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... und im Verlaufe dieses Kampfes sind die ArbeiterInnen mit den Gewerkschaften zusammengestoßen
Der Aufruf den wir hier dokumentieren, stellt den Versuch der TeilnehmerInnen der “berufsübergreifenden Vollversammlung“ (l’Assemblée générale interprofessionnelle – AG-IP) dar, sich an die internationale ArbeiterInnenklasse zu richten, deren Lebensbedingungen genauso so stark und in gleicher Weise angegriffen werden, wie die der französischen ArbeiterInnen. Dieser Aufruf hätte eine besondere symbolische Bedeutung haben können, wenn er von den TeilnehmerInnen der AG-IP auf den Höhepunkt des Kampfes hätte veröffentlicht werden können. Der Kampf der französischen ArbeiterInnen ist über ein einfaches Hickhack über die Rentenreform hinausgegangen. Er richtete sich gegen die Pläne die die Kapitalisten weltweit verfolgen, und im Verlaufe dieses Kampfes sind die ArbeiterInnen mit den Gewerkschaften zusammengestoßen.
Gleichwohl haben wir jedoch auch eine politische Kritik an dem Aufruf. So wird argumentiert, dass „Märkte (…) Profite für ihr Kapital erwirtschaften können“. Es wird sogar von „produktiven Absatzmärkten gesprochen“. Die Quelle des Profits ist jedoch der Mehrwert der im Produktionsprozess und nicht auf den Märkten entsteht. „Märkte die Profit erwirtschaften“ gibt es nicht. Alle neuen Werte und der Mehrwert werden von LohnarbeiterInnen geschaffen. Die Märkte ermöglichen es lediglich, dass sich der Mehrwert in der Geldform ausdrücken kann. Der Aufruf ist somit in sich widersprüchlich. Auf der einen Seite wird richtig hervorgehoben, dass „im Namen der Verteidigung der nationalen Wirtschaft jede nationale Bourgeoisie, jeder Nationalstaat, jeder Boss versucht die Kosten zu senken, um seine Wettbewerbsfähigkeit aufrecht zu halten“, und „sie unaufhörlich die Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen verschärfen“. ( Der Aufruf hebt auch richtig hervor, dass die Kürzungsmaßnahmen in jedem Land darauf abzielen die „Konkurrenzfähigkeit“ zu sichern, also die Möglichkeit mehr Mehrwert zu erzielen.) Auf der anderen Seite widerspricht sich der Aufruf selbst, wenn er betont, dass das grundlegende Problem die Märkte seien. So erfährt der /die LeserIn nicht, was der eigentliche Grund für die Angriffe sein soll: Ist es die Notwendigkeit die Profite zu sichern, die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen, um so profitabel Mehrwert zu erzielen, oder sind es einfach nur die Märkte? Als Ergebnis dieser Konfusion versteht der/die LeserIn nicht was heute passiert: Warum soll das Hauptproblem des Kapitalismus die Märkte seien, wenn gleichzeitig Maßnahmen zur Sicherung der Ausbeutung und kapitalistischen Rentabilität ergriffen werden, die die Märkte beschränken?
Aber wir können es nicht einfach nur bei Kommentaren dieses Aufrufs belassen. Um dies zu unterstreichen wollen wir daher hervorheben, dass die mutigsten und größten Anstrengungen kämpfender ArbeiterInnen für unserer aller Emanzipation alleine nicht ausreichen. Unsere Befreiung durch eine Revolution erfordert die Umgruppierung in und um eine internationalistische kommunistische Partei, die alle bisherigen Erfahrungen aufarbeitet, um schließlich über diese hinausgehen zu können. (Orélien)
Aufruf an die Beschäftigten, Erwerbslosen, Studierenden und prekär Beschäftigten Europas
Wir sind eine Gruppe von LohnarbeiterInnen aus verscheidenden Bereichen (Eisenbahnen, Bildungswesen, IT usw.), Erwerbslose und prekär Beschäftigte. Während der letzten Streiks in Frankreich haben wir uns als berufsübergreifende Vollversammlung zunächst auf einem Bahnsteig des Gare de l’Est und dann in einem Raum des Arbeitsamtes getroffen. Wir wollten soviel ArbeiterInnen wie möglich aus anderen Städten der Pariser Region zusammenbringen. Weil wir genug hatten von der Klassenzusammenarbeit der Gewerkschaften, die uns erneut in die Niederlage führte, wollten wir uns selbst organisieren, um zu versuchen, die verschiedenen streikenden Branchen zu vereinigen, den Streik auszudehnen und dass die Streikenden selbst den Kampf kontrollieren.
Gegen den sozialen Krieg der Kapitalisten
In Großbritannien, Irland, Portugal, Spanien, Frankreich, in allen Ländern werden wir brutal angegriffen. Unsere Lebensbedingungen verschlechtern sich immer mehr. In Großbritannien hat die Regierung Cameron angekündigt, 500.000 Stellen im öffentlichen Dienst zu streichen. 7 Milliarden sollen im Sozialhaushalt gestrichen werden, die Studiengebühren haben sich verdreifacht usw. In Irland hat die Regierung um Cowen den Mindeststundenlohn um mehr als einen Euro und die Renten um 9% gesenkt. In Portugal ist die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordniveau angestiegen. In Spanien kürzt der „so sozialistische“ Premierminister Zapatero rücksichtslos Arbeitslosenzahlungen, Sozialhilfe und im Gesundheitsbereich. In Frankreich untergräbt die Regierung weiter unsere Lebensbedingungen. Nach den Renten ist jetzt der Gesundheitsbereich an der Reihe. Für die Beschäftigten wird es immer schwieriger, medizinische Versorgung zu erhalten, mehr und mehr Medikamente müssen aus eigener Tasche bezahlt werden, private Zusatzversicherungen werden immer teurer, in den öffentlichen Krankenhäusern werden Stellen abgebaut. Im gesamten öffentlichen Dienst (Post, EDG-GDF, Telekom) werden Krankenhäuser geschlossen oder privatisiert. Als Folge dessen können sich Millionen ArbeiterInnenfamilien eine medizinische Versorgung nicht mehr leisten. Diese Politik ist für die Kapitalisten lebenswichtig. Angesichts der Zuspitzung der Krise und des Zusammenbruchs ganzer Bereiche der kapitalistischen Wirtschaft finden diese immer weniger Märkte, auf denen sie Profite für ihr Kapital erwirtschaften können. Dies treibt sie dazu, den Öffentlichen Dienste weiter zu privatisieren. Aber diese neuen Märkte sind als produktive Absatzmärkte für die großen Stützpfeiler der Weltwirtschaft wie die Bauindustrie, die Automobilindustrie, Ölindustrie zu beschränkt. Sie werden auf keinen Fall einen neuen Rettungsanker für die Weltwirtschaft darstellen. So wird in Anbetracht von Zusammenbrüchen ganzer Wirtschaftsbereiche der Kampf um die Märkte für die Multis umso heftiger. Mit anderen Worten – für die Kapitalinvestoren geht es um Leben und Tod. In diesem Kampf wird sich jeder Kapitalist hinter seinem Staat verschanzen um sich zu verteidigen. Im Namen der Verteidigung der Volkswirtschaft werden die Kapitalisten versuchen, uns für ihren Wirtschaftskrieg einzuspannen. In diesem Krieg sind die ArbeiterInnen die Hauptopfer. Denn im Namen der „Verteidigung der nationalen Wirtschaft“ versucht jede nationale Bourgeoisie, jeder Nationalstaat, jeder Boss die Kosten zu senken, um seine Wettbewerbsfähigkeit aufrecht zu halten. Konkret verschärfen sie unaufhörlich die Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen. Wenn wir sie gewähren lassen, wenn wir den Gürtel noch enger schnallen sollen, werden diese Opfer grenzenlos sein. Sie werden selbst unsere Existenzbedingungen infrage stellen! ArbeiterInnen! Wir dürfen uns nicht nach Branchen, Berufen oder Nationalität spalten lassen. Wir dürfen uns nicht für den Wirtschaftskrieg einspannen lassen. Wir müssen gemeinsam kämpfen und uns im Kampf zusammenschließen. Der alte Kriegruf von Karl Marx ist heute mehr als je gültig: “Arbeiter aller Länder, vereinigt Euch!“
Wir ArbeiterInnen müssen unsere Kämpfe in die eigene Hand nehmen
Heute kämpfen die ArbeiterInnen in Griechenland, Spanien, die Studierenden in England. Sie sind den Angriffen ihrer Regierungen ausgesetzt, die egal ob Rechts oder Links, im Dienst der herrschenden Klasse stehen. Und wie wir in Frankreich steht Ihr Regierungen gegenüber, die gewaltsam gegen die ArbeiterInnen, die Erwerbslosen, die Studierenden, und SchülerInnen vorgehen. In Frankreich wollten wir uns diesen Herbst verteidigen. Wir waren Millionen Millionen auf die Straße gehen, um diesen neuen Angriff abzuwehren. Wir haben gegen dieses neue Gesetz gekämpft und gegen all die anderen Sparmaßnahmen, die uns mit voller Kraft treffen. Wir haben „nein“ gesagt zur Verschärfung der prekären Bedingungen und der Verarmung. Aber die Intersyndicale (Koordination der Gewerkschaften) hat uns absichtlich eine Niederlage zugefügt, und sich gegen die Ausdehnung der Streikbewegung gestellt haben: Anstatt die Berufsschranken und die Branchenhürden zu überwinden, um die größtmögliche Zahl Arbeiter zusammenzuschließen, wurde die Beteiligung der anderen Beschäftigten an den Vollversammlungen verhindert.
Spektakuläre Aktionen zur Blockierung der Wirtschaft wurden durchgeführt. Aber nichts wurde unternommen, um Streikposten vor Ort oder fliegende Streikposten zu organisieren, die andere Arbeiter zur Beteiligung am Kampf ermuntert hätten. Arbeiter und prekär Beschäftigte haben diesen Schritt vollzogen.
Sie haben hinter unserem Rücken, hinter den verschlossenen Türen der Ministerien unsere Niederlage ausgehandelt. Die Intersyndicale (Koordination der Gewerkschaften) hat nie das Gesetz zur Rentenreform an sich abgelehnt. Im Gegenteil - sie haben immer wieder wiederholt, dass diese Reform notwendig und unvermeidbar ist. Ihnen zufolge hätten wir uns damit zufrieden geben sollen, mehr „Verhandlungen zwischen Regierung- Arbeitgebern - Gewerkschaften“, sowie eine „ bessere und gerechtere Umsetzung und Änderung des Gesetzes“ zu fordern.
Um gegen all diese Angriffe zu kämpfen, können wir nur auf unsere eigenen Kräfte zählen. Wir haben in dieser Bewegung die Notwendigkeit vertreten, dass die ArbeiterInnen sich selber in den Betrieben in unabhängigen Vollversammlungen organisieren, ihre Aktionen landesweit abstimmen, um so die Streikbewegung zu kontrollieren. Dazu sollen gewählte und jederzeit abwählbare Delegierte gewählt werden. Nur ein Kampf, der von allen Arbeitern getragen, organisiert und kontrolliert wird, und dessen Mittel und Ziele von ihnen selbst bestimmt wird, kann die erforderlichen Bedingungen für einen Sieg schaffen.
Wir wissen, dass der Kampf nicht vorüber ist. Die Angriffe werden sich verschärfen. Unsere Lebensbedingungen werden sich noch weiter verschlechtern. Die Folgen der Wirtschaftskrise werden noch stärker spürbar. Überall auf der Welt müssen wir uns zur Wehr setzen. Dazu müssen wir wieder Vertrauen in unsere eigene Kraft entwickeln.
Wir sind in der Lage, die Kämpfe in die eigene Hand zu nehmen und uns gemeinsam zu organisieren.
Wir sind in der Lage, offen und solidarisch miteinander zu diskutieren, und selber das Wort zu ergreifen.
Wir sind in der Lage, den Verlauf unserer Debatten und unsere Entscheidungen selbst zu bestimmen.
Die Durchführung von Vollversammlungen darf nicht in den Händen der Gewerkschaften liegen, sondern muss von den ArbeiterInnen selbst in die Hand genommen werden.
Wir werden darum kämpfen müssen, unser Leben und die Zukunft unserer Kinder zu schützen.
Die Ausgebeuteten dieser Erde sind unsere Klassenbrüder- und –schwestern, die ein- und derselben Klasse angehören.
Nur unser Zusammenschluss über alle Grenzen hinweg wird dieses Ausbeutungssystem überwinden können
TeilnehmerInnen der berufsübergreifenden Vollversammlung des Gare de l’Est und Ile de FranceNehmt mit uns Kontakt auf: interpro@riseup.net
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