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Was sind die eigentlichen Trennungslinien zwischen Revolutionären?
Diskussionsbeitrag unserer britischen Schwesterorganisation CWO auf der Anarchist Bookfair 2013
Als wir eine Veranstaltung zum Thema “Marxismus und Anarchismus” vorschlugen und ankündigten, änderte jemand auf Facebook das Veranstaltungsthema in „Marxismus versus Anarchismus” um. Deshalb wollen wir vorweg klarstellen, dass es uns hier nicht um den wortgewaltigen Schlagabtausch der Vergangenheit geht, bei der eine Seite „Kronstadt“ mit „Barcelona“ kontert und umgekehrt. Wir wollen auch nicht auf die Hintergründe für die Spaltung in Marxismus und Anarchismus zur Zeit der Ersten Internationale eingehen (auch wenn das zuweilen wichtig und interessant sein mag). Nein, unser Ausgangspunkt ist die Lektüre der Broschüre „Fighting for Ourselves“, die von der „Solidarity Federation“ herausgebracht wurde, und die wir hier letztes Jahr mitgenommen haben. Wir werden später noch darauf eingehen. Vorab sei gesagt, dass uns besonders aufgefallen ist, dass die politische Entwicklung des Anarchismus bzw. Anarchosyndikalismus in gewisser Weise Parallelen mit der Entwicklung des Marxismus aufweist. Wir gehen also von der gleichen Prämisse aus wie Daniel Guerin:
Sowohl der Anarchismus als auch der Marxismus schöpfen anfangs aus derselben Quelle. Und unter dem Eindruck der neu entstandenen Arbeiterklasse legen beide dasselbe Endziel fest, d.h. den kapitalistischen Staat abzuschaffen, den sozialen Reichtum, die Produktionsmittel den Arbeitern selbst anzuvertrauen.
Auch heute beziehen sich viele AnarchistInnen gerne positiv auf das Kommunistische Manifest, wenn sie ihr politisches Ziel als “Assoziation freier Produzenten” beschreiben (auch wenn bspw. Typen vom Schlage eines David Graeber wahrscheinlich nicht einmal wissen bzw. zur Kenntnis nehmen, dass es von Marx geschrieben wurde)
Wir alle hoffen, dass die ArbeiterInnenklasse aus ihrer Geschichte lernt und revolutionäre Schlussfolgerungen zieht. Die eigentliche Spaltung liegt also nicht zwischen „Anarchismus“ und „Marxismus“ an sich, sondern zwischen RevolutionärInnen die für eine staaten-und klassenlose Gesellschaft kämpfen, und jenen die sich das Etikett „Marxist“ oder „Anarchist“ anheften und entweder eine Variante des Kapitalismus verteidigen oder sich auf einem Lifestyle ausruhen, der den Grundlagen des Staates und der Klassenherrschaft in keiner Weise gefährlich werden kann.
Marxismus und der Staat
Es steht außer Frage, dass MarxistInnen in Hinblick auf den Etatismus eine weitaus schwere Erblast mit sich herumschleppen. Von den Schriften von Marx und Engels haben viele selbsternannte „Marxisten“ stalinistischer wie trotzkistischer Prägung wahrscheinlich allenfalls das Kommunistische Manifest zur Kenntnis genommen. Im Kommunistischen Manifest skizierten Marx und Engels zwar die Grundzüge einer kommunistischen Gesellschaft als „Assoziation freier Produzenten“, allerdings sagten sie nichts zum Staat und seiner Überwindung. Vielmehr argumentierten sie dass der Staat vom Proletariat übernommen und für die Verwirklichung des Kommunismus genutzt werden könnte.So heißt es etwa im Abschnitt „Proletarier und Kommunisten“:"Wir sahen schon oben, dass der erste Schritt in der Arbeiterrevolution die Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie ist.Das Proletariat wird seine politische Herrschaft benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staates, d.h. als herrschende Klasse organisiertes Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte rasch zu vermehren."(1)
Sie führen dann eine Liste von zu ergreifenden Maßnahmen auf wie u.a..:"1. Expropriation des Grundeigentums und Verwendung der Grundrente zu Staatsaufgaben.(…) 5. Zentralisierung des Kredits in den Händen des Staates durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol.6. Zentralisierung des Transportwesens in den Händen des Staats. 7. Vermehrung der Nationalfabriken, Produktionsinstrumente, Urbarmachung und Verbesserung der Ländereien nach einem gemeinschaftlichen Plan.8. Gleicher Arbeitszwang für alle, Errichtung industrieller Armeen, besonders für den Ackerbau.“(2)
Die Methode des Marxismus, wie wir ihn verstehen, basiert auf dem historischen Materialismus, und das bedeutet aus den Erfahrungen der Klassenkämpfe zu lernen. Nach der Niederschlagung der Pariser Commune wurden Marx und Engels sich über zwei Dinge klar. Zunächst mussten sie sich eingestehen, dass der im Kommunistischen Manifest aufgeführte Maßnahmenkatalog unzureichend war. "Wie sehr sich auch die Verhältnisse in den letzten fünfundzwanzig Jahren geändert haben, die in diesem `Mani-fest` entwickelten allgemeinen Grundsätze behalten im ganzen und großen auch heute noch ihre volle Richtigkeit. Einzelnes wäre hier und da zu bessern. Die praktische Anwendung dieser Grundsätze, erklärt das `Manifest`selbst, wird überall und jederzeit von den geschichtlich vorliegen den Umständen abhängen, und wird deshalb durch aus kein besonderes Gewicht auf die am Ende von Abschnitt II vorgeschlagenen revolutionären Maßnahmen gelegt. Dieser Passus würde heute in vieler Beziehung anders lauten.“(3)
Des Weiteren hoben sie hervor, dass ihre Vorstellung den Staat übernehmen zu könne nicht nur veraltetet, sondern schlichtweg falsch war:"Gegenüber der immensen Fortentwicklung der großen Industrien in den letzten fünfundzwanzig Jahren und der mit ihr fortschreitenden Parteiorganisation der Arbeiterklasse, gegen¬über den praktischen Erfahrungen, zuerst der Februarrevolution und noch weit mehr der Pariser Kommune, wo das Proletariat zum erstenmal zwei Monate lang die politische Gewalt innehatte, ist heute dies Programm stellenweise veraltet. Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, dass die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine in Besitz nehmen und sie für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen kann.“
Besonders die Notwenigkeit der Überwindung des Staates wurde von Engels später immer wieder betont:"Alle Sozialisten sind einer Meinung darüber, dass der politische Staat und mit ihm die politische Autorität im Gefolge der nächsten sozialen Revolution verschwinden werden, und das bedeutet, dass die öffentlichen Funktionen ihren politischen Charakter verlieren und sich in einfache administrative Funktionen verwandeln werden, die die wahren sozialen Interessen hüten.“(4)
Sozialdemokratie und Etatismus
Doch dies wurde jedoch von ihren Unterstützern in Deutschland und Frankreich nicht verstanden, die darauf setzten, auf parlamentarischem Wege die politische Macht zu erobern. „Alles was ich weiss ist, dass ich kein Marxist bin“ schrieb Marx, spöttisch bezugnehmend auf die Verballhornung seiner Theorien durch die sog. „Marxisten“ in der französischen „Parti Ouvrier“. In ihrer „Kritik des Gothaer Programms“ von 1875 (die von der SPD allerdings erst 1891 veröffentlicht und mit Verweis auf das damals aktuelle „Erfurter Programm“ als „veraltet“ ausgegeben werden konnte) unterzogen Marx und Engels dem Reformismus einer harten Kritik und legten dar, warum Lassalles Begriff eines „Volksstaates“ ein Widerspruch in sich sei. Allerdings gingen sowohl Marx wie Engels davon aus, dass die Sozialdemokratie mit der Zeit einen anderen Kurs einschlagen würde. Doch diese Hoffnungen erfüllten sich nicht. 1895 beschwerte sich Engels bitterlich darüber, wie seine Artikel von den Herausgebern der Vorwärts entstellt wurden. Er starb ohne zu wissen inwieweit Karl Kautsky seine Einleitung zu den „Klassenkämpfen in Frankreich“ politisch entstellt hatte.Die Debatten der Sozialdemokratie drehten sich vorrangig um die Frage, wie die Parteien der Zweiten Internationale die Staatsmacht erobern könnten. Für die besten revolutionären Elemente der Zweiten Internationale standen die Frage des Internationalismus und die Gefahr eines imperialistischen Krieges im Mittelpunkt, allerdings blieben sie in der Minderheit.
Erst mit dem Scheitern der revolutionären Welle und der Errichtung eines staatskapitalistischen Regimes in der UdSSR wurden die marxistischen Minderheiten sprichwörtlich gezwungen, sich mit der Rolle des Staates im revolutionären Prozess auseinanderzusetzen. Die Tatsache dass nach dem Ersten Weltkrieg einige Schriften von Marx zum Problem des Staates und der Revolution veröffentlicht wurden, war hier sicher hilfreich. Doch weitaus wichtiger war die Beschäftigung mit den Räten die 1905 in Russland und anderswo entstanden waren. Das Beispiel der Räte hatte als „endlich entdeckte politische Form“ gezeigt, wie der bürgerliche Staat überwunden werden könnte, ohne ein neues repressives Herrschaftsorgan hervorzubringen. Die russischen Bolschewiki gehörten sicherlich zu den revolutionärsten Elementen der Sozialdemokratie. Dennoch folgten sie unglücklicherweise dem Beispiel der Menschewiki und Sozialrevolutionäre die während der Zeit der sog. Doppelherrschaft ein politisches Regierungsorgan (die sog. Provisorische Regierung) an die Spitze bzw. über die Rätestrukturen in Russland stellten. Mit der Gründung des „Sovnarkom“ (Rat der Volkskommissare) setzten die Bolschewiki 1917 diese Tradition fort.(6)
Anfänglich machten sich die Bolschewiki darüber wenig Gedanken, da sie annahmen, dass die Ereignisse in Russland nur der Auftakt einer weltweiten Revolution seien. Viele führende Mitglieder der Bolschewiki hoben immer wieder hervor, dass ohne eine internationale Ausweitung der Revolution alles verloren sei. In den Debatten über Lenins „Aprilthesen“ hatten die Bolschewiki zwar das alte sozialdemokratische Zweiphasen-Modell in Frage gestellt, aber kein neues Programm entwickelt. Die Bolschewiki wirkten eher wie Getriebene die auf unterschiedlichste Situationen reagierten bzw. reagieren mussten, anstatt von einer soliden programmatischen Basis aus zu agieren.
Mit der zunehmenden Isolierung des russischen Proletariats, verfestigte sich auch die alte sozialdemokratische Vorstellung, dass die Partei stellvertretend für die ArbeiterInnenklasse die Macht übernehme und federführend den Sozialismus aufbaue. Diese Konzeption blieb weiterhin in der Dritten Internationale bestimmend und stellt faktisch bis heute den politischen Bezugsrahmen der diversen Stalinisten, Castristen, Maoisten und Trotzkisten dar. Nur jenen kommunistischen Minderheiten, die sich in ihren Analysen auf die Methode und Prinzipien von Marx stützten gelang es, sich von dieser Vorstellung frei zu machen. Wir sollten nicht vergessen, dass es die russischen LinkskommunistInnen waren, die in ihrer Zeitschrift „Kommunist“ als erste vor dem Abgleiten der Revolution in einen Staatskapitalismus warnten.( Lenin stimmte mit ihnen darin sogar überein, allerdings war für ihn der Begriff Staatskapitalismus positiv konnotiert)
Viele Marxisten (besonders diejenigen die aus der Tradition des deutschen Linkskommunismus kamen) gingen nun dazu über die Organisationsform der Partei zu verwerfen und einzig und allein die Räte als revolutionäre Organe anzusehen. Heutzutage gibt es nur noch wenige die sich als RätekommunistInnen bezeichnen. Dennoch hatte der Rätekommunismus einen bedeutenden und nachhaltigen Einfluss auf MarxistInnen wie auch AnarchistInnen. Die italienische Kommunistische Linke brauchte länger, um die Rolle des Staates und den Charakter einer Revolution zu verstehen. Amadeo Bordiga hatte stets für das Konzept einer Diktatur der Partei selbst in und über den Räten argumentiert. Erst als sich gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in Italien die Partito Comunista Internazionalista (PCInt) gründete, wurde dieses Konzept infrage gestellt, was letztendlich zur Trennung von Bordiga und seinen Anhängern führte, die sich beharrlich weigerten anzuerkennen dass Russland staatskapitalistisch war. In ihrer Plattform hob die PCInt 1952 hervor, dass die ArbeiterInnenklasse die Entwicklung des Sozialismus an niemanden delegieren kann, nicht einmal an die eigene revolutionäre Partei. RevolutionärInnen mögen eine führende Rolle spielen und in den Organen der Klasse für eine proletarische Perspektive kämpfen. Die Verwirklichung des Sozialismus erfordert jedoch die Selbstaktivität der Klasse. Die ArbeiterInnenklasse muss international ihre eigenen Organe und Strukturen entwickeln (Fabrikomitees, Versammlungen, Räte usw.) um Klassengegensätze, Fremdbestimmung, Geld, Grenzen und Armeen zu überwinden. Die einzige Garantie gegen die Wiederkehr einer repressiven staatlichen Struktur besteht in der Selbstaktivität der Massen!
Anarchistische Agonien
Auch im anarchistischen Lager musste gegen reformistische Tendenzen gekämpft werden. Wir wollen hier nicht näher auf die frühen Mutualisten eingehen, die glaubten, eine sozialistische Gesellschaft auf den Kategorien von Ware und Geld aufbauen zu können. Stattdessen wollen wir den Schwerpunkt auf die anarchosyndikalistische Bewegung legen, die einen klaren revolutionären Anspruch hatte. Sie wurde besonders in jenen Ländern stark, wo die Klasse durch die Ausbeutung buchstäblich an die Wand gedrückt wurde, so dass das Konzept des sozialdemokratischen Gradualismus wenig erfolgversprechend erschien. Nehmen wir nur das Beispiel der französischen „Confederation General du Travail“ (CGT). Diese syndikalistische Gewerkschaft schien geradezu der Gegenpol zum sozialdemokratischen Reformismus zu sein. Angesichts der harten Haltung der Bosse war sie gezwungen zu kämpfen, um ihren Forderungen mit mehreren militanten Streiks Nachdruck zu verleihen. Doch diese Ära ging stetig ihrem Ende entgegen, wie u.a. auch die Broschüre der „Solfed“ ausführt:
Anfang des 20 Jahrhunderts nahm der Staat und die Bosse angesichts der Erfolge der CGT eine versöhnliche und entgegenkommende Haltung ein. Dies eröffnete den Reformisten immer größere Spielräume zur Klassenzusammenarbeit. Im Jahr 1909 waren die Revolutionäre angesichts des Wachstums der Gewerkschaft in die Minderheit geraten. In einem Land mit einer Bevölkerung von 7 Millionen (in Wirklichkeit waren es 35 Millionen, Anmerk. d. CWO) war die CGT von 10000 Mitgliedern im Jahr 1902 auf 700 000 Mitglieder im 1912 angewachsen. Victor Griffuelhes trat infolge der Manöver und Machenschaften gegen ihn als Generalsekretär zurück und Emile Pouget trat desillusioniert aus der Gewerkschaft aus. Das Abgleiten in die Klassenkollaboration, den Reformismus und Bürokratisierung fand mit der Unterstützung des nationalen Kriegs durch die CGT seinen Höhepunkt. Dies war der deutlichste Bruch mit den einstigen revolutionären und internationalistischen Ursprüngen.
Doch das betraf nicht nur die CGT. Wie die Mehrheit der sog. „Marxisten“ der Zweiten Internationale ging auch der anarchistische Theoretiker Kropotkin und mit ihm viele Anarchisten 1914 zur „Vaterlandsverteidigung“ und Kriegsunterstützung über.
Genau wie Kronstadt 1921 mit aller Deutlichkeit gezeigt hatte, dass die proletarische Revolution nicht mit dem Etatismus kompatibel ist, so lieferte der Spanische Bürgerkrieg 1936 den Beweis dafür, dass anarchistische Prinzipien alleine nicht ausreichen. Spanien war 1936 genauso isoliert (wenn nicht sogar isolierter) als das revolutionäre Russland 1918. Da sich der spanische Staat nicht am Ersten Weltkrieg beteiligt hatte, verlief die historische Entwicklung hier anders als in den meisten europäischen Ländern. Hier hatte sich in den 30er Jahren eine massenhafte revolutionäre Bewegung gegen den drohenden imperialistischen Krieg entwickelt. Dennoch hielt die revolutionäre Situation nicht lange an, sondern wurde tragischer Weise im imperialistischen Kesseltreiben aufgelöst. Unter dem Druck die stalinistische Volksfront gegen den Faschismus zu unterstützen, gab die Führung von CNT und FAI ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Staat auf und beteiligte sich zunächst an der (katalanischen) Regierung in Barcelona und später der Zentralregierung in Madrid. Die Revolution wurde abgesagt und stattdessen die vorgebliche „Volksfront gegen den Faschismus“ unterstützt, die von den Stalinisten in den schönsten Tönen gepriesen wurde. Letztendlich wurde damit der Selbstaktivität der Massen der Boden entzogen und die ArbeiterInnenklasse dem Imperialismus ausgeliefert.
Revolutionäre für die Revolution
Die fundamentale Schwäche vieler vorgeblicher “Marxisten” und “Anarchisten” kann auf ein unzureichendes Verständnis der Klassengesellschaft und des Klassenkampfes zurückgeführt werden. Wenn man sich bei der Analyse nicht an Klassenkriterien orientiert, endet man unweigerlich im Reformismus. Auch heute treten staatsfixierte „Marxisten“ für Verstaatlichungen und Einheits-und Volksfronten mit dieser und jener nationalistischen Bewegung ein, umso so schnell wie möglich zur einer Gesellschaftsform zu kommen, die sie als „Sozialismus“ ausgeben, die für uns allerdings nichts anderes als Staatskapitalismus ist.
Als MarxistInnen haben wir nicht das Geringste mit diesen Staatslinken zu schaffen. Wir teilen nicht einmal die gleiche Vorstellung über eine zukünftige kommunistische Gesellschaft. Solange wir nicht das Geld und damit die Ausbeutung losgeworden sind (und Ausbeutung bedeutet nicht einfach nur Niedriglöhne sondern Lohnarbeit überhaupt), solange wir nicht Strukturen geschaffen haben die den repressiven Apparat eines Staates überwunden haben, solange es keine Revolution im Weltmaßstab gibt, können wir auch nicht von Sozialismus oder Kommunismus reden. Und dies scheint heute der Knackpunkt zu sein. Der Reformismus ist gerade heute in den unterschiedlichsten Ausprägungen wieder im Kommen. Neben dem üblichen Gewerkschaftsforderungen nach einem angeblich „gerechten Lohn“ gibt es auch die reformistische Vorstellung kommunistische Strukturen entwickeln zu können ohne die Macht des bürgerlichen Staates zu zerstören. Ferner gibt es den Reformismus der Occupy – Bewegung mit der populistischen Losung der „99% gegen die 1%“. Dabei gerät völlig aus dem Blickfeld, dass die ArbeiterInnenklasse als ausgebeutete und eigentumslose Klasse in einem ganz anderen Verhältnis zum Kapitalismus steht, als viele der sog. „99%”.
Angesichts der globalen kapitalistischen Krise müsste das Ziel einer humanen Gesellschaft gar nicht so utopisch und so weit entfernt seien, wie viele von uns vielleicht denken. Es ist heute durchaus möglich über Antikapitalismus zu reden ohne gleich schräg angesehen zu werden. Doch gleichzeitig steckt der Widerstand der Klasse allenfalls in den Anfängen. Auf der anderen Seite können wir auf einen reichhaltigen Erfahrungsschatz von Kämpfen der letzten 200 Jahre zurückgreifen. Erfahrungen die heute den meisten Menschen unbekannt sind, von der großen Mehrheit der ArbeiterInnenklasse gar nicht zu reden. Die zunehmende organische Zusammensetzung des Kapitals läuft auf Jahre der Kürzungspolitik hinaus. Die Spielräume des Kapitalismus neue Generationen gutausgebildeter ArbeiterInnen in den Produktionsprozess zu integrieren schwinden. Dies eröffnet RevolutionärInnen Möglichkeiten Teile der ArbeiterInnenklasse auf ihre eigene Geschichte aufmerksam und neugierig zu machen. Das bedeutet nicht, dass wir einfach nur die Frage des Kommunismus als schöne Idee für die Zukunft aufzuwerfen bräuchten und ansonsten nichts tun müssten. Theorie und Praxis sind keine getrennten Dinge. Wir müssen den Kampf für den Kommunismus mit den täglichen Kämpfen gegen die Angriffe des Kapitalismus verbinden. Wir müssen versuchen Verbindungen mit weiten Teilen der Klasse herzustellen. Letztlich kann es keine revolutionäre Bewegung geben, die keine feste Verankerung in der ArbeiterInnenklasse selber hat.
Doch auch hier wird ein weiterer Unterschied zwischen RevolutionärInnen und Reformisten deutlich. Während RevolutionärInnen dafür plädieren nicht nur die Kürzungen sondern das System welche sie hervorbringt zu bekämpfen, beschränken sich Reformisten wenn überhaupt auf den Protest gegen Kürzungen oder die „Verteidigung des Sozialstaats“. Logischerweise stellen sie niemals das System als Ganzes infrage. Bei den meisten Dinosauriern der „alten Arbeiterbewegung“ wie bspw. den Stalinisten oder Trotzkisten, kommt dies nicht von ungefähr. Ihnen geht es vorrangig darum etwaige „Wahlalternativen“ gegen die Konservativen zu unterstützen, anstatt eine revolutionäre Alternative zum Kapitalismus aufzubauen. Sie verstehen und unterstützen weiterhin den Staat als Träger und Transmissionsriemen für ihre vorgeblichen „sozialistischen Ambitionen“. Und dies scheint heute die Trennungslinie und der springende Punkt zu sein. Antistaatliche, antikapitalistische RevolutionärInnen sind sich in ihrer Vorstellung einer kommunistischen Gesellschaft sehr ähnlich. Es ist an der Zeit dass sich RevolutionärInnen darüber klar werden und auf dieser Basis in Beziehung treten. Wir mögen unterschiedliche Vorstellungen haben wie eine freie Gesellschaft erkämpft werden kann, doch dies ist Gegenstand der Diskussion – und solange es keine wirkliche Klassenbewegung gibt, die diesen Namen verdient ist, dies eine offene Debatte …(CWO)
(1) Karl Marx/ Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, Seite 69, Berlin 1989
(2) Ebenda
(3) Karl Marx Friedrich Engels: Vorwort zur zweiten deutschen Ausgabe des Kommunistischen Manifests von 1872, Seite 12, Berlin 1989.
(4) MEW Bd. 18, Seite 308
(5) Ursprünglich sollte dies Mitglieder dieses Regierungsgremiums im herkömmlichen Sinne Minister heißen, bis Trotzki die revolutionärer klingende Bezeichnung „Volkskommissar“ ins Spiel brachte
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