir untersuchen, was die Kapitalisten unter 'Dienstleistungen' und 'erhöhter Produktivität' verstehen. -ER
[1] www.britainusa.com Aus einem Abschnitt mit dem Titel 'UK Economic Overview'. Die Website wird "von ‚British Information Services‘, einer in New York ansässigen Abteilung der britischen Botschaft in Washington DC, erstellt und gepflegt"
[2] 'UK Workforce Jobs by Industry', veröffentlicht vom “Office for National Statistics”, Dezember 2004. Obwohl es sich hierbei um recht aktuelle Zahlen handelt, ist die Zahl der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe bereits veraltet. Bis Februar dieses Jahres wurde diese Zahl auf 3,2 Millionen reduziert, ebenfalls nach Angaben der Regierungsstatistik. Interessanterweise erklären die Verfasser der Umfrage, dass die 30,5 Millionen insgesamt "eher ein Maß für Arbeitsplätze als für Menschen" sind. Mit anderen Worten: Da die Gesamtzahl der Erwerbstätigen etwa 28 Millionen beträgt (28,302 Millionen, laut derselben Quelle im April 2004), hat eine bedeutende Minderheit der Belegschaft zwei oder mehr Arbeitsplätze.
[3] MEW-Band 26.1 S. 377/378
[4] MEW-Band 26.1 S. 378/379
[5] MEW-Band 26.1 S. 172
[6] MEW-Band 26.1 S. 128
[7] Der heutige Versuch, Adam Smith wiederzubeleben, ist mehr symbolisch als real. Smiths Verbindung zum Laissez Faire hat ihn zum Guru derer gemacht, die glauben, dass der "freie Wettbewerb", aus dem sich der Monopolkapitalismus entwickelt hat, heute wieder hergestellt werden kann. Sie sind nicht daran interessiert, die Arbeitswerttheorie, die Smiths Analyse einherging, wiederzubeleben.
[8] MEW-Band 24 S. 133
[9] MEW-Band 24 S. 134
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