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(Interview mit GenossInnen aus Griechenland)
Griechenland befindet sich im Zentrum der Krise und der Kürzungsprogramme. Welche Stoßrichtung haben die gegenwärtigen Angriffe und welche sozialen Auswirkungen haben sie auf die Arbeiterklasse?
Es ist ja allgemein bekannt, dass sich die griechische Wirtschaft in einer tiefen Krise befindet und mittlerweile zum „schwächsten Glied“ in der Eurozone geworden ist. Abgesehen von dem gewaltigen Haushaltsdefizit (über 10% des BIP) und enormen Auslandsschulden (über 600 Milliarden, d.h. 150% des BIP) geht man davon aus, dass die Rezession 2012 die 5%-Marke erreichen wird. Währenddessen ist die Wirtschaft in den letzten drei Jahren um 15% geschrumpft. Natürlich versucht das System die Lasten der Krise auf die Arbeiterklasse abzuladen, indem Löhne gekürzt, tausende Beschäftige des Öffentlichen Dienstes entlassen, die Ausbeutungsrate gesteigert, die Arbeitsbedingungen verschärft und die Steuern erhöht werden. Allgemein sind die Arbeitseinkommen in den letzten drei Jahren um ein Viertel gekürzt worden. Die Löhne sind um 20% gesunken. Der Mindestlohn wurde um 20% gekürzt, das Mindesteinkommen liegt bei ca. 500 Euro, die Mindestrente schätzungsweise bei 480 Euro. Nach offiziellen Zahlen leben 20% der Griechen unterhalb der Armutsgrenze (das sind ungefähr 2.190.000 Menschen, d.h. eins von fünf Kindern). Ein Drittel der Griechen müssen von weniger als 470 Euro im Monat leben. Die offizielle Arbeitslosenquote ist um 20% angestiegen (2011 gingen 370 000 Jobs verloren). Die Jugendarbeitslosigkeit liegt mittlerweile bei 50%. Die Zahl der Obdachlosen ist rapide angestiegen. Natürlich liegen die wirklichen Zahlen viel höher und die Situation wird sich in naher Zukunft noch verschlechtern. Allein im Öffentlichen Dienst wollen Troika und Regierung bis zum Jahr 2014 150 000 Beschäftigte (20%) entlassen. Der griechische Staat ist faktisch schon bankrott. Es ist absolut unmöglich das Defizit nach den Vorgaben der Troika zu reduzieren. Griechenland ist zum Experimentierfeld für gewaltige Angriffe auf die Arbeiterklasse geworden, die dann zum Vorbild für die ganze Eurozone werden könnten. Natürlich hängt das letztendlich vom Kräfteverhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital ab.
Wir haben festgestellt, dass es in Griechenland täglich Streiks gibt. Aber es scheint sich dabei nur um eintägige Arbeitsniederlegungen in einer Branche oder einem Unternehmen zu handeln. Dann tritt am nächsten Tag ein neuer Sektor in den Streik. Warum kommt es nicht zu einem gemeinsamen konzentrierten Streik, der innerhalb weniger Tage die entscheidenden Fragen auf die Tagesordnung bringen könnte?
Die Schwäche der griechischen Gewerkschaft sich für einen gemeinsamen Kampf in einer gemeinsamen Abwehrfront zu koordinieren kommt nicht von ungefähr. In der ganzen letzten Periode lag ihr Kalkül darin, die Kampfbereitschaft der Arbeiter in begrenzten Streiks aufzufangen und sie somit zu isolieren. Sie spielen somit das übliche Spiel um sich der herrschenden Klasse als gute Verhandlungspartner anzudienen. Aber nicht nur die isolierten Streiks (wie z.B. in den seit Monaten dauernden unbefristeten Streik im Stahlwerk Elliniki Halivourgia in Aspropyrgos), die Streiks in ganzen Sektoren aber auch die Generalstreiks haben eher einen entschärfenden Charakter und bieten keine weitergehenden Perspektiven. Der bürokratische Gewerkschaftsapparat ist in all seinen Ausprägungen ein organischer Bestandteil des Systems und wird offenkundig keine Initiativen zur Stärkung der Arbeiterbewegung unternehmen, sondern versuchen die Wut und Empörung zu kanalisieren. Viele Arbeiter haben die reaktionäre Rolle der Gewerkschaften sehr wohl verstanden, aber bis jetzt noch nicht das Selbstbewusstsein entwickelt die Kämpfe in ihre eignen Hände zu nehmen. Die einzige Möglichkeit dem ökonomischen Krieg des Kapitals dynamischen Widerstand entgegenzusetzen ist die Selbstorganisation der Arbeiter außerhalb und gegen die Gewerkschaften, die Entwicklung eines Arbeiterkampfes von unten und die Koordinierung der Kämpfe mit dem Ziel eines allgemeinen unbefristeten politischen Streiks.
Schauen wir noch einmal auf das Jahr 2008 zurück, auf die Proteste nach dem Mord an Alexandros Grigoropoulos. Einige Leute haben diesbezüglich von eine “Revolte” ja sogar von einem „Aufstand“ gesprochen. Was waren die Dynamiken dieser Bewegung? Gibt es bis heute Kontinuitäten?
Der “Dezember 2008” war keine Revolte. Es war eine Protestbewegung von Teilen der Jugend – besonders SchülerInnen – die ihre berechtigte Wut gegen die Polizeigewalt und ihre allgemeine Empörung über das System zum Ausdruck brachten, ein System das ihnen keine Zukunft bietet. Der Auslöser war der kaltblütige Mord des Schülers Alexandros Grigoropoulos durch einen Polizisten in Exarchia . Dieser Protest wurde schließlich durch gewalttätige Ausschreitungen im Zentrum von Athen stigmatisiert, die schließlich in blinde Gewalt, massenhafte Zerstörung, Brandstiftungen und Plünderungen umschlugen. Diese wurden von Kräften in der SYNASPISMOS , der extremen Linken und natürlich des anarchistischen Milieus aufgrund ihres kleinbürgerlichen Verständnisses des Klassenkampfes zur „Revolte“ stilisiert. Durch die Explosion zielloser und blinder Gewalt konnten die Proteste schnell marginalisiert und isoliert werden. Sie verloren ihren Massencharakter und damit ihr Potential zu einer breiten und militanten Jugendprotestbewegung zu werden, die durch ihren Klassencharakter in der Lage gewesen wäre, fortgeschrittene Teile der Arbeiterklasse, besonders junge Arbeiter, prekär Beschäftigte und Arbeitslose anzuziehen. Die von den diversen nihilistischen Gruppen und üblichen „troublemakern“ eingesetzte, geförderte und geschürte Gewalt hat nichts mit wirklicher proletarischer Klassengewalt zu tun. Sie ist das genaue Gegenteil. Es ist eine antisoziale Gewalt in Gestalt eines reaktionären, anti-plutokratischen bandenartigen „Antikapitalismus“ ruinierter und wildgewordener Kleinbürger. Eine klassenbewusste Arbeiterklasse revoltiert nicht durch Zerstörungen und Plünderungen, sondern fordert die radikale Umgestaltung der Gesellschaft ein. Gewalttätige Zerstörungen und Plünderungen sind eher Ausdruckformen von sozialen Schichten, die durch den Kapitalismus aus der ökonomischen Sphäre verdrängt werden, und keine produktive Rolle in der Gesellschaft mehr spielen können. Arbeiter sind sich im Klaren darüber, dass sie die Produzenten des gesellschaftlichen Reichtums sind. Sie können wenig mit der Zerstörung von Waren und Produktionsmitteln anfangen. Nicht nur weil sie die Grundlage ihres derzeitigen Überlebens sind, sondern auch die materielle Basis für ihre zukünftige Befreiung und Entwicklung. Allenfalls in Fällen von großer Unreife und/oder Degeneration würde eine bedrohte Arbeiterklasse Fabriken und Waren zerstören. Ebenso kann es natürlich in Anbetracht einer wirklichen Hungersnot zu Plünderungen kommen. Die angebliche revolutionäre Gewalt des degenerierten Anarchismus ist jedoch Ausdruck einer anti-plutokratischen Ideologie, die einem äußerst vulgären Antikapitalismus entspringt. Um es kurz zu machen: Die Jugendproteste des Dezember waren berechtigt. Aber sie sind unmittelbar in blinde Gewalt umgeschlagen, da die reaktionäre Ideologie der nihilistischen Kräfte die Oberhand gewann und den Ereignissen ihren Stempel aufdrücken konnte.
Was waren die Gründe für die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anarchisten und Stalinisten im Oktober letzten Jahres und welche Auswirkungen hatten sie auf die Bewegung?
Die wilde Schlägerei zwischen den Stalinisten der Kommunistischen Partei (KKE) und den Anarchisten am 20. Oktober 2011 waren der Ausdruck der Geisteshaltung zweier politischer Kräfte, die sich beide wie die Eigentümer der Bewegung aufspielen. Die KKE hatte den Platz vor dem Parlament besetzt, um so zusammen mit der Polizei die reibungslose parlamentarische Abstimmung über die Kürzungspläne zu gewährleisten. Sie wollte verhindern, dass es zu massiven Reaktionen kommt, die über den Rahmen der Legalität hinausgehen. Deshalb hatte sie von Anfang an den Platz besetzt, eine massive Ordnerkette aufgezogen und Demonstranten daran gehindert zum Parlament vorzudringen. Die Anarchisten stießen mit der KKE zusammen weil sie ebenfalls auf den Platz wollten, um sich ihre üblichen Scharmützel mit der Polizei zu liefern. Dies hätte der Polizei (den üblichen) Vorwand geben den Rest der Demonstration anzugreifen und die Versammlungen aufzulösen. Die Auseinandersetzungen waren sehr brutal und heftig. Es hätte auf beiden Seiten Tote geben können. Hinter der Ordnerkette der Stalinisten standen ca. dreitausend Mitglieder und Sympathisanten der PAME. Sie waren zeitweilig in großer Gefahr, weil Steine und Brandsätze in die Menge geworfen wurden. Nichtsdestotrotz blieben die tausenden Streikenden die sich versammelt hatten Zuschauer eines Konflikts zwischen zwei politischen Kräften, die sie für ihre Ziele instrumentalisieren wollten. Am Ende löste die Polizei die Kundgebung auf und die Kürzungsmaßnahmen wurden im Parlament abgestimmt. Unglücklicherweise starb ein Mitglied der PAME durch das Tränengas der Polizei. Die stalinistische Führung war natürlich schnell dabei das Gerücht in Umlauf zu bringen, dass der PAME-Gewerkschafter von Anarchisten ermordet worden sei.
Könnt Ihr uns mehr über die Rolle und die Politik der Kommunistischen Partei in der Bewegung erzählen?
Die KKE ist eine Partei stalinistischen Typs mit rein bürgerlichen Praktiken und Orientierungen. Ihre revolutionäre Phraseologie steht im direkten Kontrast zu ihrer Politik des Stimmenfangs und ihre nostalgischen Haltung zu den früheren Regimen Osteuropas. Ihr Anspruch “die Partei” der Arbeiterklasse zu sein wirkt wie ein Belagerungsring. Der Bewegung tut das natürlich nicht gut. Vielmehr provoziert, desorientiert und spaltet die KKE die Bewegung mit dem Ziel ausreichend Stimmen und Einfluss in den Verbänden, Gewerkschaften und bei den nationalen Wahlen zu bekommen. Die KKE ist faktisch eine klassische stalinistische pro-russische Partei. Der Umstand dass sie faktisch die einzige „kommunistische“ Partei ist, die den Untergang der stalinistischen Regime überlebt hat, ist eher den Besonderheiten der griechischen Gesellschaft im Allgemeinen und der griechischen Linken im Besonderen geschuldet, auf der ein besonderer Druck lastet. Ihr Programm zielt im Wesentlichen auf die Errichtung einer staatskapitalistischen Wirtschaftsordnung und eines bürokratisch-totalitären Regimes. Dies drückt sich auch in ihrem gegenwärtigen politischen Leitmotiv „Volksfront für die Volksherrschaft und eine Wirtschaft des Volkes“ aus. Sie ist eine durch und durch bürgerliche Partei. Sie ist vollständig in das politische System integriert ist, und stellt gegenwärtig den größten Teil der Linken des Kapitals dar. Die KKE verfügt über weitreichende politische wie ökonomische Strukturen, über diverse hauptamtliche Funktionäre und Gewerkschaftsbürokraten sowie über eigene Unternehmen die stark vom bürgerlichen Staat subventioniert werden. Sie vertritt die Interessen von Teilen des Kleinbürgertums, des staatlichen Sektors, ein verzweigtes Geflechts aus Produktion und Handel, sowie Sektoren der Agrarwirtschaft, die ihre Stellung in der bürgerlichen Gesellschaftsordnung Griechenlands verteidigen wollen. Ihr derzeitiges Ziel besteht darin, die Wut und Empörung des Kleinbürgertums aber auch der Arbeiterklasse zu absorbieren und in parlamentarische Macht umzumünzen. Sie versucht sich als Verteidigerin der Interessen der Menschen auszugeben, während sie gleichzeitig den Status quo sicherstellt und die Kämpfe im Rahmen der bürgerlichen Gesetzlichkeit eingrenzt.
Wie sieht es mit den Anarchisten aus? Könnt Ihr uns mehr über die Ursprünge, die Politik und die unterschiedlichen Strömungen der anarchistischen Bewegung in Griechenland erzählen.
Man kann nicht sagen, dass das “anarchistische Milieu” in Griechenland sonderlich koordiniert und festgefügt ist. Die Anarchisten die sich in schwierigen Perioden in Griechenland an den Kämpfen beteiligten, taten das als Einzelpersonen und in nicht-anarchistischen Organisationen. Nach der politischen Wende in den 70er Jahren nahm die Bewegung die Form des Protestes und der revolutionären Gymnastik (extremes zuweilen katastrophales Auftreten ohne jede politische Aussage) an. Heute gibt es verschiedene anarchistische Gruppen mit den unterschiedlichsten politischen Orientierungen. Was die meisten verbindet ist die unnütze Anwendung von Gewalt auf Demos, was sie sehr anfällig für das Eindringen staatlicher Provokateure macht und sie letztendlich marginalisiert. Der Anarchismus hat keine starke historische Tradition in Griechenland. Aufgrund der Nähe zu Italien gab es im späten 19. Jahrhundert in Patras und Pyrgos eine bedeutende anarchistische Bewegung. Darüber hinaus hatten die Anarchisten keinen besonderen Einfluss in der griechischen Arbeiterbewegung. Der Anarchismus tauchte in der politischen Wendezeit mit sehr verschwommenen ideologischen Merkmalen wieder auf und entwickelte sich in den 80er Jahren besonders unter Jugendlichen. Das war im Wesentlichen eine Reaktion auf die Regierung der PASOK, die Integration der parlamentarischen Linken und das Auseinanderbrechen des „ultra-linken“ Milieus. Diese Faktoren kombiniert mit der tiefen Krise des politischen Systems, der wachsenden sozialen Unsicherheit und der Marginalisierung weiter Teile der Jugend bildeten die Grundlage für die Ausbreitung der anarchistischen Szene. Ein bedeutender Teil dieses Milieus ist sehr nihilistisch eingestellt. Dies drückt sich in Riots und Zusammenstößen mit der Polizei aber auch in Akten individuellen Terrors aus. Dem liegt keine besondere politische Strategie zugrunde. Sie idealisieren und verklären einfach die Gewalt. Und dies nimmt zuweilen sehr unsoziale Züge an. Gleichzeitig ist das gewalttätige Mobbing und Schikanieren bei den anarchistischen Gruppen und Cliquen sehr verbreitet. Das bezieht sich sowohl auf die Austragung von Auseinandersetzungen innerhalb der anarchistischen Szene selber, als auch gegen andere politische Organisationen der Linken. Gleichzeitig gibt es aber auch viele ernsthafte Jugendliche, die sich aufgrund ihres Gerechtigkeitsgefühls und ihrem ernsthaften revolutionären Strebens für eine befreite Gesellschaft mit dem Anarchismus identifizieren. Allerdings führen die nihilistischen Praktiken, die zuweilen faschistoide Züge annehmen, aber geduldet und zugelassen werden, dazu, dass das gesamte anarchistische Milieu stigmatisiert wird. Die Taktik dieser Gruppen läuft darauf hinaus Demos für das Anzetteln von Riots auszunutzen und die anderen Demonstranten dabei als „menschliche Schutzschilde“ zu betrachten. Dies gibt dann der Polizei den willkommenen Vorwand die Demos als Ganzes anzugreifen und letztendlich aufzulösen. Mit dem Tod von drei Angestellten einer Bank im Zentrum von Athen, die während einer Streikdemonstration im Mai letzten Jahres angezündet wurde, fanden diese nihilistischen Aktionen ihren bisherigen Höhepunkt. Dieselbe kriminelle Gang hatte vorher auch die Beschäftigten eines Supermarktes und eines Buchladens mit Molotow Cocktails angegriffen.
Könntet Ihr uns einen kurzen Überblick über die Linke in Griechenland geben? Es gibt ja verschiedene Bündnisse und Parteien wie die SYRIZA oder die ANTARSYA. Wofür stehen sie und wie sieht es mit ihrer Rolle in der Bewegung aus?
Allgemein gesagt ist die griechische Linke in viele Teile gespalten. Einen großen Anteil daran haben die diversen trotzkistischen Organisationen. Aber es gibt auch stalinistische Organisationen, die sich ein leninistisches Mäntelchen umhängen. Das ist gegenwärtig der Stand der linken Organisationen. Einige von ihnen finden sich zuweilen in Bündnissen wie SYRIZA und ANTARYSA wieder. An diesen Bündnissen beteiligen sich die griechischen Ableger diverser europäischer politischer Verbände, die jedoch in Griechenland keine wirkliche Verankerung und Bedeutung haben. Die Beteiligung dieser Bündnisse an den Parlamentswahlen, die bedingungslose Akzeptanz der bürgerlichen Gesetzlichkeit unter dem Vorwand die Kräfteverhältnisse durch eine „Subversion von innen“ ändern zu wollen, macht sie automatisch zu bürgerlichen und konservativen Parteien. Und als solche schwächen sie die Bewegung, da sie versuchen sie in die Logik des Reformismus und Opportunismus zu treiben.
Könnt Ihr uns mehr über die Dynamik der Indignado – Bewegung in Griechenland erzählen?
Die Indignado-Bewegung war ein bisher beispielloses Phänomen in der politischen Landschaft Griechenlands, wo sich politische Mobilisierungen stets unter der Kontrolle politischer Parteien entwickelten. Angesichts der akuten Krise und der harten Sparmaßnahmen der Regierung, brachte diese Bewegung in ihrer Mehrheit eine tiefe Ablehnung des politischen Systems zum Ausdruck. Sie war von Anfang an gegen die Parteien gerichtet und hatte basisdemokratische, interklassistische, patriotische und pazifistische Züge. Das politische Bewusstsein war sehr niedrig. Die Missbilligung der Regierung und Politiker manifestierte sich in dem Vorwurf der politischen Korruption und der Ablehnung jeder Parteizugehörigkeit. Allerdings gelang es der Bewegung nicht eine besondere politische Stoßrichtung zu entwickeln. An den öffentlichen Versammlungen beteiligten sich tausende “normaler” Menschen. Viele konnten so ihren Ärger über die Regierung und das politische System Ausdruck verleihen. Ebenso konnten sie sich über ihre konkreten Probleme und Nöte angesichts der allgemeinen Krise der griechischen Gesellschaft austauschen. Die große Schwäche der Bewegung bestand darin, dass sie keinen proletarischen politischen Klassencharakter entwickelte, der es ihr ermöglicht hätte weitergehende politische Ziele zu formulieren. Dies ist nur natürlich, da das Proletariat per se kein politisch ausgeprägtes Klassenbewusstsein hat, und insofern nicht in der Lage ist aus dem Stand heraus einen kompakten Klassenkampf gegen das System zu führen. Dies gab dem bürgerlichen Staat die Möglichkeit, die Bewegung durch harte Repression aufzulösen. Seit dem ist der Polizeiapparat sehr darauf bedacht, die öffentlichen Plätze zu kontrollieren, und jeden Ansatz von Widerstand im Keim zu ersticken.
Welche Rolle spielten und spielen Immigranten in der Bewegung und der griechischen Gesellschaft im Allgemeinen.
Heute stellen Immigranten 10% der Bevölkerung und schätzungsweise 15% der abhängig Beschäftigten. Dieser sozialen Gruppe wird nicht nur das Recht abgestritten am politischen Leben teilzunehmen, selbst ihr Recht in diesem Land überhaupt zu existieren wird infrage gestellt. Nichtsdestotrotz gibt es Tendenzen in der Arbeiterbewegung die die Frage der Immigration nur mit äußerster Vorsicht angehen. Entweder gehen sie die Sache wie eine Wohltätigkeitsveranstaltung an, oder sie sehen das Verhältnis von Arbeiterbewegung und Immigranten als geklärt an. An diesem Verhältnis ist allerdings nichts geklärt. Die Immigranten leben faktisch in Geiselhaft, Sie haben kaum oder nur wenig Möglichkeiten ihren Protest selbstorganisiert Ausdruck zu verleihen. Heutzutage hat die übergroße Mehrheit der Immigranten keine “Papiere”. Ein großer Teil kann die Aufenthaltsgenehmigung nicht erhalten, weil sie Probleme haben die erforderlichen Arbeitspapiere zu bekommen. Ihr Aufenthalt ist allenfalls vorübergehend geduldet. Dies macht Immigranten zu Geiseln in den Händen staatlicher Behörden und natürlich eines jeden Unternehmers. Aufgrund der Gefahr der Abschiebung können sie nicht einmal einfachste Beschwerden bei den Behörden einreichen. Ihre Verwundbarkeit, die faktische Geiselhaft in der sie sich befinden, macht es ihnen nahezu unmöglich sich gewerkschaftlich zu organisieren oder zu wehren. Angesichts dieser Bedingungen gibt es leider keine Möglichkeit einer aktiven und gleichberechtigten Beteiligung der Immigranten an der Arbeiterbewegung. Immigranten ohne Papiere, mit wenigen organisatorischen Möglichkeiten sich zu wehren, werden in diesem System gnadenlos ausgebeutet. Sie sind mit Haut und Haaren an die Kette gelegt. Die “Legalisierung” der Immigranten, d.h. ihre bedingungslose Gleichstellung und Gleichberechtigung sind wesentliche Grundvoraussetzung für die Beteiligung an einer starken Arbeiterbewegung. Eine Politik die darauf abzielt, einen großen Teil der abhängig Beschäftigten in Geiselhaft zu halten, schwächt die Entwicklungsmöglichkeiten einer Arbeiterbewegung. Insofern sollten die Kämpfe der Immigranten nicht mitleidig umarmt werden, oder gar als Kampf von „Fremden“ gesehen werden. Sie müssen als Kämpfe der Arbeiterbewegung als solcher verstanden werden, was sie ja auch faktisch sind. Dann wird auch die Losung „griechische und immigrierte Arbeiter gemeinsam und vereint“ aufhören ein bloßer Wunsch zu sein, und wirkliche Gestalt anzunehmen. Es gibt kein mechanisches Erfolgsrezept welches das Verhältnis zwischen Immigranten und Arbeiterbewegung garantieren könnte. Genauso wenig gibt es einen festgelegten Mechanismus der die Verbindung von Arbeiterklasse als solcher und Arbeiterbewegung bestimmen könnte. Die Immigranten, „die Verdammten in diesem Land“ sind Teil der Arbeiterklasse und sie haben ein großes Potential. In Griechenland gibt es zurzeit keine Organisation die sie willkommen heißt und ihnen eine Klassenorientierung vermittelt. (Abgesehen vielleicht von einigen wenigen Organisationen die versuchen sie zu instrumentalisieren um sich so eine „internationalistisches“ Image zu geben.) Folglich sind die Immigranten Opfer des Nationalismus und der Ausbeutung der Bourgeoisie, die ihnen die Schuld an der Krise in die Schuhe schieben will, um sie so weiter zu marginalisieren.
Was denkt Ihr über die weiteren Perspektiven der Bewegung? Gibt es hoffnungsvolle Anzeichen dafür, dass die Arbeiter über die bloße Verteidigung ihrer unmittelbaren Interessen hinausgehen werden?
Die weiteren Entwicklungsperspektiven hängen vom Kräfteverhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital ab. Und gegenwärtig hat sich dieses Verhältnis überwiegend zugunsten des Kapitals verschoben. Dies liegt daran, dass die Arbeiterklasse aufgrund der Hegemonie und Dominanz der Ideologie der Herrschenden, nicht in der Lage ist, sich erfolgreich als Klasse für sich zu organisieren. Was den Stand des Klassenbewusstseins, das politische Niveau und die sozialen Bindungen angeht, ist die Arbeiterklasse in einer sehr schwierigen Situation. Natürlich wehrt sie sich und sie wird sich auch in Zukunft gegen die bevorstehenden Angriffe wehren. Das ist nicht das Problem. Die Menschen sind wütend. Das Kernproblem ist, dass sie kein Vertrauen in ihre kollektive Stärke haben und auch nicht von der sozialen Vision einer anderen Gesellschaft angetrieben werden. Deswegen drückt sich ihre Gegenwehr oftmals in verzweifelten und äußerst kurzsichtigen Aktionen aus. In einem solchen Fall könnte ihre „Revolte“ die Form eines extremen Gewaltausbruchs einer unbestimmten Menge annehmen, eines Mobs der keine Hoffnung hat und lediglich seiner Wut gegen alles Mögliche freien Lauf lassen möchte. Abgesehen davon dass dies ein gefundenes Fressen für die Provokateure der Polizei wäre, würde es zu keiner Lösung führen. Tiefe Enttäuschung und letztendlich eine reaktionäre Krisenlösung wären die Folge. Revolutionäre Politik zielt darauf ab, das Selbstbewusstsein der Menschen in ihre eigene Kraft zu stärken. Aber das oben Genannte führt exakt zum Gegenteil. Die Analyse des Dezember 2008 ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Sie gibt einen Vorgeschmack auf eine Situation in der Banden die Ausschreitungen dominieren, einer Situation willkürlicher Gewalt ohne jede Ziele und damit ohne jede Perspektive. Die Linke hat in all ihren Schattierungen nicht anzubieten. Es fehlt ihr schlicht und einfach an einer Vision. Es ist ihr über ein Jahrhundert erfolgreich gelungen die Ideen des Sozialismus und Kommunismus als Alternative zum kapitalistischen System grundlegend zu diskreditieren. Sie kann keine überzeugende alternative Perspektive anbieten außer diversen reaktionären Lösungen. Die derzeit bekannteste ist die Forderung nach einem Austritt des Landes aus der Eurozone. Dies würde den Lebensstandard der Arbeiterklasse noch schlimmer treffen, als alles was passiert wenn das Land in der Eurozone verbleibt. Das ist in Wirklichkeit die arbeiterfeindlichste Politik die derzeit vorgeschlagen wird. In einem Importland wo der Durchschnittslohn bei 450 Euro liegt, würde eine um 50% abgewertete Drachme zu einem Lebensstandard wie in der Dritten Welt führen. Und das ist die “radikalste Lösung” die derzeit von der Linken vorgeschlagen wird. Den Hauptpreis für Idiotie können die diversen Gruppen der Trotzkisten für sich beanspruchen, die für eine Einheitsregierung der Linken eintreten. Wir können derzeit noch nicht wissen was noch an reaktionären Konzepten aufgeboten wird. Allerdings ist das Entstehen einer neuen populistischen “rot-braunen” Kraft gegenwärtig ein wahrscheinliches Szenario von vielen. Wenn wir wirklich etwas Neues entwickeln wollen, müssen wir vollständig mit der Linken brechen, mit all ihren anti-plutokratischen Ideologien und ihrer Idealisierung von Riots und blinder Gewalt.
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