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Startseite ›Interview mit der Socialist Workers`League of Korea (SWLK)
Wir haben bereits an anderer Stelle über die Repression gegen die GenossInnen der SWLK berichtet. Das folgende Interview bietet einige Hintergrundinformationen über die Klassenkämpfe in Südkorea und das Vorgehen des Staates.
Könntest Du Dich vorstellen?
Ich arbeite als Sekretär für die „Socialist Workers League of Korea“. Als eines der Gründungsmitglieder der SWLK wurde ich im August 2008 wegen Verstoßes gegen das Nationale Sicherheitsgesetz verhaftet. Aber im Gegensatz zu den Erwartungen der koreanischen Regierung hat das Gericht die Haftbefehle für alle festgenommenen AktivistInnen aufgehoben, so dass wir nach 60 Stunden Haft wieder freigelassen wurden.
Im November hat die Anklage wiederum Haftbefehle erlassen, die ebenfalls aufgehoben wurden. Aber sie haben nicht aufgegeben und nach einjährigen weiteren Ermittlungen wieder Anklage erhoben. Dieses Verfahren zog sich über ein Jahr hin. Ich bin ebenfalls in der Unterstützungsarbeit für die Gewerkschaft der prekären ArbeiterInnen Koreas aktiv, die sich aus mehreen Vereinigungen prekärer Arbeiterinnen zusammensetzt und dem Korean Confederation of Trade Unions (KCTU) angeschlossen ist. Ich war weiterhin in der Solidaritäts- und Unterstützungsarbeit für ArbeiterInnen mit Teilzeitverträgen in den großen Unternehmen wie bspw. der Hyundai Motor Company aktiv.
Was ist die “Socialist Worker’s Alliance of Korea”?
Die „Socialist Workers League of Korea“ wurde im Februar 2008 als vereinigte revolutionäre Kraft von mehreren sozialistischen Gruppen in Korea gegründet. Wir sind eine revolutionäre Organisation, die öffentlich erklärt auf der Seite des Proletariats in der ganzen Welt (Korea eingeschlossen) für die proletarische Revolution zu kämpfen.
Kannst Du mehr über die politische Ausrichtung der SWLK sagen
Wie ich schon vorhin sagte, basiert die Plattform der SWLK auf dem revolutionären Sozialismus. Aber dieser Begriff hat verschiedene Bedeutungen, je nachdem welche Gruppen ihn verwenden. Deswegen muss ich wohl einige Ausführungen machen. Wir sind revolutionäre SozialistInnen, die davon ausgehen, dass das kapitalistische System auf der Abpressung von Mehrwert durch rücksichtslose Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter basiert und daher eine sozialistische Transformation unabdingbar ist. Dies kann nur durch eine ArbeiterInnenrevolution geschehen, nicht durch den Parlamentarismus. Die Pariser Commune und die Russische Revolution waren bedeutende Meilensteine in der Geschichte der Menschheit. Aber der Kampf des Proletariats hat durch die Niederlage der Weltrevolution in den 20er-Jahren und die stalinistische Konterrevolution in den 30ern eine schwere Niederlage erlitten. Wir sehen die Sowjetunion nach 1930 nicht als sozialistischen Staat an. Ebenso sehen wir die stalinistischen Staaten in Osteuropa, China, Kuba und Nordkorea nicht als sozialistische Staaten. Diese erklären sich gerne zu sozialistischen Staaten, obwohl dort niemals eine ArbeiterInnenrevolution stattgefunden hat. Diese Staaten waren nur eine andere Form des kapitalistischen Staates, was bedeutet dass sie die Ausbeutung und Unterdrückung der ArbeiterInnenklasse nie aufgehoben haben. Wir glauben und hoffen dass diese Regime durch wirkliche ArbeiterInnenrevolutionen gestürzt werden.
Könntest Du etwas zur politischen Praxis der SWK sagen?
Unser Schwerpunkt besteht darin ArbeiteraktivistInnen für den Aufbau einer revolutionären Partei zu organisieren. Wir meinen, dass sich revolutionäre Kräfte in den Betrieben verankern müssen, wo normale ArbeiterInnen ausgebeutet werden und sich in den täglichen Kämpfen gegen das Kapital mit anderen KollegInnen zusammenschließen müssen.
Welche Rolle hat die SWK in den Streiks seit 2007 gespielt?
Es hat seit 2007 in Korea sehr wichtige Streiks gegeben. Etwa den Streik in der Einzelhandelskette E-Land 2007, den Streik der AutomobilarbeiterInnen bei Ssangyong 2009 und den Streik prekär beschäftigter ArbeiterInnen bei Hyundai, um nur einige zu nennen. Alle drei Streiks haben als Sit-ins begonnen und sich dann auch als Besetzungsstreiks entwickelt. Die Aktivitäten der SWLK in diesen Streiks haben sich nicht sonderlich von anderen sozialistischen Gruppen in Korea unterschieden. Wir haben diese Streiks unterstützt, versucht Solidarität herzustellen und für Solidaritätsstreiks in anderen Betrieben appelliert, um so die Angriffe der Regierung und der Kapitalisten zurückzuschlagen. Wir haben uns dabei auf die BasisaktivistInnen konzentriert, da sie es und nicht die Gewerkschaftsführer es waren, die in diesen Besetzungsstreiks eine aktive Rolle gespielt haben. Wir haben versucht mit vielen ArbeiterInnen über die Perspektiven der Streiks zu diskutieren und die Streikberichte durch unsere Zeitung und unsere Betriebsflugblätter anderen ArbeiterInnen bekannt zu machen.
Warum ist der koreanische Staat gegen Dich und andere AktivistInnen der SWLK vorgegangen?
Es würde nicht sehr weit führen lange über unsere Sicht der Dinge zu reden. Deshalb möchte ich mich darauf konzentrieren drei Argumente der herrschenden Klasse darzustellen, die in wichtigen Situationen gegen uns vorgebracht wurden. Erstens: Warum hat sich die Regierung entschieden im August 2008 SWLK- Mitglieder einzusperren. War gerade dieser Zeitpunkt für die Regierung Lee Myongbak wichtig? In der Tat! Ausgehend von einer kleinen Kundgebung einiger Schüler entwickelten sich in Korea im Juni und Juli tägliche Demonstrationen, an den sich Hunderttausende beteiligten und ein Ende des Regimes forderten. Aber im August genau nach unserer Verhaftung erklärte die Regierung, dass die SWLK die treibende Kraft bei den Demonstrationen des Sommers 2008 gewesen sei. Das ist offenkundig eine glatte Lüge.
Wir waren nur eine von vielen Kräften, die sich an den Kundgebungen beteiligte. Wenn es Unterschiede zwischen den sozialistischen Gruppen, einschließlich SWLK und anderen gegeben hätte, wäre das ein Punkt. Wir riefen die ArbeiterInnen nicht nur auf den Kundgebungen sondern auch in den Betrieben zu politischen Streiks gegen das Handelsabkommen FTA und andere Formen der Arbeitsplatzvernichtung der Regierung auf. Zweitens: Nachdem sie zweimal gescheitert waren einen Haftbefehl gegen SWKL-Mitglieder durchzusetzen, entschied sich die Anklage 2009 uns ohne Inhaftierung anzuklagen. Was geschah zu dieser Zeit? Die ArbeiterInnen von Ssangyong hatten 77 Tage einen Besetzungsstreik durchgeführt, der erst am 7. August von der Polizei brutal unterdrückt werden konnte. Als sie uns am 11. August anklagten, war dies also genau nach dem Ende des Besetzungsstreiks. In einer Presseerklärung der Staatsanwaltschaft wurde die SWLK als eine treibende Kraft dargestellt, die den Streik angeheizt habe. Doch wieder einmal waren wir nicht die einzige Kraft die den Streik unterstützte und versuchte Solidarität herzustellen. Es ist nicht überraschend, dass die Anklage bezüglich des Streiks bei Ssangyong dem Gericht kaum Beweise vorlegen konnte. Drittens: Bei der Prozesseröffnung gab die Anklage einen bezeichnenden Kommentar ab:
Selbstverständlich ist die SWLK eine kleine Gruppe. Aber sie kann nicht einfach als unschuldig gelten nur weil sie eine kleine Gruppe ist. Besonders in dieser neoliberalen Ära ist es für eine kleine Gruppe wie die SWLK nicht unmöglich mehr Unterstützung von Menschen zu bekommen, und sich zu einer bedrohlichen Kraft zu entwickeln, die unser kapitalistisches System überwinden könnte.
Braucht es noch weitere Erläuterungen um zu erklären, warum die koreanische Regierung gegen die SWLK vorgeht? Zweifellos organisieren wir eine kleine Anzahl von ArbeiterInnen. Aber der Fall der SWLK ist nur der Anfang. Wenn wir in den kommenden Verfahren schuldig gesprochen werden, werden andere sozialistische Gruppen und ArbeiteraktivistInnen an der Reihe sein.
Wie wirkt sich das „Nationale Sicherheitsgesetz“ auf das Verfahren aus?
Das “Nationale Sicherheitsgesetz“ spielt in diesem Verfahren eine besondere Rolle. Es wird oft gesagt, dass das „Nationale Sicherheitsgesetz“ in Korea über der Verfassung stünde. Die Staatsanwaltschaft klagt uns für die Teilnahme an Demonstrationen gegen die Regierung an. Besonders geht es dabei um eine Kundgebung gegen das Freihandelsabkommen zwischen Korea und den USA im Jahr 2008, die 1. Million Menschen auf die Straße brachte. Aber das ist nur ein kleinerer Bestandteil des Verfahrens. Die Staatsanwaltschaft fordert von jedem Angeklagten eine Geldstrafe von ca. 500 Dollar wegen Verletzung des Demonstrations- und Versammlungsgesetzes. Bezüglich des angeblichen Verstoßes gegen das „Nationale Sicherheitsgesetz“ fordert sie jedoch 5-7 Jahre Haft. Darüber waren viele Menschen schockiert. 7 Jahre Haft ist die Höchststrafe für Verletzung des Paragraphen 7 des Nationalen Sicherheitsgesetzes. Die Anklage argumentiert, dass wir zu Gunsten eines feindlichen Staates gehandelt hätten, womit sie natürlich Nordkorea meint. Das ist absolut lächerlich, da ich ja schon ausführte, dass die SWLK gegen das nordkoreanische Regime ist. Hier liegt das ganze Geheimnis des Nationalen Sicherheitsgesetzes. Gegenüber der internationalen Gemeinschaft argumentiert die koreanische Regierung, dass dieses Gesetz gegen die militärische Bedrohung des Nordens schützen soll. Aber seine Ursprünge liegen in einem antikommunistischen Gesetz aus dem Jahr 1948. 1960 wurde lediglich der Name in „Nationales Sicherheitsgesetz“ geändert. Das „Nationale Sicherheitsgesetz“ ist also lediglich der Nachfolger der antikommunistischen Gesetzgebung. Folgerichtig hat die koreanische Regierung mittels des „Nationalen Sicherheitsgesetzes“ nicht nur Aktivisten, die das nordkoreanische Regime unterstützen oder Verbindungen mit ihm haben, verfolgt, sondern auch SozialistInnen die argumentieren, dass das nordkoreanische Regime durch eine ArbeiterInnenrevolution gestürzt werden muss. Das ist auch einer von vielen Gründen, warum internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International von der koreanischen Regierung fordern dieses Gesetz außer Kraft zu setzen.
Kannst du etwas zum Verlauf des Verfahrens und den politischen Folgen sagen?
Nahezu jeder Beweis, mit dem die Anklage unsere Schuld nachweisen möchte, stammt aus unseren Zeitungen und politischern Statements, die wir auf unserer Website publiziert haben. Einige stammen aus privaten E-Mails die die Staatsanwaltschaft mittels Durchsuchungsbefehl aus hunderttausenden Emaillisten herausgefiltert hat. Ausgedruckt macht die „Beweislage“ ca. 40.000 Seiten aus. Über zwei Jahre haben Staatsanwaltschaft und Polizei uns beschattet, auf Demonstrationen und politischen Versammlungen fotografiert, unsere privaten Emails gelesen und unsere Mobiltelefone abgehört. Während des Verfahrens gab es 30 öffentliche Verhandlungen, in denen wir Angeklagten uns politische Redeschlachten mit der Staatsanwaltschaft lieferten. Die Anklage rief mehr als 20 Zeugen auf. Das Verfahren nähert sich nun der Urteilsverkündung und unsere Hoffnung freigesprochen zu werden ist gewachsen. Es ist mehr als nur eine Hoffnung. Viele Kräfte und Gruppen haben uns in unserem Kampf gegen die Repression des koreanischen Staates unterstützt. Ebenso haben wir gehört, dass auch internationale Solidarität im Aufbau begriffen ist. Aber wer kann den Urteilsspruch schon wissen oder vorhersagen. In unserem Schlusswort haben wir Angeklagten folgendes hervorgehoben:
Ob wir nun eingesperrt werden oder nicht - die koreanische Regierung wird den sozialistischen ArbeiterInnen nicht verbieten können weiter zu wachsen. Es ist der Kapitalismus selber, der die ArbeiterInnen tagtäglich zum Sozialismus treibt. Die Anklage argumentiert, dass wir eine sehr gefährliche Ideologie vertreten würden. Glauben Sie, dass das wahr ist? Dann lassen sie doch die SozialistInnen frei und unbehelligt ihren Weg gehen. Wenn die Anklage richtig liegt, werden die ArbeiterInnen ganz von selber unsere Ideen, den Sozialismus zurückweisen.
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