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Startseite ›Klassenkrieg in Kambodscha
Kurz vor Weihnachten traten in Kambodscha TextilarbeiterInnen für die Forderung nach einem monatlichen Mindestlohn von 160 Dollar in den Streik. Gegenwärtig beträgt der Mindestlohn ca. 80 Dollar. Zu Anfang des neuen Jahres nahmen allerdings einige ArbeiterInnen die Arbeit wieder auf, da sie zum Überleben dringend Geld brauchten. Doch das steigerte den Kampf der militantesten ArbeiterInnen, die massenhaft auf die Straßen gingen, um die Öffnung einer der Fabriken zu verhindern. Dies rief die Armee auf den Plan, die am 2. Januar eine von streikenden ArbeiterInnen besetzte Fabrik stürmte. Ferner setzte die Regierung die berüchtigte Eliteeinheit „Unit 911“ gegen die Streikenden ein. Doch die ArbeiterInnen wehrten sich unverdrossen mit Steinen, Molotow Cocktails und Stöcken gegen die Angriffe der Polizei. Dabei wurden nach Polizeiangaben 9 Polizisten verletzt. Dies war der Vorwand um das Feuer auf die streikenden ArbeiterInnen zu eröffnen und mindestens vier (die einschlägigen internationalen Medien sprechen von drei) ArbeiterInnen zu töten und Dutzende zu verletzen. Der Sprecher der Militärpolizei Kheng Tito rechtfertigte dieses Vorgehen mit den Worten:
Wenn wir zugelassen hätten, dass sie weiterstreiken, hätten wir die Anarchie.
In anderen Worten: Die ArbeiterInnen hatten die Herrschaft des kambodschanischen Staates infrage gestellt. In solchen Situationen hat der kambodschanische Staat nie lange gefackelt und schon öfter auf streikende Textilarbeiterinnen schießen lassen: Bereits im Februar 2012 wurden zwei ArbeiterInnen erschossen, im Mai 2013 wurde ein Arbeiter vor einer Fabrik der Firma „Puma“ getötet und im November 2013 wurde wiederum eine Textilarbeiterin erschossen.
Die Textilindustrie ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Kambodschas. 650 000 ArbeiterInnen malochen in über 500 Fabriken. Fast eine halbe Million ArbeiterInnen schuften für bekannte westliche Marken wie Gap, Nike, Nest, Uniqlo, H&M, Calvin Klein, Tommy Hilfinger etc. Sie erwirtschaften 80% des kambodschanischen Exports. Vor einigen Jahren wurde Kambodscha zum begehrten Investitionsziel westlicher Konzerne, da die Arbeitskosten um ein vielfaches geringer sind als in China. Gleichwohl sind sich die Herrschenden in Kambodscha den Herausforderungen der globalen Konkurrenz sehr wohl bewusst. In Bangladesch, einem Land mit einer noch größeren Textilindustrie, konnten die ArbeiterInnen nach Jahren harter Kämpfe lediglich einen monatlichen Mindestlohn von 68 Dollar durchsetzen. Zudem muss die kambodschanische Bekleidungsindustrie nahezu alle Stoffe aus China importieren. Angesichts dieses gnadenlosen Konkurrenzkampfes des globalen Kapitalismus hat das kambodschanische Regime als oberste Grenze lediglich eine Erhöhung des Mindestlohns auf 95 Dollar in Aussicht gestellt. Kambodscha ist eines der ärmsten Länder der Welt. Schätzungsweise 4 Millionen Menschen leben von weniger als 1.25 Dollar pro Tag. 37% der Kinder unter fünf Jahre leiden an chronischer Unterernährung. Die Mehrheit der Bevölkerung des Landes sind Kleinbauern. Doch als die Regierung dazu überging internationale Konzerne zu umwerben um die Vorkommen an Bauxit, Gold, Eisen und Edelsteinen abzubauen, wurden viele gewaltsam von ihrem Land vertrieben. Die Korruption grassiert überall. Die regierende “Volkspartei Kambodschas” ist seit 30 Jahren ununterbrochen an der Macht. Ihr Führer Hun Sen wurde als Herrscher eingesetzt, nachdem die Invasion Vietnams das blutige Regime der Roten Khmer, dem über eine Million Menschen zum Opfer gefallen waren, abgelöst hatte.
Um internationales Kapital anzuziehen, errichtete Hun Sen mehrere Sonderwirtschaftszonen und versprach den Investoren freie Hand, da die kambodschanischen ArbeiterInnen angeblich sehr gefügig seien. Diesem Versprechen haben die ArbeiterInnen nun einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Dennoch läuft die gegenwärtige Streikbewegung Gefahr von anderen Kräften, insbesondere der derzeitigen politischen Opposition vereinnahmt zu werden. Seit dem umstrittenen Wahlgang im Juli letzten Jahres demonstriert die oppositionelle „Nationale Rettungspartei“ täglich für die Annullierung des Wahlergebnisses. Sie wird dabei von den meisten der 6 offiziellen Gewerkschaften unterstützt, die auch in den jetzigen Streiks involviert sind und hat zudem versprochen nach einem erfolgreichen Sturz des Regimes von Hun Sen auf die Lohnforderungen der ArbeiterInnen einzugehen. Gleichzeitig tut die Regierung von Hun Sen alles um die politische Opposition als Unterstützer und Initiatoren der Streiks darzustellen. Einen Tag nachdem die vier ArbeiterInnen getötet wurden, stürmte die Polizei den sog. „Freiheitspark“ (ein Areal auf dem die Regierung seit 2010 legale Proteste duldet) und attackierte Mönche, Frauen und Kinder mit Eisenstangen. Alle Demonstrationen und öffentlichen Veranstaltungen wurden verboten und die Anführer der politischen Opposition als vermeintliche Drahtzieher der Streiks vor Gericht gestellt.
Wieder einmal wird die sog. „Demokratie“ als Lösung für die Nöte der kambodschanischen ArbeiterInnen ins Spiel gebracht. Älteren ArbeiterInnen im Westen wird dies bekannt vorkommen. Um an die Macht zu kommen macht jede bürgerliche Fraktion der ArbeiterInnenklasse allerlei Versprechen, die dann jedoch im Sinne des „Allgemeinwohls“ und der „nationalen Interessen“ schnell wieder vergessen sind. Angesichts der Tatsache, dass das kambodschanische Proletariat relativ jung ist (50% der Bevölkerung ist unter 25 Jahre) und über wenig Kampferfahrungen verfügt, ist es wahrscheinlich, dass sich die gegenwärtige Streikbewegung von der „demokratischen Agenda“ zumindest zeitweise binden lässt …
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