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Startseite ›Klassenbewusstsein und revolutionäre Organisation
Das Verständnis des Klassenbewusstseins, der Art und Weise wie es entsteht und zur materiellen Gewalt wird, ist eine der wichtigsten Fragen revolutionärer Aktivität. Ausgehend von den Erfahrungen der Klassenkämpfe zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelten Marx und Engels in Schriften wie der „Deutschen Ideologie“ oder dem „Kommunistischen Manifest“ die ersten Grundzüge einer Theorie über die Entstehung von Klassenbewusstsein. Die Erfahrungen der Arbeiterklasse in der Pariser Commune, der Massenstreiks vom 1905 oder der Oktoberrevolution von 1917 warfen viele neue Fragen auf. Von daher reicht es nicht aus, Zitate von Marx und Engels herunterzubeten und so zu tun als seien diese der Weisheit letzter Schluss.
Zwar haben die Grundannahmen von Marx und Engels selbst heute noch zum großen Teil Gültigkeit, gleichwohl sind wir mit einer Reihe von Problemen konfrontiert, die diese beiden Denker zu ihrer Zeit nicht vorhersehen konnten. Zwar hatten Marx und Engels in Grundzügen erkannt, dass die sozialdemokratischen Parteien zunehmend eine antirevolutionäre Richtung einschlugen, das Ausmaß indem die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften zu Verteidigern der kapitalistischen Ordnung wurden, hätten sie sich jedoch in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Ebenso wenig konnten sie die fundamentale Rolle des Staates im modernen Kapitalismus als Garant und Organisator der kapitalistischen Ausbeutung voraussehen.
Niemand konnte ahnen, dass der erste Versuch einer internationalen proletarischen Revolution durch den Kapitalismus in Russland isoliert werden könnte, und dieselbe Partei die das Proletariat in dieser Revolution hervorgebracht hatte, zu der Kraft werden könnte die eine der schlimmsten Konterrevolutionen in der Geschichte durchführte. All dies war freilich weder geplant oder in irgendwelchen Ideen angelegt, sondern den objektiven Bedingungen geschuldet. Die Konterevolution kam nicht über Nacht. Sie war ein gradliniger Prozess und selbst jene, die die Grundzüge dieses Prozesses erkannten und aufhalten wollten, konnten nicht im ganzen Ausmaß sehen, dass all Maßnahmen die sie ergriffen um die UdSSR zusammenzuhalten letztendlich nur weitere Sargnägel für die internationale proletarische Revolution darstellten. In Russland wurde die revolutionäre Klasse im Verlaufe des dreijährigen Bürgerkrieges dezimiert.
Die klassenbewusstesten Arbeiter traten der Roten Armee bei oder wurden vom Parteiapparat aufgesogen. Die Rätemacht wurde durch, Krieg, Hunger und Seuchen untergraben. 1920 waren die Räte leere Hüllen ohne jede Macht. Viele russische Kommunisten versuchten dieses offenkundige Dilemma dadurch zu umgehen, indem sie behaupteten, dass die Diktatur des Proletariats und die Diktatur der Partei des Proletariats faktisch dasselbe sei. Durch solche Positionen wurden die Grundlagen des Marxismus unterminiert. Es waren diese Illusionen, die dem Stalinismus letztendlich den Weg bahnten.
Das Problem des Klassenbewusstseins
Beginnen wir mit den Problemen, die durch die russische Revolution aufgeworfen wurden. Für Marx war es immer klar, dass eine Revolution nur der bewusste Akt der großen Mehrheit sein könne. Gleichzeitig war er sich völlig darüber im Klaren, dass sich eine solche Bewegung nur durch eine politische Partei konstituieren könne. Die Arbeiterklasse ist eine eigentumslose Klasse kollektiver Produzenten. Der ökonomische Kampf der Arbeiterklasse wirft zwar das Problem der Ausbeutung auf, eröffnet aber aus sich selbst heraus nicht die Antwort auf die Frage wie die Ausbeutung überwunden werden kann. In Anbetracht diverser Spaltungslinien und Fragmentierungen der Klasse, und dem Umstand, dass verschiedene Klassensegmente und Individuen zu unterschiedlichen Zeiten und unterschiedlichen Graden Klassenbewusstsein entwickeln, lässt nur den logischen Schluss zu, dass sich Klassenbewusstsein nur in einem organisatorischen politischen Rahmen konsolidieren und weiterentwickeln kann.
Nur durch die politische Organisierung derjenigen Arbeiter, die den Charakter des Kapitalismus als vergänglich und zu überwindende Ausbeutergesellschaft erkannt haben, können die herrschenden Gedanken die immer auch die Gedanken der herrschenden Klasse sind, aufgebrochen und bekämpft werden. Indem sie die Elemente von Bewusstsein die in den täglichen Kämpfen gegen die Ausbeutung entstehen politisch verallgemeinert, kann eine politische Organisation dazu beitragen, dass die kommunistische Theorie zur „materiellen Gewalt“ wird, und dem kapitalistischen Staat und der Ausbeutung ein Ende setzt. In Anbetracht der Dominanz der bürgerlichen Ideologie wird ein solcher bewusster politischer Kampf nicht einfach spontan in den ökonomischen Tageskämpfen der Klasse entstehen.
Klarheit vor Einheit
Was zu Marxens Zeiten weniger klar war, war die Frage des Charakters einer solchen Organisation oder Partei und ihres Verhältnis zur Klasse. Die Erfahrung er Sozialdemokratie (die Bolschewiki eingeschlossen) hat gezeigt, dass die programmatische Klarheit der proletarischen Partei weitaus wichtiger ist als ihre zahlenmäßige Stärke. Zwar wurde die deutsche Sozialdemokratie zur größten politischen Partei ihrer Epoche, dies aber zu einem hohen Preis. Der Glaube an den Parlamentarismus führte zwangsläufig zur Unterwerfung unter die öffentliche Meinung. Eine schleichend entstandene Bürokratie stellte die Erhaltung der Organisation und ihrer Geldmittel über die sozialistischen Prinzipen, die im zunehmenden Maße nur noch bei Sonntagsreden von Bedeutung waren.
Der Reformismus führte notwendigerweise zur Treue gegenüber dem imperialistischen Nationalstaat, den die Reformisten übernehmen wollten. Die Unterstützung des imperialistischen Ersten Weltkrieges 1914 war nur die logische Folge dieses Prozesses. Auf der anderen Seite war es in erster Linie die programmatische Unnachgiebigkeit und Standfestigkeit der Bolschewiki, die es ihnen erlaubte in den Wirren des imperialistischen Krieges an internationalistischen Klassenpositionen festzuhalten. Das Argument, dass die programmatische Klarheit einer revolutionären Partei weitaus wichtiger sei als ihre zahlenmäßige Stärke wirft eine grundlegende Frage auf: Wenn eine proletarische Revolution die Bewegung der großen Mehrheit sein soll, warum bzw. vielmehr wie kann sie dann von einer revolutionären Minderheit angeführt werden? Die Antwort auf diese Frage muss notgedrungen etwas schematisch ausfallen, da im wirklichen Leben historische Prozesses nicht nach den Paradigmen ablaufen, in denen wir versuchen sie zu verstehen. Allgemein gesagt liegt der Schlüssel zur Antwort auf die obige Frage im Wörtchen „Prozess“. Revolutionen (und natürlich auch andere große soziale Bewegungen) beginnen in einer sehr begrenzten Form.
In dem Maße wie sich die Bewegung geographisch und politisch ausweitet, werden mehr und mehr Menschen in diesen Prozess einbezogen. Der Anfang jeder Revolution ist immer eine spontane Bewegung, die sich an ökonomischen und sozialen Krisenerscheinungen des Systems entzünden. Für viele Teilnehmer der Bewegung ist zuweilen die ganze Tragweite ihres Handelns gar nicht ersichtlich. Alles was sie wissen und was sie antreibt ist, dass es nicht mehr so weitergehen kann wie bisher. Das Unbewusste kommt vor dem Bewussten. Während Spontaneität zwar eine Bewegung auslösen kann, besteht der Schlüssel für eine erfolgreiche Revolution jedoch darin, über die Grenzend es Systems hinauszugehen. Wie wir oben schon ausgeführt haben, kann nur ein Organismus derjenigen, die eine bewusste programmatische Alternative zum Kapitalismus anzubieten haben, in der Lage sein, die Revolte in eine neue Gesellschaftsform transformieren. Wenn eine kommunistisches Perspektive für die Bewegung weder sicht- noch greifbar ist, kann es schnell passieren, dass sie wieder auseinander bricht und/oder in den politischen Bezugsrahmen des Systems zurückfällt.
Deswegen behaupten wir auch nicht, dass die zahlenmäßige Stärke einer Partei im revolutionären Prozess absolut unwichtig ist. Es muss eine gewisse Anzahl organisierter Kommunisten geben, die in der Lage sind, in die Bewegung einzugreifen. Eine kommunistische Klassenpartei predigt ihr politisches Programm auch nicht von oben herab. Ihre Mitglieder müssen als Teil der Klasse agieren und in ihr verankert sein, wenn sie ihren Wirkungskreis erhöhen wollen. An einem bestimmten Punkt der Bewegung müssen die Kommunisten auch organisatorische Aufgaben übernehmen, um die Arbeiter auch praktisch dabei zu unterstützen eigene Klassenorgane (Fabrikkomitees, Räte etc.) zu entwickeln, die in der Lage sind den bürgerlichen Staat zu überwinden. Gerade in diesen Klassenorganen werden die politische Debatte und der Kampf für den Kommunismus geführt werden müssen.
Marx hob hervor, dass Menschen, die in einer sozialen und politischen Bewegung aktiv tätig werden, anfangen die Welt mit ganz anderen Augen zu sehen. In seiner Schrift „ Die deutsche Ideologie“ schreib er , „…dass sowohl zur massenhaften Erzeugung dieses kommunistischen Bewusstseins wie zur Durchsetzung der Sache selbst eine massenhafte Veränderung der Menschen nötig ist, die nur in einer praktischen Bewegung, in einer Revolution vor sich gehen kann; dass also die Revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschende Klasse auf keine andre Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten Dreck vom Halse zu schaffen und zu eine neuen Begründung der Gesellschaft befähigt zu werden.“ Dies ist eine wichtige Textstelle die darüber Aufschluss gibt, wie die ideologische Dominanz der herrschenden Klasse aufgebrochen werden kann. Sie widerlegt all jene die ständig behaupten, dass die kapitalistischen Wertvorstellungen der „Natur des Menschen“ entsprechen würden.
Die „Natur des Menschen“ ändert sich mit und durch praktische Aktivität – und nicht durch wohlmeinende Predigten von Sozialisten oder Kommunisten. Hier liegt u.a. der Fehler der Aufklärungsbemühungen vieler linker Gruppen, die zuweilen auch auf das bürgerliche Parlament setzen um ihre Weisheiten zu verkünden. Die Ergebnisse derartiger Aktivitäten fallen in der Regel äußerst bescheiden aus. Das ist auch alles andere als überraschend, da Arbeiter beim bürgerlichen Wahlakt von ihren Kollegen isoliert als Individuen vor der Wahlurne stehen. Sie stehen unter dem Druck ihrer alltäglichen unmittelbaren Probleme und sie haben nur die Wahl zwischen drei oder vier aussichtsreichen Kandidaten, die für verschiedene kapitalistische Glücksversprechen stehen. Die Beteiligung am Wahlspektakel kann nur dazu führen Illusionen in die bürgerliche Demokratie zu schüren. Vor allem aber verstellt sie den Blick darauf, dass nur in einer praktischen gesellschaftlichen Bewegung die bürgerliche Ideologie aufgebrochen und die Perspektive des Kommunismus auf die Tagesordnung gesetzt werden kann.
Die Russische Revolution: Eine wichtige Lehre aber kein Modell für die Zukunft
Es ist fürchterlich naiv die Oktoberrevolution als Erfolgsmodell für die Zukunft abzufeiern, wie viele stalinistische und trotzkistische Gruppen das tun und sich dabei noch als die einzig wahren Nachfolger der Bolschewiki auszugeben. Eine neue revolutionäre Bewegung wird sich unter gänzlich anderen Vorzeichen und unter vollkommen anderen Bedingungen entwickeln müssen. Gleichwohl war die Oktoberrevolution eine wichtige Erfahrung, aus der es heute ernsthafte Lehren zu ziehen gilt. Es war das erste Mal, dass das Proletariat die kapitalistische Ordnung grundlegend infrage stellte. Die öfter geäußerte Behauptung, dass es sich bei der Russischen Revolution lediglich um einen Putsch der Bolschewiki gehandelt habe, hält den historischen Fakten nicht stand. Die Bolschewiki verwehrten sich vehement gegen voluntaristische und putschistische Taktiken der schnellen Machteroberung. Stattdessen legten sie den Schwerpunkt darauf, unablässig für den Sturz der provisorischen Regierung zu agitieren, und in den Räten und Massenversammlungen, um eine Mehrheit für ihre Position zu kämpfen.
Der sog. „Rote Oktober“ wäre ohne die Verankerung und den Einfluss, den die Bolschewiki zu diesem Zeitpunkt in der Arbeiterklasse hatten, gar nicht denkbar gewesen. Ebenso hatten die Bolschewiki niemals die Absicht den Sozialismus in Russland allein aufzubauen. Vielmehr betonten sie unablässig, dass die russische Revolution nur ein Schritt einer weltweiten sozialistischen Revolution sei. Der Erste Weltkrieg hatte international zu einer Welle des Aufruhrs geführt. 1917 gab es Aufstände in Italien, Streiks in Deutschland und England, sowie Meutereien in der französischen und britischen Armee. Dieser Prozess verdichtete sich zu einer weltweiten Klassenbewegung, die den Kapitalismus in seinen Grundfesten erschütterte. Das Scheitern der Russischen Revolution resultierte in erster Linie aus den Niederlagen dieser weltweiten Klassenbewegung. Das Problem der Bolschewiki bestand darin, dass sie im Zuge der Isolation der Revolution zunehmend mit dem russischen Staatsapparat verwoben wurden, einem Staat der sich immer mehr vom Anspruch ein revolutionäres, bzw. proletarisches Regime zu sein verabschiedete.
Die Räte spielten als Organe der Arbeitermacht faktisch keine Rolle mehr, während der Terror der Geheimpolizei Tscheka sich immer mehr gegen das Proletariat richtete. Lenin war sich der Gefahr der Absorbierung der Kommunisten in den Staatsapparat und der grassierenden Bürokratisierung durchaus bewusst: „Es mangelt der Schicht von Kommunisten, die leitende Funktionen in der Verwaltung ausüben an Kultur. Man nehme doch Moskau – die 4700 verantwortlichen Kommunisten – und dazu dieses bürokratische Ungestüm, diesen Haufen, wer leitet da und wer wird geleitetet. Ich bezweifle sehr, ob man sagen könnte, dass die Kommunisten diesen Haufen leiten. Um die Wahrheit zu sagen, nicht sie leiten, sondern sie werden geleitet.“ Angesichts dieses offenkundigen Dilemmas wurden große Hoffnungen in die Gründung der Kommunistischen Internationale gesetzt.
Das Fortschreiten der Konterrevolution innerhalb der UdSSR hatte jedoch auch zwangsläufig Auswirkungen auf die Politik der Kommunistischen Internationale, die sich mehr und mehr den außenpolitischen Interessen der Sowjetunion unterordnen musste. So war die Durchsetzung der Einheitsfrontpolitik mit der Sozialdemokratie alles andere als eine brillante Taktik, um die Kommunisten mit den Massen zu verschmelzen, sondern ein offenkundiges Manöver, welches die Komintern in den Augen klassenbewusster Arbeiter nur diskreditieren konnte. In dem Maße wie die russische Kommunistische Partei mit dem Staatsapparat verschmolz, hörte sie auf eine Avantgarde des internationalen Proletariats zu sein. Es war der italienische Linkskommunist Amadeo Bordiga, der während einer Komintern-Sitzung Stalin mit der Frage konfrontierte, warum in der Komintern nicht über die inneren Probleme der UdSSR diskutiert werden dürfe. Intuitiv hatte Bordiga hier ein grundlegendes Problem angesprochen. Die Kommunistische Partei muss eine Weltpartei mit einer internationalen Leitung sein. Es ist unwahrscheinlich, dass die Weltrevolution überall zum gleichen Zeitpunkt triumphieren wird. Die Aufgabe der Partei besteht nicht in der Verwaltung irgendeines proletarischen Vorpostens, sondern darin unablässig für die Ausweitung des internationalen revolutionären Prozesses zu arbeiten. Die Mitglieder der Partei werden in den Räten Verantwortung übernehmen, die Machtausübung obliegt jedoch den Organen der Klasse und nicht der Partei. Die kommunistische Partei muss einen internationalistischen Charakter und eine internationale Struktur haben. Die Arbeiterklasse hat kein Vaterland und gleiches gilt auch für die Organisation der Kommunisten. Eine revolutionäre Weltpartei ist kein Herrschaftsinstrument, sondern ein Mittel zur politischen Klärung und Verallgemeinerung des kommunistischen Programms: „Es gibt keine Möglichkeit für eine Befreiung der Arbeiterklasse oder der Errichtung einer neuen sozialen Ordnung, wenn dieses nicht aus dem Klassenkampf selber entspringt. Zu keiner Zeit und aus keinem Grund darf das Proletariat seine kämpferische Rolle aufgeben. Es darf seine historische Mission nicht an andere delegieren, oder seine Macht an andere übertragen – nicht einmal an seine eigene politische Partei.“ (Politische Plattform der Partito Comunista Internazionalista, 1952.)
Die Zickzacks der Trotzkisten
Wenn das Bewusstsein der Klasse noch nicht ausreichend entwickelt ist, kann es nicht auf künstlichem Wege geschaffen werden. Dies ist einer der wesentlichen Grundpositionen in der Tradition der Kommunistischen Linken. Diese steht im starken Kontrast zur trotzkistischen Tradition. Sie steht für das traurige Schicksal eines anfänglichen Revolutionärs, der uns eine Strömung untereinander konkurrierender Organisationen hinterlassen hat, die allesamt die übelsten Taktiken der Sozialdemokratie des 19. Jahrhunderts anwenden.
Kurz gesagt lassen sich die meisten Fehlannahmen der Trotzkisten bezüglich des Klassenbewusstseins und der revolutionären Organisation auf ihren nahezu unerschütterlichen Glauben zurückführen, dass Klassenbewusstsein auf künstlichen und voluntaristischen Wege durch eine „revolutionäre Minderheit“ erzeugt werden könne. Dies entspringt dem Erbe der degenerierenden Komintern, deren Politik die Trotzkisten zum Teil heute noch verteidigen. Trotzkis Bestreben in einer konterrevolutionären Periode Teil einer Massenbewegung zu sein führte zum sog. „Entrismus“, d.h. den Eintritt seiner Anhänger in die sozialdemokratischen Parteien. Denselben Parteien, die die Arbeiterklasse in die Hölle des imperialistischen Krieges gehetzt und einen nicht unerheblichen Anteil an der Unterdrückung der revolutionären Klassenbewegung gespielt hatten.
Dieser Versuch durch das Verschweigen und Verstecken des eigenen Programms Teil einer größeren Bewegung zu werden scheiterte kläglich. Nicht nur die Analyse, sondern auch die trotzkistische Kritik des Stalinismus steht auf äußerst wackligen Boden. Mit Stalin waren sie in den 20er Jahren der gleichen Meinung, dass die Partei und nicht die Klasse als Motor einer sozialistischen Transformation dienen könne. Trotzki selber führte diese Position sogar ins Absurde indem er behauptete, dass man nicht gegen die eigene Partei Recht behalten könne. Damit spielte er nicht nur dem stalinistischen Apparat in die Hände, sondern entfernte sich auch von Lenins Methode, der bis in seine letzten Lebensjahre zumindest versucht hatte Fehler der Partei aufzudecken, zu benennen und zu korrigieren. Trotzkis Glauben, dass es in den 30er Jahren möglich war Massenparteien aufzubauen, führte ihn dazu andere kommunistische Gruppen die sich in Opposition zum Stalinismus befanden zu ignorieren ( Darunter unsere politischen Vorläufer der Fraktion der Kommunistischen Linken).
Er konnte nicht akzeptieren, dass der Weg zur Wiederbelebung einer Klassenbewegung ein äußerst langwieriger sein würde, und dass die wichtigste Aufgabe in diesem Prozess der Aufbau einer neuen proletarischen Organisation sei, die sowohl die positiven wie die negativen Aspekte der Russischen Revolution in Betracht zog. Er war in den 20er Jahren zu sehr in den Aufbau des russischen Staatsapparats verstrickt, um hierbei einen konstruktiven Beitrag zu leisten. Heute wird die chronische Unfähigkeit ein kommunistisches Programm zu verteidigen in der politischen Praxis der diversen trotzkistischen Gruppen offenbar. Ihre opportunistischen Manöver und Bündnisse mit Sozialdemokraten, Islamisten, Nationalisten und anderen bürgerlichen Kräften zeigen einmal mehr, wieweit sich diese Strömung von der marxistischen Perspektive der Befreiung des Proletariats verabschiedet hat.
Die Kommunistische Linke
Die historische Sackgasse des Stalinismus hat uns ein schweres Erbe hinterlassen. Es hängt wie ein Mühlstein um den Hals eines jeden Revolutionärs, der die Frage einer neuen Gesellschaft aufwirft, die die Menschheit von der Ausbeutung und Unterdrückung des Kapitalismus befreit. Die Art und Weise wie die bolschewistische Partei mit dem Proletariat in Gegensatz geriet und letztendlich ein neues staatskapitalistisches Regime errichtete, macht es heute für viele Kommunisten nicht leicht die Notwendigkeit einer neuen revolutionären Partei auch nur zu erwähnen. Gleichwohl ist es an der Zeit sich von oberflächlichen Betrachtungsweisen freizumachen und zu verstehen, dass die Funken revolutionären Bewusstseins die unter kapitalistischen Bedingungen entstehen nur in einem organisatorischen und politischen Rahmen Gestalt annehmen können.
Es gibt keine andere Möglichkeit es sei denn man gibt sich dem defätistischen Optimismus derjenigen (z.B. der Rätekommunisten) hin, die argumentieren, dass durch Spontaneität alles möglich sei. Die Geschichte hat diese Sichtweise mehrfach widerlegt. Während der berühmten „Roten Jahre“ (1919-1920) in Italien gelang es den spontanen Kämpfen der Klasse bspw. nicht den Staat ernsthaft herauszufordern und ein sozialistisches Bewusstsein zu verallgemeinern. Vielmehr fiel die Bewegung in die verheerende Ideologie der Selbstverwaltung (unter kapitalistischen Bedingungen) zurück, was ihre Niederlage letztendlich besiegelte. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt über den Prozess einer zukünftigen Revolution zu reden erscheint notgedrungen etwas abstrakt. Die globale Krise hat noch nicht die Reaktionen der Klasse hervorgerufen, die einige vielleicht erwartetet hätten. Das Entstehen von Klassenbewusstsein ist jedoch keine pure Reflexreaktion. Es setzt materielle Faktoren sowie die Reflexion über die Gründe dieser Faktoren voraus. In den letzten 30 Jahren hat es die herrschende Klasse geschafft die Industrielandschaft in den Kernländern grundlegend umzustrukturieren, während in den Ländern der Peripherie regelrechte Tretmühlen verschärfter Ausbeutung errichtet wurden(z.B. die sog. Maquiladoras) Derartige Spaltungslinien in der Klasse erschweren natürlich ihre Konstituierung als globaler revolutionärer Widersacher gegen das System.
Die Klasse war jedoch schon immer gespalten. Entgegen den Vorhersagen vorgeblicher Revolutionäre die sie deshalb als revolutionäres Subjekt abschreiben, hat sie es jedoch immer wieder geschafft das System herauszufordern. Die Kommunistische Linke hat sich stets bemüht die Ausgangsbedingungen und Perspektiven einer Wiederbelebung der Klassenkämpfe zu analysieren und zu verstehen. Mit dem Ende des Nachkriegsbooms Ende der 60er Anfang der 70er Jahre wurden die Ideen der Kommunistischen Linken wieder mit neuem Leben gefüllt. Neue kommunistische Gruppen entstanden, die ein schwaches, aber dennoch reales Wachstum verzeichnen konnten. Ein Ausdruck dieses Prozesses war die Organisation der internationalen Konferenzen der Kommunistischen Linken, die jedoch zu einem Zeitpunkt stattfanden, wo die Ende der 60er Jahre ausgebrochene Welle von Klassenkämpfen ihren Zenit bereits überschritten hatten. Dies spiegelte sich auch in den Diskussionen der Konferenzen wieder. Es gab wenige konkrete Kämpfe die einen Impetus für die Diskussion geben konnten, was letztendlich auch wesentlich zum Scheitern dieser Initiative beitrug. Ein Meinungsunterschied, der während der Konferenzen und darüber hinaus zutage trat, war die Frage der revolutionären Organisation und das Klassenbewusstsein. In den drei Konferenzen konnte in dieser Frage keine Einigung erzielt werden und die Diskussionen liefen zunehmend ins Leere. Einige zeigten sich angesichts eines solchen angeblich kleinlichen „Gezänks“ zwischen Revolutionären enttäuscht. Aber eine solche Haltung unterschätzte die Notwendigkeit von Debatten. Ohne scharfe Debatte wird keine Klärung möglich sein, die es uns ermöglicht ein tragfähiges Programm zur Überwindung des Kapitalismus zu entwickeln. Angesichts eines immer noch relativ niedrigen Niveaus der Klassenauseinandersetzung sind die Spielräume für revolutionäre Aktivität derzeit begrenzt.
Das bedeutet nicht, dass Revolutionäre mit verschränkten Armen auf den großen Tag X warten sollten. Diesen großen Tag X wird es nie geben, wenn diejenigen die sich heute als Kommunisten begreifen nicht da, wo immer dies möglich ist, für einen revolutionäre Perspektive kämpfen. Eine neue revolutionäre Weltpartei muss schon vor einem revolutionären Ausbruch konkrete organisatorische Formen angenommen haben. Deswegen sehen es die Gruppen der Internationalistischen Kommunistischen Tendenz (IKT) als ihre Aufgabe an, in dieser Hinsicht einen Beitrag zu leisten. Wie wir immer wieder wiederholen, behaupten wir nicht die Partei zu sein noch sehen wir uns als den einzigen Kern oder Nukleus einer zukünftigen Weltpartei. Stattdessen versuchen wir als Bezugspunkt für all jene zu fungieren, die an einer kommunistischen Alternative zum kapitalistischen System arbeiten. All jene, die die Notwenigkeit einer revolutionären Partei bestreiten, und der Perspektive der Umgruppierung er Revolutionäre in einer neuen internationalistischen Organisation ablehnend gegenüberstehen, tragen nach unser Meinung nicht unerheblich dazu bei, die Dominanz der bürgerlichen Ideologie über die Klasse zu zementieren.
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