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Startseite ›Einige Bemerkungen zu den Protesten in der Türkei
Die Fachsimpelei und Spekulationen über die angeblichen Ursachen der jüngsten Unruhen in der Türkei sollte man getrost der Journaille und ihren „Bildern“ überlassen. Die hinlängliche Erklärung dass die Räumung des Gezi Parks und der geplante Bau eines Einkaufszentrums und einer Moschee die alleinige Ursache für die Massenproteste und die Polizeirepression in Istanbul sei, ist einfach lächerlich.
Sicherlich ging alles vom Taksim Platz bzw. dem Gezi Park aus, aber um zu verstehen, warum zunächst tausende und später Millionen Menschen an Demos in allen größeren türkischen Städten teilnahmen, bedarf es einer tieferen Analyse.
Schauen wir uns zunächst die sozio-ökonomische Situation an. 2002 ging die Türkei gestärkt aus einer Finanzkrise hervor. Dank einer Reihe von Faktoren konnte Erdogans AKP in den letzten 10 Jahren einen enormen Wachstumsprozess einleiten. Innerhalb von 10 Jahren kletterte die Türkei auf Platz 17 in der Rangfolge der größten Volkswirtschaften der Welt. Sie wurde zu einem wichtigen Machtfaktor im politischen Geschehen des Mittleren Ostens und zu einer zentralen Drehscheibe für den Transport von Öl und Gas aus Zentralasien zum Mittelmeerraum und Europa. Dank der politische Stabilität der neuen Regierung, die Stabilität der türkischen Lira und relativ niedrige Arbeitskosten konnten gewaltige Mengen an Kapital in produktive wie auch spekulative Investitionen fließen. Die äußerst günstige Situation des türkischen Kapitalismus überdauerte auch die ersten fünf Jahre der internationalen Finanzkrise. Dann setzte jedoch ein jähes Ende ein.
Die Rekapitalisierung der Banken durch die sich Ankaras Wirtschaft anfangs erholen und entwickeln konnte, wurde zunehmend durch wachsende Spekulation und Rückzug von Kapital aus dem Industriesektor unterminiert. Trotz der Reorganisierung des Arbeitsmarktes und die Umstrukturierung der wichtigsten Sektoren der Realwirtschaft, die zu verschärfter Ausbeutung und Prekarisierung führten, machten sich zunehmend Finanzierungsengpässe und der Rückgang der internationalen Nachfrage bemerkbar. Gleichzeitig gingen die Importe (besonders von Energie) im gleichen Tempo weiter. Dies führte im öffentlichen Sektor zu einem rasanten Anstieg der Staatsverschuldung in Höhe von 100 Prozent des BIP. Dies wiederum führte in den letzten Jahren zu Kürzungen im Gesundheits-und Bildungssektor, sowie zu Entlassungen in mehreren Industriebranchen. Besonders war davon die Bauindustrie betroffen, die nach wie vor der Focus der größten Spekulationsprojekte des Landes ist.
All dies führte zu Ernüchterung und wachsender Unzufriedenheit mit Erdogan und seiner Partei. Noch vor zwei Jahren war alles unter seiner Kontrolle. Der langjährige Premierminister (Erdogan ist seit 2002 im Amt) genoss große Symphatiewerte und wurde mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt. Doch nun beginnen sich die Dinge zu ändern. Die Politik der schleichenden Islamisierung und die Arroganz der Macht haben die Handlungsspielräume eingeengt. Die Frage der „Bürgerrechte“ und die Verteidigung der „säkularen türkischen Gesellschaft“ hat während der jüngsten Ereignisse sicherlich eine große Rolle gespielt. Doch das ist nicht der einzige Grund der Millionen Menschen auf die Straßen getrieben hat. Dahinter steht eine wachsende Unzufriedenheit über Zustände die nunmehr für unerträglich gehalten werden. Die Regierung war und ist sich dieser Unzufriedenheit bewusst. Sie zögerte nicht mit harter Repression gegen die Proteste vorzugehen, was zu brutalen Gewaltszenen führte, die im Normalfall nicht notwendig gewesen wären.
Die oppositionellen Kräfte die zunächst in Istanbul und dann in allen Orten der Türkei auf die Straße gegangen sind, sind in sich sehr heterogen, faccettenreich und politisch konfus. Dabei handelt es sich zunächst um die politische Opposition, also jene Kräfte die von der AKP im Parlament und der Gesellschaft ausgebootet und gedemütigt worden sind. Dies sind die traditionellen bürgerlichen Kräfte der „Linken“, die bisher keine Gelegenheit ausgelassen haben, um auf die Straße zu gehen und den Islamisten Erdogan zu „ärgern“. Dazu gehören ferner die institutionellen Parteien die in einer säkularen Tradition stehen, wie die „Radikalen“, die „Sozialisten“ und die Überbleibsel des Stalinismus die sich als „Kommunisten“ ausgeben.
Jenseits dieser parteipolitischen Apparate nehmen Teile der Mittelschicht an den Protesten teil, die sich im Prozess der Proletarisierung befinden, oder schon proletarisiert sind. Sie arbeiten als Ärzte, Ingenieure oder als Hochschulabsolventen im Öffentlichen Dienst und sind in angesichts der Sparprogramme der Regierung mit Kürzungen und Entlassungen bedroht. Ferner nehmen viele junge Menschen, hauptsächlich StudentInnen und SchülerInnen an den Protesten teil, die ebenso unter Kürzungen und erhöhten Steuern und Gebühren zu leiden haben. Gegenwärtig spielt die ArbeiterInnenklasse als eigenständige Kraft in den Protesten keine dominierende Rolle, auch wenn sie sich überall an den Demos und Kundgebungen beteiligt. Es sind vor allem junge Prekäre und arbeitslose Jugendliche die in Ankara und Istanbul auf die Straße gehen. Aber wir stehen erst am Anfang. Die Krise hat noch nicht mit ganzer Kraft zugeschlagen. Das heißt weder dass wir am Vorabend großer Aufstandsbewegungen stehen, noch dass das Proletariat ein neues Kapitel des Klassenkampfs aufgeschlagen hat. Es heißt lediglich, dass die Krise nunmehr in Ländern zuschlägt, die noch vor wenigen Jahren als immun galten, und dass aus dem Wust der jetzigen Opposition entweder eine neue revolutionäre Kraft mit einer antikapitalistischen Politik hervorgeht, oder die Bewegung zum Opfer der Repression wird und alles bleibt wie zuvor.
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Geschichte
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- 1918: Abstentionist Communist Fraction of the PSI
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- 1934: Long March of Chinese communists
- 1934: Miners' uprising in Asturias
- 1934: Workers' uprising in "Red Vienna"
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- 1938: Fourth International
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- 1960s
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- 1982: Falklands War
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- 2000: Second intifada
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- 2001: War in Afghanistan
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- 1926: Lyons Congress of PCd’I
- 1927: Vienna revolt
- 1928: First five-year plan
- 1928: Left Fraction of the PCd'I
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- 2011: Sovereign debt crisis
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- 2010: Student Protests in UK and Italy
- 2011: War in Syria
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