Kubas Energiekrise ist ein Symptom für den globalen Verfall des Kapitalismus

Die derzeitige Situation Kubas ist weitaus prekärer als nach dem Zusammenbruch der UdSSR in den 90er Jahren. Am 18. Oktober letzten Jahres fiel das Kraftwerk Antonio Guiteras in der westlichen Provinz Matanzas kurz vor Mittag aus. Dies zu einer Zeit, als die Insel noch dabei war, sich von den Zerstörungen durch den Hurrikan Milton zu erholen. Die Stromversorgung wurde vorübergehend wiederhergestellt, fiel aber am darauffolgenden Sonntag erneut aus. Es war das vierte Mal, dass das veraltete System zusammenbrach und 10 Millionen Menschen in der tropischen Hitze vier Tage lang ohne Strom, Wasser oder Kühlung für ihre Lebensmittel in einer prekären Lage zurückließ. Seit dem letzten Stromausfall, vom 20. bis 21. Oktober, demonstrierten viele Menschen auf den Straßen und auf ihren Balkonen, indem sie aus Frustration auf Töpfe und Auflaufformen schlugen um von anderen in der gleichen Situation gehört zu werden. Viele von ihnen waren berufstätige Frauen mit Kindern, die ohne Strom auskommen mussten und dies als Kindesmisshandlung bezeichneten.

Die Versuche der UdSSR, Kuba in den 1960er Jahren mit einem produktivistischen staatskapitalistischen Modell zu industrialisieren, scheiterten völlig. Die UdSSR stützte Kubas Agrarwirtschaft indem sie Zucker zu einem hohen Preis abnahm, im Gegenzug stellte Kuba der UdSSR Soldaten zur Verfügung, die in den Stellvertreterkriegen im südlichen Afrika und in Äthiopien starben. Diese Politik ist bis heute spürbar: Alle Versuche die kubanische Wirtschaft durch den Abbau staatlicher Arbeitsplätze oder die Förderung des Wachstums des Privatsektors zu stabilisieren, sind gescheitert. Daran hat auch der Wechsel an der Spitze der „Kommunistischen“ Partei Kubas von Fidel über Raúl Castro bis hin zu Díaz-Canel nichts geändert. Der Inselstaat ist ein Pulverfass.

Die Situation verschlechtert sich von Tag zu Tag, seit die Covid-19-Pandemie den hochprofitablen Tourismussektor ausgebremst hat. Zu allem Überfluss belegte Trump, kurz vor dem Ende seiner ersten Amtszeit Kuba Anfang 2021 mit weiteren Sanktionen, indem er das Land auf die Liste der den Terrorismus unterstützenden Staaten setzte. Dies machte es US-Firmen nahezu unmöglich die Insel weiter mit Lebensmitteln und Energie zu beliefern. Derzeit kann die kubanische Regierung nicht einmal Kredite aufnehmen um Treibstoff oder Lieferungen von amerikanischen oder anderen Unternehmen zu kaufen, da diese Sanktionen zu befürchten haben. Diese Bedingungen führen zu einem massiven Rückgang der Überweisungen aus dem Ausland auf die Insel und ebneten den Weg für die Proteste vom 11. Juli 2021, bei denen der Staatsapparat auf unbewaffnete Demonstranten losgelassen wurde, was zu 500 Verhaftungen und „Verschwundenen“ führte.(1) Es folgten die kleineren Proteste im November 2021. Im August 2022 verlor die Regierung bei einem Brand in einer Raffinerie in Matanzas fast die Hälfte ihrer Ölversorgung. Der russisch-ukrainische Krieg führte zu einer weiteren wirtschaftlichen Abkopplung und einem raschen Anstieg der Kraftstoffpreise, was durch die Covid-19 verursachten Brüche in den Lieferketten noch verschärft wurde. Die Kraftstoffknappheit nahm in der Folge zu, als Kubas wichtigste regionale Verbündete, Mexiko, Venezuela und Russland die subventionierten Energielieferungen nach Kuba reduzierten, da sie sich selber inmitten der sich vervielfachenden internen Krisen während des wirtschaftlichen Abschwungs im Jahr 2022 befanden.

Um bestehende Allianzen zu festigen, hat der sich schnell bildende chinesisch-russische Block versucht, die kubanische Regierung über Wasser zu halten. Der staatliche venezolanische Ölkonzern PDVSA soll eine „dunkle Flotte“ geheimer Tanker eingesetzt haben, um die neuen Beschränkungen zu umgehen. Gleichzeitig werden die von China verordnete wirtschaftliche Umstrukturierungen (die einen erheblichen Abbau von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst vorsehen) zu massiver Arbeitslosigkeit und weiteren sozialen Verwerfungen führen. Kurz gesagt: Das kubanische Kapital ist veraltet. Die Ersparnisse der einheimischen Privatkapitalisten sind gering, während der Zufluss von Investitionen ebenfalls nicht ausreicht. In einer Zeit in der die meisten staatlichen Investitionen zurückgehen, haben selbst die pro-demokratischen, liberalen Mehrparteien-Reformisten derzeit nichts anzubieten.

Allein im Jahr 2024 taumelte die Insel von einer Krise in die nächste, was zu Lebensmittel- und Energierationierungen (in Form von Stromausfällen) führte. Am 17. und 18. März kam es zu weiteren Protesten, die durch die schiere Frustration und Not der ArbeiterInnen hervorgerufen wurden, was sich auch in der schlichten Forderung „Strom und Essen“ ausdrückte. Die Regierung von Miguel Díaz-Canel konnte angesichts der angespannten sozialen Situation nicht einmal diese grundlegenden Forderungen erfüllen. Die Reaktion des Staates bestand darin, das Internet abzuschalten, die tagelangen Demonstrationen mit Gewalt zu unterdrücken, die Beteiligten als Terroristen zu brandmarken und sich dann an das Welternährungsprogramm zu wenden um Milchpulver zu erhalten, damit die ohnehin schon geringe Kalorienzufuhr der KubanerInnen nicht noch weiter sinkt. Russland nahm die Öllieferungen im April 2024 nach einer Unterbrechung wieder auf, um die Regierung zu entlasten. Während der imperialistische NATO-Block die Ukraine mit Langstreckenraketen und Waffensystemen versorgte, verlegte das russische Militär Atom-U-Boote an die Insel, um sowohl engere Beziehungen zur kubanischen Regierung zu signalisieren als auch zu demonstrieren, dass der russische Imperialismus inmitten ukrainischer Raketenangriffe und Einfälle in Russland horizontal eskalieren kann.

Seit über einem Jahr kommt es aufgrund des Mangels immer wieder zu Protesten. Viele Menschen sitzen zeitweise im Dunklen oder hungern. Die Regierung rechnet jedoch in naher Zukunft mit noch heftigeren Protesten, da die Menschen mit der Bewältigung der letzten Krisen unzufrieden sind. Die Regierung läuft Gefahr, in eine massive politische Krise zu stürzen, in der die Führungsriege der „Kommunistischen“ Partei Kubas über die Frage des weiteren Vorgehens wahrscheinlich gespalten sein wird. Kubas Hauptverbündete (Russland und China) werden alles tun, um Kuba als Schachfigur zu stützen und aus dem Einflussbereich der USA herauszuhalten. Aufgrund der Unfähigkeit der Regierung, der sich verschärfenden sozialen Lage (wie der Infrastruktur) Herr zu werden, war der Staat gezwungen, einen Großteil der Armee und Polizeikräfte um die Hauptstadt zusammenzuziehen, um anderswo aufkeimende Proteste abzuschneiden und auszuhungern. Dies birgt jedoch auch die Gefahr einer verstärkten Selbstaktivität der Klasse, die sich unter diesen Bedingungen ausbreiten könnte. Die Situation ist düster. Die kubanische Bourgeoisie ist sich nicht sicher, welchen Weg sie einschlagen soll, aber wenn das kapitalistische Klassensystem bestehen bleibt, wird es auf jeden Fall blutig enden.

ArbeiterInnen haben die Situation als hoffnungslos beschrieben oder sich aufgrund der Repression und der Diskreditierung reformistischer Strömungen lange Zeit stoisch mit diesen Bedingungen abgefunden. Der einzige Ausweg besteht in der Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise. In Kuba existieren alle grundlegenden Aspekte des Kapitalismus (Lohnarbeit, Ware, Privateigentum), die in den Händen des Staates konzentriert sind, dem ausbeuterischsten Monopol von allen, und somit auch die unlösbare Verwertungskrise des Kapitalismus. Es gibt nur eine Lösung: die unabhängige Selbsttätigkeit der ArbeiterInnenklasse und die kommunistische Revolution, angeführt von einer neuen internationalen Partei. Diese Partei muss in der Lage sein, alle Lehren aus dem Kampf der ArbeiterInnenklasse zu ziehen, um ein Programm für konkrete politische Maßnahmen zu entwickeln. Der Kommunismus zielt auf die Befreiung und die Überwindung der Klassengesellschaft. Er ist keine Parteidiktatur, die durch einen Militärputsch eingeführt werden kann, wie nach dem Sturz der diskreditierten Regierung Batistas.

Internationalist Workers' Group

Anmerkungen;

Siehe dazu auch: leftcom.org

Sunday, March 23, 2025