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Startseite ›Die Bedeutung der Russischen Revolution heute
Die Herrschenden wollen uns weismachen, dass die Russische Revolution unweigerlich in die brutale Diktatur Stalins führen musste, durch die Millionen Menschen ums Leben kamen. Doch die Schrecken des Stalinismus können nicht den Blick auf die Tatsache verstellen, dass sich 1917 zum ersten und bisher einzigen Mal die ArbeiterInnenklasse in einem imperialistischen Land erhob und die Bourgeoisie stürzte. Deshalb bleibt die Russische Revolution auch 100 Jahre später ein wichtiger politischer Bezugspunkt.
Der Kampf für die Sowjetmacht
Im Februar 1917 gingen in Petrograd streikende Arbeiterinnen und Arbeiter massenhaft auf die Straße. Sie demonstrierten gegen den Krieg, den Hunger und ein Ende des zaristischen Regimes. Hunderte starben als die Armee das Feuer auf die Demonstrationen eröffnete, um die Bewegung niederzuschlagen. Doch der Mut und die Entschlossenheit der ArbeiterInnenklasse setzte sich letztendlich durch. Innerhalb weniger Tage entwickelten sich die Streiks und Demonstrationen zu einem bewaffneten Aufstand. Bürgerliche Historiker versuchen den Februar 1917 als „demokratische Revolution“ darzustellen, die dann im Oktober durch den „Putsch der Bolschewiki“ unterminiert und zunichtegemacht wurde. Die ist eine komplette Lüge. Als sich abzeichnete, dass die spontane Massenbewegung nicht mehr mit Gewalt und Repression zu unterdrücken war, verkündeten Mitglieder der zaristischen Duma die Einrichtung einer Provisorischen Regierung. Sie hofften so die Bewegung in geordnete Bahnen lenken und ihr die Spitze nehmen zu können. Doch die ArbeiterInnenklasse hatte bereits eine Alternative zu den Vertretungsformen des bürgerlichen Parlaments hervorgebracht: Die Räte, oder Sowjets. Diese Organe proletarischer Selbstorganisation hatten sich bereits in der Revolution von 1905 spontan gebildet. Die Sowjets basierten auf dem Prinzip der direkten Demokratie, der jederzeitigen Wähl-und Abwählbarkeit der Delegierten. Doch im März 1917, als die revolutionären Teile der Klasse auf der Straße waren, wurden die ersten Sowjets vorwiegend von den Menschewiki und der Partei der Sozialrevolutionäre kontrolliert, die die Herrschaft der Kapitalisten und Landbesitzer nicht grundlegend infrage stellten. Obwohl die eigentliche Macht faktisch bei den Räten lag, ließen es diese Parteien zu, dass die Provisorische Regierung die Revolution eindämmte. Die Provisorische Regierung wurde von der ArbeiterInnenklasse jedoch niemals wirklich akzeptiert. Sie führte den Krieg unbeirrt weiter fort (weil die bürgerlichen Kräfte auf den Sieg drängten) was zur Folge hatte, dass sich die Lebensbedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter weiter verschlechterten. Mehr und mehr wandten diese sich nun der Partei der Bolschewiki zu, die die unmittelbaren Belange der Klasse in den Losungen „Alle Macht den Räten!“ und „Brot, Frieden und Land“ auf den Punkt brachte. Die Bolschewiki waren zwar in der ArbeiterInnenklasse in vielen Städten in ganz Russland verankert, allerdings hatten sie Anfang 1917 aufgrund der harten Repression gegen ihre AktivistInnen nur um die 8000 Mitglieder. Im Herbst 1917 konnten sich die Bolschewiki auf 300 000 Mitglieder steigern, allerdings stellten sie in vielen Räten noch lange nicht die Mehrheit. Dennoch ist es grundfalsch den Oktober 1917 als konspirative Verschwörung einer kleinen radikalen Minderheit darzustellen. Dass die Bolschewiki in der Klasse mehr und mehr an Einfluss gewannen und die Speerspitze des nächsten Aufstands sein würden, wurde in der Presse offen ausgesprochen und diskutiert. Gleichzeitig wusste jeder welches Spiel die Provisorische Regierung spielte. Als der Ministerpräsident der Provisorischen Regierung, Kerenski, versuchte die Presse der Bolschewiki zu verbieten und die Brücken zwischen den Arbeitervierteln und dem Stadtzentrum zu schließen, wuchs die Spannung spürbar an. Durch die Initiative der kämpferischsten Teile der Klasse wurde Kerenskis Vorhaben schließlich vereitelt. Für das Revolutionäre Militärkomitee der Petrograder Sowjets war dieser Vorstoß das Signal zur Tat zu schreiten. Ohne auf nennenswerten Widerstand zu treffen, besetzten sie die wichtigsten Gebäude und Knotenpunkte der Stadt. Am nächsten Tag beschloss der Zweite Allrussische Kongress der Sowjets mit überwältigender Mehrheit den Sturz der Provisorischen Regierung und die Errichtung der Rätemacht. Dieser Beschluss wurde nicht nur von den Delegierten der Bolschewiki getragen, sondern auch von einigen Anarchisten, Linken Sozialrevolutionären sowie parteilosen Delegierten.
Erste Errungenschaften
Die Revolutionäre wussten, dass die Arbeitermacht in Russland ohne eine weltweite Revolution nicht überleben könnte und der Aufbau des Sozialismus in einem Land unmöglich war. Dennoch unternahmen sie erste Schritte in diese Richtung. Die neue Regierung verkündete, dass Russland den Krieg beenden würde. Sie legalisierte die Landbesetzungen und die Arbeiterkontrolle in den Fabriken. Amtsträger und Funktionäre erhielten nur einen durchschnittlichen Facharbeiterlohn. Es wurden Gesetze erlassen, die die gleiche Bezahlung von Frauen, das Recht auf Scheidung, die Legalisierung von Abtreibung und die Gleichstellung von Kindern unverheirateter Paare garantierten. Die reaktionären Gesetze des Zarenregimes wurden aufgehoben und Homosexualität legalisiert. Die Trennung von Staat und Kirche wurde durchgesetzt, die Religionsfreiheit garantiert und die antisemitischen Verordnungen und Ausnahmegesetzte gegen Juden aufgehoben. Weitere soziale Errungenschaften waren das Recht auf kostenlosen Zugang zu Bildungseinrichtungen (in Verbindung mit einer großen Alphabetisierungskampagne), Entbindungskliniken und Kindergärten. Überall in Russland bildeten sich kommunale Organisationen, die sich im gesellschaftlichen Leben engagierten. All dies entwickelte sich in den ersten sechs Monaten nach der Revolution. Zu dieser Zeit wurde das Sowjetprinzip ausgeweitet. In ganz Russland entstanden 400 weitere Sowjets. Das Prinzip der unmittelbaren Abwählbarkeit von Delegierten wurde etabliert und vereinbart, dass die Kongresse der Sowjets alle drei Monate zusammentreten sollten. Zu diesem Zeitpunkt war den Bolschewiki (die sich wenig später in „Kommunistische Partei“ umbenannten) klar, dass die Partei die Revolution zwar politisch anführen, aber nicht alleine und stellvertretend für die Klasse durchführen könne. Oder wie es Lenin auf dem 7. Parteitag der Bolschewiki formulierte: „Den Sozialismus (…) kann nicht eine Minderheit – die Partei -einführen. Einführen können ihn Dutzende von Millionen, wenn sie lernen, das selbst zu tun.“
Der Niedergang der Revolution
In Russland auf sich allein gestellt, standen die Revolutionäre jedoch vor schwerwiegenden Problemen. Drei Jahre des Krieges hatten die Wirtschaft faktisch zum Erliegen gebracht. Die Missernten des Jahres 1917 hatten schwere Hungersnöte zufolge. „Es ist eine absolute Wahrheit, dass wir ohne die deutsche Revolution verloren sind“, erklärte Lenin im März 1918. Wenige Wochen später brachte er die verzweifelte Lage der russischen Revolutionäre folgendermaßen auf den Punkt: „Unsere Rückständigkeit hat uns vorwärtsgetrieben, und wir werden untergehen, wenn wir uns nicht so lange zu behaupten verstehen, bis wir eine mächtige Unterstützung durch die aufständischen Arbeiter anderer Länder erhalten.“ Infolge der Niederschlagung der proletarischen Aufstände in Deutschland und anderen europäischen Ländern blieb diese erhoffte Unterstützung aus. Die Probleme die Revolution auszuweiten und weitere Schritte in Richtung Weltrevolution zu gehen, führten letztendlich auch zum Scheitern der Russischen Revolution. Doch dies erklärt nicht gänzlich das Scheitern der politischen Methoden in Russland, weswegen wir uns auch eingehender mit den Fehlern der Bolschewiki auseinandersetzen müssen. Der erste Fehler bestand darin, dass mit dem „Rat der Volkskommissare“ ein Regierungsorgan eingerichtet wurde, welches nicht direkt gewählt, sondern an die Beschlüsse des Exekutivkomitees der Sowjets gebunden war. Diese Regierungsorgane wurden jedoch ab dem Juni 1918 von einer einzigen Partei dominiert, was das Abgleiten in eine Parteidiktatur letztendlich beförderte. Allerdings können die Bolschewiki dafür nicht alleine verantwortlich gemacht werden. Der Umstand, dass andere Partien (wie bspw. die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre) die Rätemacht in einer Situation des offenen Bürgerkriegs ablehnten und bekämpften, trug nicht unwesentlich dazu bei, dass die Strukturen der Sowjets mehr und mehr mit der bolschewistischen Partei verschmolzen. Der Bürgerkrieg und die Invasion Russlands durch 14 ausländische konterrevolutionäre Armeen, die den reaktionären Kräften der Weißen zu Hilfe eilten, verschärfte die Probleme zusätzlich. Statt einer Arbeitermiliz wurde eine Rote Armee ins Leben gerufen. Die revolutionären Tribunale der Sowjets wurden durch die Geheimpolizei „Tscheka“ ersetzt. Die Todesstrafe, die unmittelbar nach der Revolution abgeschafft worden war, wurde wiedereingeführt und maßgeblich von der „Tscheka“ vollstreckt, die ihre eigenen Regeln und Gesetze schaffte. Auf der Suche nach Nahrung flohen Millionen hungernde Menschen in die Städte. Viele Arbeiter traten der Roten Armee bei, die einen verzweifelten und verlustreichen Krieg gegen die Truppen der Weißen führen musste. Dadurch verloren die Bolschewiki immer mehr ihre Verankerung in der ArbeiterInnenklasse. Um der vielfältigen Probleme Herr zu werden, übernahmen immer mehr bolschewistische Parteimitglieder Posten im Verwaltungsapparat, wodurch die Verbindungen mit der Klasse noch brüchiger wurden. Der durch die Erfordernisse des Bürgerkrieges noch zusätzlich verschärfte wirtschaftliche Zerfall unterminierte mehr und mehr den Enthusiasmus und die Selbstaktivität der ArbeiterInnenklasse. In den Fabriken gaben wieder bürgerliche Direktoren, sog. „Spezialisten“ („Spetsy“) den Ton an. Durch Einführung vom Methoden des Taylorismus wurde versucht, die Industrie wiederaufzubauen, die auf 10% der Wirtschaftskraft von 1913 zusammengebrochen war. Der Bürgerkrieg wurde zwar 1920 gewonnen, allerdings unter großen Opfern und zu einem hohen Preis. Im März 1921 machten drei Ereignisse unmissverständlich deutlich, dass der Weg zur Konterrevolution beschritten war. Die brutale Niederschlagung der Revolte in Kronstadt, die Einführung des Fraktionsverbots in der bolschewistischen Partei und die Einführung der „Neuen Ökonomischen Politik“ (NEP), die gezwungenermaßen Konzessionen an die Bauern machte, dadurch aber auch bürgerliche Schichten gegenüber dem Proletariat begünstigte, waren Indikatoren für die Herausbildung eines Parteistaates. All dies entwickelte sich zu einer neuen Form des Staatskapitalismus, der in den 30er Jahren die monströse Gestalt des Stalinismus annahm. Die Niederschlagung der Märzaktion in Deutschland verdeutlichte einmal mehr die Isolation der russischen ArbeiterInnenklasse. Wenig später ordnete die Komintern die Perspektive der Weltrevolution den Belangen der Außenpolitik des russischen Staates unter. Ab 1921 wurden Verträge, Abkommen und Bündnisse mit bürgerlichen Staaten wie bspw. Schweden, Großbritannien und Deutschland getroffen. 1934 trat die UdSSR dem Völkerbund bei, den Lenin einst als „Bündnis von Welträubern“ bezeichnet hatte. Die Erfahrungen der Russischen Revolution zeigen wozu eine selbsttätige revolutionäre Arbeiterklasse fähig ist, aber auch vor welchen Gefahren und Herausforderungen wir stehen. Sie ist ein Beispiel für die Notwendigkeit einer revolutionären Partei, die in der Lage ist, die ArbeiterInnenklasse zum Angriff auf den bürgerlichen Staat zu vereinen. Doch eine solche Partei ist alles andere als eine Regierung im Wartestand. Ihre Aufgabe ist und bleibt eine internationale, die Propagierung und das Vorantreiben der Weltrevolution. Die Errichtung einer neuen Gesellschaft ist hingegen eine Aufgabe der Klasse als Ganzes, auf der Grundlage ihrer eigenen Klassenorgane wie den Räten. Nur durch die Reflexion und das Verstehen ihrer Niederlagen wird die internationale ArbeiterInnenklasse fähig sein, die Perspektive ihres Sieges zu entwickeln: Die Errichtung einer staaten- und klassenlosen Gesellschaft, „einer Assoziation freier Produzenten“ auf der Grundlage des Prinzips „jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen“. Die Zukunft gehört der Rätemacht!
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