West Virginia: Ist der Streik der LehrerInnen ausverkauft?

Mittels eines automatisierten Telefonanrufs und dem Versprechen einer Lohnerhöhung von 5 Prozent wurden die Streikaktivitäten der Lehrerinnen und Lehrer und anderer Beschäftigter der öffentlichen Schulen von den Gewerkschaften beendet. Den Gewerkschaften gelang es im ersten Versuch nicht die Lehrerinnen und Lehrer zu Wiederaufnahme der Arbeit zu bewegen, was ein weiteres in Hinterzimmergesprächen ausgehandeltes Angebot notwendig machte. Der Ausbruch eines weiteren Streiks der Beschäftigen des Telekommunikationsunternehmens Frontier gab dem Bundesstaat Virginia einen zusätzlichen Anstoß möglichst rasch einen Deal abzuschließen. Damit niemand unnötige Fragen stellen konnte wurde der Streik schließlich per „Robocall“ beendet. Der Streik ging nicht von den Gewerkschaften aus, sondern wurde maßgeblich von den Beschäftigten der öffentlichen Schulen selbst initiiert, weswegen die Gewerkschaften sehr darauf bedacht waren, ihn im Keim zu ersticken. Doch ohne eine Organisation die alle Arbeiterinnen und Arbeiter repräsentiert und als von der Gewerkschaft unabhängiger Pol fungieren kann, ist die Erstickung des Kampfes durch die Gewerkschaften und Kapitalisten letztendlich unvermeidlich. Immerhin mag dies vielleicht ein etwas besseres Ergebnis des Streiks sein, als das was den Lehrerinnen und Lehrern in Nova Scotia wiederfuhr. Dort kapitulierten die Vorstände der örtlichen Gewerkschaftsgliederungen unmittelbar nach der Urabstimmung, so dass der Streik erst gar nicht stattfand.

Ob die Streikenden in West Virginia überhaupt ihre Lohnerhöhung bekommen, steht in den Sternen, da keine vertragliche Vereinbarung ausgehandelt wurde, sondern lediglich ein vages Versprechen abgegeben wurde. Die zentrale Forderung, dass der Staat voll für die Krankenversicherung aufkommen soll, blieb unerfüllt. Die Beschäftigten der Schulen werden nach wie vor hunderte Dollar für ihre Versicherungen zahlen müssen. Diese Kosten steigen ständig an und führen zu einer kontinuierlichen Kürzung des Nettoverdienstes. Viele Linke, die sich an den vorherrschenden Ideen der bürgerlichen Presse orientieren, glauben dass all dies an einen Sieg erinnert. Doch faktisch ist es eher eine vorübergehende Pause als ein echter Gewinn. Doch jetzt wo die Lehrerinnen und Lehrer aus eigenen Antrieb einmal die Arbeit niedergelegt haben, können sie es wieder tun. Beschäftigte in anderen Schulbezirken im ganzen Land können durch diesen Streik ermutigt werden, selbst aktiv zu werden.

Der Staat wird, in dem für Kapitalisten typischen rachsüchtigen Geist sicherstellen, dass etwaige Lohnerhöhung durch Kürzungen der Medicaid und anderer staatlicher Programme für die Armen finanziert wird. Das zentrale Ziel der herrschenden Klasse besteht darin, die Lehrerinnen und Lehrer als gierig darzustellen, um von der weit verbreiteten öffentlichen Unterstützung, die sie bekommen haben, abzulenken. Darüber hinaus könnte der von den Lehrergewerkschaften vereinbarte Deal dazu genutzt werden, eine Runde von Entlassungen von Lehrkräften, Schulschließungen und Privatisierungen einzuleiten.

Die gesamte Perspektive des Gewerkschaftsapparats ist in der Erklärung der Verteidigung im Verfahren Janus VS AFSCME1 vor dem Obersten Gerichtshof klar zusammengefasst (bei dem es um die Verfassungsmäßigkeit von verpflichtenden Gebührenzahlungen an die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ging, Anmerk. GIS). Hier argumentierte David Frederick, der den AFSCME Council 31 in Illinois als Anwalt vertrat: „Der Schlüssel, der in diesem Vertrag für Vermittlungsgebühren ausgehandelt wurde, ist eine Begrenzung der Streiks. Und das gilt für viele Tarifverträge. Die Gebühren sind eine Gegenleistung. Die Absicherung der Gewerkschaften ist die Gewähr, dass es keine Streiks gibt. Und wenn man das Abood v. Detroit Board2 außer Kraft setzt, kann es im ganzen Land ein ungeahntes Gespenst von Arbeitsunruhen auferstehen lassen. „3

Auf den Punkt gebracht lautet die Message der Gewerkschaften: Lasst uns in Ruhe und wir werden den Frieden bewahren. Es gibt einen starken Kontrast zwischen der Fähigkeit, einen Streik dieser Größe auf die Beine zu stellen und der Tatsache, dass mittels eines automatisierten Telefonanrufs und einem vagen Versprechen zur Wiederaufnahme der Arbeit aufgerufen werden konnte. Dies veranschaulicht sowohl die Stärken als auch die Grenzen des Bewusstseinslevels in diesen Kämpfen. Wenn es Arbeiterinnen und Arbeitern gelingt aus eigener Kraft zu streiken, können sie auch die Kraft entwickeln unabhängig von den Gewerkschaften und den verfeindeten Clans der Bourgeoisie eine ArbeiterInnenversammlung oder ein Streikkomitee zu bilden. Das „unsägliche Gespenst der Arbeiterunruhen“ ist immer noch eine Angst für die Bourgeoisie sonst hätte sie überhaupt kein Angebot gemacht. Die Unfähigkeit der Gewerkschaften, die ständige Erosion der Löhne, der Arbeitsbedingungen und des allgemeinen Lebensstandards zu verhindern, kann die Arbeiterinnen und Arbeiter nur ermutigen, sich stärker selbst zu organisieren.

ASm

Internationalist Workers Group, USA

1) Mit 1,6 Millionen Mitgliedern ist die AFSCME die größte Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes in den USA.

2) Das Abood v. Detroit Board ist eine rechtliche Vereinbarung, welches das Union Shop- Prinzip für die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes festschreibt. Nichtgewerkschaftsmitglieder müssen demnach in einem bestimmten Zeitraum Mitglied der Gewerkschaft werden oder einen obligatorischen Beitrag zahlen.

3) supremecourt.gov

Tuesday, March 20, 2018