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Startseite ›Verstaatlichungen sind kein Sozialismus!
Ein Gespenst geht um in der heutigen Welt, das Gespenst des „Sozialismus“. Kommentatoren der Linken wie der Rechten, reaktionärer oder auch reformistischer Couleur sind sich darin einig, dass „nach drei Jahrzehnten in der Wildnis, der Sozialismus zurück sei“. In der Wochenzeitschrift „The Economist“ vom 14 Februar 2019 heißt es: „51% der Amerikaner im Alter von 18-29 Jahre haben ein positives Bild vom Sozialismus. In den Primaries von 2016 haben mehr Jugendliche für Bernie Sanders gestimmt, als für Hillary Clinton und Donald Trump zusammen. Fast ein Drittel der französischen Wähler unter 25 haben für den harten linken Kandidaten (gemeint war Jean-Luc Melenchon) gestimmt.“ In Großbritannien hat die Unterstützung für Jeremy Corbyn der Post-Blair Labour Party im April 2018 540 000 neue Mitglieder zugeführt, mehr als alle für die Wahlen registrierten Parteien zusammen.
In den USA hat die Wahl Trumps viele Jugendliche dazu veranlasst sich für parlamentarische Politik zu interessieren. Die „Democratic Socialists of America“(DSA), einst eine unbedeutende Pressure-Group der Demokratischen Partei, die in der Vergangenheit Leute wie Walter Mondale, Jesse Jackson, John Kerry, Barack Obama und natürlich Bernie Sanders unterstützte, verbuchen einen rasanten Mitgliedszuwachs von 50 000 Neueintritten. Im November 2018 errangen sie einen spektakulären Erfolg als zwei DSA Mitglieder, Alexandria Ocasio-Cortez (alias AOC) und Rashida Tlaib ins Repräsentantenhaus gewählt wurden. Angesichts der ungeheuerlichen Obszönitäten eines verfaulenden kapitalistischen Systems empören sich junge Menschen zurecht über die allgegenwärtige soziale Ungleichheit.
Wie in den letzten Jahrhunderten des Römischen Reiches oder den letzten Jahren des Ancien Regimes im 18. Jahrhundert in Frankreich ist die Gier der Plutokraten absolut schamlos geworden. Die neue Generation kann zudem sehen, dass das kapitalistische System mit seiner rastlosen Suche nach Profit unser aller Zukunft zerstört. Die Jahre der Kürzungspolitik haben, Steuererleichterung für die Reichen und den Abbau von Sozialleistungen für die Armen gebracht. Das alles war in den letzten 40 Jahren von einem kontinuierlichen Sinken der Einkommen der Arbeiterklasse begleitet. Die Jugendlichen erkennen, dass dieses System zum Himmel stinkt und die angebliche demokratische kapitalistische Wirtschaft lediglich den Interessen einiger weniger dient.
Diese Kritik ist nur zu begrüßen. Doch wenn wir uns genauer das sog. „Gespenst des Sozialismus“ anschauen, für dass sie sich begeistern, entpuppt sich alles als Mythos. Ocasio-Cortez von der DSA hat bereits erklärt, dass sie keine Unvereinbarkeit zwischen ihrem „demokratischen Sozialismus“ und dem Kapitalismus sieht. Ihre „Democratic Socialist of America“ sind alles andere als eine antikapitalistische Organisation. Stattdessen kämpfen sie nach eigenem Bekunden „heute für Reformen, die die Macht der Unternehmen schwächen und die Macht der arbeitenden Menschen stärken sollen.“
Ebenso verhält es sich mit Corbyns Labour Party. Sie wettert gerne über die Globalisierung und die Großunternehmen aber nicht über die Kleinunternehmer. Corbyns Schattenkanzler, McDonnell, hat bereits verkündet, dass der die Sparpolitik nicht beenden will. Stattdessen tritt er dafür ein, dass Arbeiterinnen und Arbeiter in den Vorständen großer Unternehmen einen Sitz erhalten. Das ist nicht mehr und nicht weniger als ein Programm um Arbeiterinnen und Arbeiter in die Verwaltung ihrer eignen Ausbeutung zu integrieren. Was diese neuen „Sozialisten“ im Sinn haben, ist kein Antikapitalismus, sondern ein angeblich „gerechterer“ Kapitalismus. Ein Kapitalismus, der für die Arbeiter erträglicher sein soll, damit sie das Ausbeutersystem auch weiterhin hinnehmen. Diese Konzeption ist ein Rückfall in die Zeit der alten Sozialdemokratie vor dem Ersten Weltkrieg, die jede Verstaatlichung als Schritt in Richtung einer sozialistischen Gesellschaft betrachtete. Wir wissen heute, dass dies ein Trugschluss war. Diese Vorstellung führte zu zwei Resultaten, die mitnichten der ArbeiterInnenklasse zugutekamen: Das offensichtlichste war das staatskapitalistische Monstrum des Stalinismus, (das für Etatisten wie Trotzki aber auch unsere heutigen Reaktionäre trotz aller Widersprüche und Entartungen im Grunde „sozialistisch“ war.) Das zweite Resultat war der „demokratische Sozialismus“ in der Lesart der Labour Party (oder auch der hiesigen _„Links“_partei).
In Zeiten der sozialen und wirtschaftlichen Krise an die Macht gekommen, verewigten sie den Mythos, dass das kapitalistische System im Interesse der ArbeiterInnenklasse reformiert werden könne. Diese Sozialdemokratie verlor allmählich ihre reformistischen Spielräume, als die sog. „Globalisierung“ zum Verlust von Industriearbeitsplätzen in den kapitalistischen Zentren führte. Der sog. „Dritte Weg“ endete in der Sackgasse der Spekulationsblasen und der Gig-Economy. Heute halten die Anhänger von Corbyn und Ocasio-Cortez immer noch an der alten und überkommenen Ideologie fest, dass es einen parlamentarischen Weg gäbe, um den Kapitalismus im Interesse der ArbeiterInnenklasse zu reformieren. Doch selbst diese Agenda ist utopisch, da die Kapitalisten auf keinen Fall zulassen werden, dass ihre Profite beschnitten werden. Im aller besten Falle werden sie einige kleine Zugeständnisse machen, die das Leben einiger kurzfristig etwas erträglicher machen.
Viele in der neuen Generation scheinen zu glauben, dass dieser Reformismus und Parlamentarismus immer noch unterstützenswert seien. Doch es gibt auch diejenigen, die meinen durch die Unterstützung von Labour oder den DSA eine revolutionäre Agenda voranzutreiben. Dies ist ein schwerer Fehler, der ein mangelndes Verständnis des Sozialismus offenbart, dem sicher auch mangelndes Vertrauen in die Fähigkeit der ArbeiterInnenklasse zugrunde liegt, eigenständig für ihre Interessen zu kämpfen. Marx argumentierte nicht für einen „gerechteren“ Kapitalismus. Er kritisierte die Gewerkschaften dafür, dass sie lediglich für einen „gerechten Lohn“ eintraten, anstatt sich die Überwindung des Lohnsystems auf die Fahne zu schreiben. Er hatte ebenso verstanden, dass der Sozialismus nicht von einer passiven ArbeiterInnenklasse erreicht werden könne, die lediglich eine richtige Regierung wählen müsse, die dann einen paternalistischen Staat dazu nutzen würde, die richtigen Gesetze zu erlassen. Ein Ausweg aus dem Kapitalismus ist nur durch “eine massenhafte Veränderung der Menschen nötig ist, die nur in einer praktischen Bewegung, in einer Revolution vor sich gehen kann.“ Die Revolution ist also nicht nur nötig, „weil die herrschende Klasse auf keine andere Weise gestürzt werden kann, sondern auch weil die stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten Dreck vom Halse zu schaffen und zu einer neuen Begründung der Gesellschaft befähigt zu werden.“
Nur durch die Selbstaktivität von Millionen Arbeiterinnen und Arbeitern auf der Welt, wird eine andere Gesellschaft möglich sein, die Klassen, Geld, Staaten und Ausbeutung abschafft. In einer solchen „Assoziation der Freien und Gleichen“ werden die Menschen ihr gesellschaftliche Zusammenleben in Kommunen, Räten und Kooperativen nach dem Grundsatz organisieren: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“ Dies wird nicht von heute auf morgen möglich sein. Es bedarf der Entwicklung einer politischen Bewegung der kommunistischen Minderheit, die in den breiteren Klassenbewegung für ein Programm zur Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft kämpft. Der reformistische Weg ist nicht nur einfach falsch. Er bringt die viel größere Gefahr mit sich, ein System am Leben zu erhalten, welches dringend überwunden werden muss. Jeder Tag, an dem dieses System mit seinen Kriegen und Umweltkatastrophen weiterbesteht, bedroht das Überleben der gesamten Menschheit. Und es ist diese Gefahr, die endgültig überwunden werden muss. (Jock)
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