Trotzki und die Internationalistische Kommunistische Linke

Unsere Kritik an Trotzki basiert nicht auf nachträglichem abstraktem Moralisieren. In den 1920er und 1930er Jahren gab es eine revolutionäre Opposition gegen die Entartung der Kommunistischen Internationale, die ihre Kritik an dieser Entartung auf die methodologischen Prämissen von Marx und Lenin stützte und ausgehend von dieser Methode auch Trotzki selbst kritisierte. Diese setzte sich aus den Gründungsmitgliedern der Kommunistischen Partei Italiens 1921 in Livorno zusammen, revolutionären AktivistInnen, die innerhalb der Kommunistischen Internationale gegen die Politik der „Einheitsfront“ mit den Führern der Sozialdemokratie kämpften, derselben Kraft also, die für die Ermordung von ArbeiterInnen und RevolutionärInnen verantwortlich war. Innerhalb der Kommunistischen Partei Italiens stemmten sie sich gegen die sog. „Bolschewisierung“, die auf die Verdrängung der Linken aus den Führungspositionen abzielte. Obwohl die Linke die Mehrheit der Mitglieder vertrat wurde sie jedoch letztendlich mit bürokratischen Methoden aus ihren Positionen in der Partei verdrängt.

Sowohl von den Faschisten als auch von den Stalinisten verfolgt, setzten sie ihren Kampf in den Gefängnissen Mussolinis und im Exil fort. 1928 konstituierten sie sich in Pantin bei Paris formell als Linke Fraktion der Kommunistischen Partei Italiens (PCd'I). Ein Jahrzehnt lang gaben sie bis 1938 zunächst in Brüssel und schließlich in Frankreich ihre Zeitschrift Prometeo (Prometheus) heraus, mit deren Namen sie oft identifiziert und bekannt wurden. Politisch stützen sie sich auf die „Plattform der Linken“ beruhend auf den Thesen, die Amadeo Bordiga 1926 auf dem 3. Kongress der PCd'I vorgetragen hatte und der notgedrungen außerhalb Italiens in Lyon abgehalten werden musste. Die organisatorischen Manöver der „bolschewisierten“ Führung um Gramsci und Togliatti führten auf diesem Parteitag dazu, dass die Thesen des „Zentrums“ von Gramsci gegen die der Linken erstmalig durchgesetzt wurden.(1)

Auf ihrer Gründungskonferenz in Pantin verabschiedeten die italienischen LinkskommunistInnen u.a. eine Resolution, die die Einberufung eines 6. Kongress der Kommunistischen Internationale unter dem Vorsitz Trotzkis einforderte, um alle aus der Komintern ausgeschlossenen Oppositionsgruppen wieder zu integrieren. Die Italienische Linke hatte sich bereits mit der Russischen Linksopposition „zur Verteidigung der siegreichen Prinzipien des Oktobers“ solidarisiert, betonte aber stets, dass „es Differenzen“ gäbe. Trotzki seinerseits begrüßte die Entstehung der Italienischen Linken sehr. In seiner Antwort an Prometeo vom 25. September 1929 erklärte er:

Die Plattform der Linken“ (1926) hat auf mich einen großen Eindruck gemacht. Ich glaube, dass sie eines der besten Dokumente der internationalen Opposition ist, und noch in vielem ihre Bedeutung bis auf den heutigen Tag bewahrt hat.

Die „Möglichkeit der Prüfung unserer ideellen Nähe und unseres gegenseitigen Verstehens“ wollte er allerdings der „Zeit und den Ereignissen“ überlassen.(2)

Diese Korrespondenz spiegelte die von Anfang an bestehenden, grundlegenden Differenzen wider. Zunächst erkannte die Italienische Linke von Beginn an, dass ihre organisatorische Schwäche als eine in verschiedene Exilländer versprengt Fraktion ein Produkt der internationalen Konterrevolution war. Vor diesem Hintergrund sah sie die Notwendigkeit, zu verstehen, was mit dem Proletariat in dieser Periode geschehen war, um eine Bilanz für die Wiederbelebung der ArbeiterInnenklasse und ihrer Partei zu ziehen. Obwohl sie das Projekt Trotzkis für ein internationales Zentrum aller internationalen Oppositionen unterstützte, sah sie sich außerstande direkt mit dem trotzkistischen Sekretariat zusammenarbeiten, da dieses nicht auf der Grundlage einer auf den Lehren der Oktoberrevolution beruhenden politischen Plattform von Positionen agierte. Das negative Kriterium des Antistalinismus betrachteten sie als unzureichende Aktionsgrundlage. Ihre Haltung wurde in einem Brief von Vercesi (damals eines ihrer führenden Mitglieder und Herausgeber von Prometeo) folgendermaßen zusammengefasst:

Es gibt viele Oppositionsgruppen. Das ist schlecht; aber es gibt kein anderes Gegenmittel als die Konfrontation zwischen ihren jeweiligen Ideologien, eine Polemik, um dahin zu kommen, was ihr uns vorschlagt. (…) Unsere Losung ist, in die Tiefe zu gehen mit unseren Anstrengungen, ohne uns vom Köder eines Resultats leiten zu lassen, das in Wirklichkeit eine Niederlage wäre. Wir denken, dass es unabdingbar ist, sich sorgfältig gegenseitig kennenzulernen, ehe man sich vergewissern kann, ob diese oder jene Gruppe eine wahrhaft linke Kritik hat.(3)

Die Hauptdifferenz zwischen den Positionen Trotzkis und denen der Italienischen Linken bestand zu dieser Zeit in der Frage der Einheitsfront. In den „Thesen von Rom“, die Bordiga 1922 für die PCd'I formuliert hatte, bevor die Linke aus der Führung verdrängt worden war, pflanzten die italienischen KommunistInnen zum ersten Mal ein Banner gegen den Niedergang der Kommunistischen Internationale auf, die auf ihrem Vierten Kongress im selben Jahr einen entschiedenen Schritt zurück in Richtung einer Annäherung an die Sozialdemokratie gemachte hatte - eines Schrittes, der von Trotzki frenetisch bejubelt worden war. Die Sozialdemokratie, die das Massaker an den fortgeschrittensten Teilen der deutschen ArbeiterInnenklasse federführend angeführt und organisiert hatten, wurden nun wieder als „Arbeiterparteien“ verklärt, mit denen man das Bündnis gegen die faschistische Bedrohung suchte. In den „Thesen von Rom“ hatten sich die italienischen Kommunisten gegen die Taktik der Einheitsfront ausgesprochen. Die Italienische Linke lehnt zwar die Notwendigkeit von Taktiken oder „indirekten“ Kampfmethoden in Zeiten einer Defensive der Klasse nicht grundlegend ab. Gleichwohl wandten sie sich jedoch entscheiden gegen „Mittel“ und „Manöver“, die darauf abzielten, die Unterstützung der Massen zum Preis der Untergrabung der hart erkämpften politischen Autonomie des revolutionären Proletariats zu gewinnen, für die die Bolschewiki von 1903 bis 1922 gekämpft hatten. Aus diesem Grund wandte die Kommunistische Partei Italiens unter Führung Bordigas die Taktik der „Einheitsfront von unten“ an, was konkret bedeutete mit den Arbeitern der sozialdemokratischen Parteien zusammenzuarbeiten wo auch immer gemeinsame Kämpfe möglich waren, nicht aber mit deren Organisationen. Dies ließ der Kommunistischen Partei Italiens die Freiheit, die Führung der Sozialdemokratie wegen ihrer Klassenkollaboration gnadenlos zu kritisieren. Eine solche Herangehensweise entsprach jedoch nicht der Vorstellung der Komintern von der Einheitsfront, die auf formale Bündnisse mit den alten arbeiterfeindlichen Führungen der Sozialdemokratie abzielte, was nur zu weiterer Verwirrung führen sollte.

Für Trotzki war die Einheitsfront jedoch der Ausdruck der höchsten Errungenschaft der Komintern. Er stützte seinen politischen Bezugsrahmen stets auf die ersten vier Kongresse der Komintern, während die Italienische Linke sich lediglich auf die ersten beiden berief. Die sich zwischen ihnen auftuende politische Kluft rührte nach Trotzkis Ansicht daher, dass die Sozialdemokratie im Wesentlichen proletarisch sei, da sie einen Teil der ArbeiterInnenklasse in ihren Reihen organisierte. Die Kommunistische Linke erkannte jedoch, dass die Anwendung dieses Kriteriums dazu führen könnte, jede konterrevolutionäre Kraft als proletarisch zu bezeichnen. Sie sah die Aufgabe der KommunistInnen darin, dafür zu kämpfen, dass sich die ArbeiterInnenklasse der Prinzipien des Kommunismus bewusst wird.

Die anfängliche politische Kluft zwischen der Italienischen Linken und Trotzki entwickelte sich nun zu einem einzigen Abgrund. Da Trotzki sich immer noch weigerte einzusehen, dass es um weitaus mehr ging als um eine einfache organisatorischen Konsolidierung aller Oppositionsgruppen unter seiner Führung, beschloss die Italienische Fraktion die notwendige Arbeit der politischen Klärung selbst zu übernehmen. Im November 1933 veröffentlichte sie die erste Ausgabe ihrer neuen Zeitschrift Bilan. Ihren politischen Ausgangspunkt bestimmten sie folgendermaßen:

Es ist kein Wechsel in der historischen Situation, der es dem Kapitalismus erlaubte, den Sturm der Nachkriegsereignisse zu überstehen. 1933 ebenso wie 1917 steht der Kapitalismus als Gesellschaftssystem gleichermaßen definitiv verurteilt da. Was sich zwischen 1917 und 1933 änderte ist das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Hauptklassen, zwischen den beiden historischen Kräften, die einander in der gegenwärtigen Epoche gegenüberstehen: Kapitalismus und Proletariat. (…) Wir haben heute einen Kulminationspunkt in dieser Periode erreicht. Das Proletariat ist möglicherweise nicht mehr länger imstande, sich dem Ausbruch eines neuen imperialistischen Krieges entgegenzustellen. Wenn es aber überhaupt noch eine Möglichkeit für einen unmittelbaren revolutionären Aufschwung gibt, so nur im Verstehen der vergangene Niederlagen. Jene die das Schlagwort der unmittelbaren Mobilisierung der Arbeiter dieser unumgänglichen Arbeit der historischen Analyse vorziehen, schüren nur Konfusionen und verhindern den wirklichen Aufschwung proletarischer Kämpfe. Die Kader für die neuen Parteien des Proletariats können nur aus einer tiefen Kenntnis der Ursachen der Niederlagen hervorgehen. Und dieses Wissen kann keine Verbote und keine Ächtung ertragen. Die Bilanz der Nachkriegsereignisse zu ziehen, bedeutet daher, die Bedingungen für den Sieg des Proletariats in allen Ländern zu schaffen.(4)

Nach 1933 verfestigte sich Trotzkis strategischer Ansatz, seine Anhängerschaft darauf zu orientieren, sich mit antiproletarischen Kräften zu arrangieren, anstatt auf eine Neuausrichtung mit den verbliebenen revolutionären Fraktionen hinzuarbeiten. Drei besondere Entscheidungen zeigen, dass die Auswirkungen dieses Ansatzes die Trotzkisten dahin führten, sich bereits vor der Veröffentlichung des Übergangsprogramms im Jahr 1938 aus dem proletarischen Lager zu verabschieden. Diese drei entscheidenden Punkte, die hier nacheinander behandelt werden sollen, sind zum einen der Eintritt der Trotzkisten in die Organisationen der Zweiten Internationale, ihre Unterstützung für die antifaschistischen Kräfte während des Spanischen Bürgerkriegs und ihre Interpretation des Antiimperialismus in den Kriegen in China und Abessinien/Äthiopien.

Die „Französische Wende“ von 1934

1934 vollzog die trotzkistische Bewegung, das, was Trotzki als „die schwerwiegendste Wende in ihrer ganzen Geschichte“ bezeichnen sollte. Beginnend mit seiner französischen Sektion forderte Trotzki seine Anhänger auf, sich den Parteien der Zweiten Internationale und anderen ähnlichen Organisationen en bloc anzuschließen. Trotzkis Antwort auf das Scheitern des Stalinismus bestand faktisch darin, zur Sozialdemokratie zurückzukehren. Dies bedeutete einen politischen Bruch mit allem, wofür die ArbeiterInnenklasse in der Zeit zwischen 1914 und 1926 gekämpft hatte. Es bedeutete eine Rückkehr zur Unterstützung imperialistischer Fraktionen, zurück zu den alten Gewerkschaften, die den imperialistischen Krieg unterstützt hatten, zurück zu denen, die während der revolutionären Periode nach 1917 aktiv die Ermordung von KommunistInnen und ArbeiterInnen angeführt hatten. Dennoch breitete sich diese Taktik bald auf andere Sektionen aus, vor allem in Großbritannien, den USA und Spanien. Die Idee des trotzkistischen „Entrismus“ mit der Generationen von Trotzkisten die sozialdemokratischen politischen Organisationen gestärkt haben, hatte also ihren Ursprung in dieser sog. "Französischen Wende".

Die französische trotzkistische Organisation entschloss im Sommer 1934 auf starken politischen Druck des seinerzeit in Frankreich weilenden Trotzkis, zu diesem entscheidenden Schritt. Ein Jahr zuvor waren die GenossInnen der Linken Fraktion der Kommunistischen Partei Italiens von den Trotzkisten bürokratisch aus der Diskussion gedrängt worden. Diese hatten den Weg von Trotzki und seinen Anhängern vorausgesehen und entschieden dagegen argumentiert. In der Zeitschrift Bilan argumentierten unsere GenossInnen, dass die trotzkistische Strategie eine im Wesentlichen reaktionäre Ersatzhandlung für die Bemühungen um eine gemeinsame Analyse des Niedergangs der proletarisch-revolutionären Welle hinauslaufe. Im August 1933 bezeichneten sie die Annäherung Trotzkis an die „linken“ Sozialdemokraten als einen Schritt „in Richtung einer Zweidreiviertel-Internationale" und stellten unmissverständlich klar:

Trotzki begeht einen kolossalen Fehler, wenn er für eine gemeinsame Arbeit mit den linken Sozialisten eintritt, um eine neue kommunistische Partei aufzubauen.

Die Italienischen Linke verfolgte eine konträre Herangehensweise zu den Trotzkisten und betonte die Notwendigkeit einer grundlegenden Analyse zum Verständnis des Charakters der Periode, anstatt sich in organisatorische Manöver zu flüchten und zu versuchen eine Massenpartei zu schaffen für die es keine materielle Möglichkeit gab:

Das Proletariat erlitt 1927 eine schreckliche Niederlage, weil es ihm nicht gelang, dem konterrevolutionären Erfolg des Zentrismus etwas entgegenzusetzen. [Stalinismus wäre heute eine bessere Bezeichnung, auch wenn viele Zusätze hinzugefügt werden müssten, um zu betonen, dass der historische Prozess nicht von einem Einzelnen innerhalb der kommunistischen Parteien diktiert werden.] Heute zu sagen, dass wir neue Parteien auf der Grundlage der ersten vier Kongresse der Internationale gründen wollen, bedeutet, der Geschichte zu befehlen, sich zehn Jahre zurückzudrehen. Es bedeutet, auf das Verständnis der Ereignisse nach diesen Kongressen zu verzichten, und es bedeutet schließlich, neue Parteien in einen historischen Rahmen zu stellen, der nicht der ihre ist. Der Rahmen, in den wir die neuen Parteien morgen einordnen wollen, ist bereits durch die Erfahrungen mit der Ausübung der proletarischen Macht und durch die gesamte Erfahrung der kommunistischen Weltbewegung definiert. Die ersten vier Kongresse waren in dieser Arbeit ein Untersuchungsgegenstand, der einer intensiven Prüfung und Kritik unterzogen werden muss. Würden wir sie wie ein Evangelium akzeptieren, kämen wir zu folgendem Schluss: Der Tod Lenins oder die Beseitigung Trotzkis waren die Ursachen für den Sieg des Kapitalismus in einer Reihe von Ländern und den Erfolg des Zentrismus in der UdSSR und der Internationale.

Die Autoren von Bilan waren sich darüber im Klaren, dass die trotzkistischen Versuche, die Sozialdemokratie zu umwerben, nur in einem weiteren schmachvollen Scheitern enden würden. Sie sahen richtig voraus, an welchem Punkt sich die Trotzkisten 1938 befinden würden:

Die Unreife der Situation [d.h. das fehlende Verständnis der historischen Epoche] lässt die große Wahrscheinlichkeit erahnen, dass die derzeit entstehende "Zweidreiviertel-Internationale" auf eine einfache Änderung des Namens der ILO [der trotzkistischen Internationalen Linken Opposition] reduziert wird.

Für Trotzki und seine Anhänger war die „Französische Wende“ und die Neuorientierung auf die Zweite Internationale und andere Parteien des Kapitals eine weitere praktische Anwendung der Politik der „Einheitsfront“, die sich als Politik der Komintern während des Niedergangs der revolutionären Welle (1920-22) entwickelt hatte. In den 1930er Jahren zogen sowohl Stalinisten als auch Trotzkisten konterrevolutionäre Schlussfolgerungen aus dieser Position.

An diesem Punkt hörten Trotzki und der Trotzkismus aus Sicht der Italienischen Linken auf, eine proletarische Strömung zu sein. Sie erklärten, dass nun notwendig sei

...einen erbarmungslosen und gnadenlosen Kampf gegen ihn und seine Parteigänger zu führen, die den Rubikon überschritten und sich der Sozialdemokratie wieder angeschlossen haben.

Ein Jahr zuvor hatte Stalin die UdSSR durch den Beitritt zur „imperialistischen Räuberhöhle“ (Lenin) des Völkerbunds, formell wieder in den Kreis der konkurrierenden Imperialisten integriert. Sein Ziel war einfach: Hitlers „Drang nach Osten“ war für alle offensichtlich. Stalin erkannte, dass ein Angriff auf die UdSSR zu einer ernsten Gefahr werden könnte und so versuchte er ein Bündnis mit Frankreich und Großbritannien zu schließen. Die Rolle der Komintern in diesem Prozess wurde auf dem 7. Parteitag 1935 beschlossen und ihr vorübergehender Verbalradikalismus (im Zuge der sog. „Dritten Periode“ 1928-1933) gegen die Sozialdemokratie in die Geschichtsbücher verbannt. Sie feierte nun nicht nur die Sozialdemokraten als „Freunde der Demokratie“, sondern auch jede liberale, radikale oder anderweitig antifaschistische Partei in Westeuropa. Die Einheitsfront hatte nun ihren Höhepunkt in der Volksfront erreicht. Die Reaktion der Italienischen Fraktion bestand darin, jegliche - auch nur im Entferntesten oppositionelle - Verbindung zur Komintern zu kappen und zu erklären, dass der 7. Kongress der Grabstein der KPen sei.

In der Zwischenzeit prangerte Trotzki die Volksfront als eine Entstellung der Einheitsfront an, aber seine Kritik war nicht überzeugend, da er das wesentliche Motiv der Volksfront - die Verteidigung der UdSSR gegen die faschistische Bedrohung - akzeptierte. Und doch waren die Kräfte, die in der revolutionären Umwälzung nach dem Ersten Weltkrieg „dem Faschismus den Boden bereitet“ hatten, genau die Organisationen, zu deren Beitritt Trotzki seine Anhänger ermutigt hatte - die sozialdemokratischen Parteien.

Nach dem Aufstieg Hitlers bedeutete der Antifaschismus - d.h. die Opposition gegen einen bestimmten Aspekt des kapitalistischen Imperialismus - eine zunehmende Unterstützung für dessen anderen Aspekt - die bürgerliche Demokratie. Dies äußerte sich in Spanien, in China und schließlich weltweit im Zweiten Weltkrieg. Es war die Ideologie, die die imperialistischen Ambitionen der kapitalistischen Mächte kaschierte und es ihnen ermöglichte, Millionen von Proletariern in ihre Armeen zu rekrutieren. Wie wir gesehen haben, rief auch Trotzki zur Unterstützung dieses Kreuzzuges im Sinne der Verteidigung der UdSSR auf. Ein Jahr nach seiner Ermordung erreichte die UdSSR schließlich, was sie anstrebte - ein Bündnis mit den westlichen imperialistischen Mächten, einschließlich der USA, „zur Verteidigung der Demokratie“.

Vom Antifaschismus zum imperialistischen Krieg

Der erste Schritt zur Legitimierung des Antifaschismus als Motiv für die Verteidigung des westlichen und stalinistischen Imperialismus erfolgte in Spanien. Wie bereits ausgeführt, hatte Trotzki alle Einladungen und Angebote der Italienischen Kommunistischen Linken ausgeschlagen, die Degeneration der russischen Revolution im Kontext des allgemeinen Rückflusses der revolutionären Welle zu überprüfen. Trotzkis Weigerung, sich mit dem Ausmaß dieses Rückflusses auseinanderzusetzen, führte ihn unweigerlich dazu, die Natur der Ereignisse und folglich auch die marxistische Antwort auf sie vollkommen misszuverstehen. Im April 1936 schrieb er:

Die Lage in Spanien ist wieder revolutionär geworden.(5)

Faktisch wurden jedoch innerhalb weniger Monate seine eigenen Anhänger, weit davon entfernt, eine Position für die Klassenautonomie des Proletariats zu beziehen, was eine der grundlegendsten Voraussetzung gewesen wäre, um nach fünfzehn Jahren der Niederlage wieder auf die Beine zu kommen, dazu gedrängt, für die spanische bürgerliche Demokratie gegen Francos Armee zu kämpfen. Die Trotzkisten von heute versuchen, die Positionen, die damals eingenommen wurden, zu verwischen. Um keine Konfusionen aufkommen zu lassen, sollten wir uns Trotzkis Argumentation genauer anschauen. Im Februar 1937 schrieb er:

Nur Feiglinge, Verräter oder Agenten des Faschismus können den spanischen republikanischen Armeen Hilfe verweigern. Die elementare Pflicht eines jeden Revolutionärs besteht im Kampf gegen die Banden Francos, Mussolinis und Hitlers.(6)

Wiederum im September desselben Jahres erklärte er:

Überall wo, und immer wenn die revolutionären Arbeiter nicht stark genug sind, unmittelbar das bürgerliche Regime zu stürzen, verteidigen sie gegen den Faschismus sogar die verfaulte bürgerliche Demokratie ….(7)

Im selben Artikel sah er sich jedoch gezwungen auf einen kritischen Einwand gegen diese Position einzugehen, um sich dann völlig der Logik des Antifaschismus zu verschreiben:

Dagegen kann man einwenden: in einem Krieg zwischen zwei bürgerlichen Staaten hat das revolutionäre Proletariat, unabhängig vom politischen Regime seines Landes, die Position zu beziehen, die besagt: `Die Niederlage der eigenen Bourgeoisie ist das kleinere Übel´. Gilt diese Richtlinie nicht auch für den Bürgerkrieg, in dem zwei bürgerliche Regierungen einander bekämpfen? Nein, sie gilt nicht. In einem Krieg zwischen zwei bürgerlichen Staaten ist das Ziel die imperialistische Eroberung, und nicht der Kampf zwischen Demokratie und Faschismus. Im spanischen Bürgerkrieg lautet die Frage aber: Demokratie oder Faschismus. Das revolutionäre Proletariat sollte nicht beide kämpfenden Lager in denselben Topf werfen. (…) Erfolgreich kann es nicht sein, wenn es Neutralitätspolitik übt, sondern wenn es seinen Hauptfeind, dem Faschismus, militärische Schläge zufügt.(8)

Dieser Logik des kleineren Übels folgend ist es wenig überraschend, dass Trotzki seine Anhänger aufforderte in den Kriegen in China und Abessinien in denen sich die imperialistische Konfrontation des Zweiten Weltkrieges ankündigten, Position zu beziehen. Bemerkenswert ist jedoch die Perfidie und Präzision mir der er diese Logik verfolgte, was ihn in einen unversöhnlichen Gegensatz mit seinen linkskommunistischen Kritikern brachte. So erklärte Trotzki 1937:

Die Arbeiterbewegung in China, Japan und auf der ganzen Welt muss dem japanischen Banditentum mit aller Kraft entgegentreten, indem sie das chinesische Volk und seine Armee unterstützt.

Dies implizierte nichts anderes als ein Bündnis mit der chinesischen Bourgeoisie im Allgemeinen und Tschiang Kai-schek, dem Schlächter des chinesischen Proletariats im Besonderen. Trotzki begründete diesen hanebüchenen Unsinn, der faktisch alle schmerzhaften Lehren aus der Niederlage der chinesischen ArbeiterInnenklasse von 1927 mit einem Federstrich über den Haufen warf, folgendermaßen:

Gleichzeitig müssen wir sorgfältig zwischen den imperialistischen Ländern und den rückständigen, kolonialen und halbkolonialen Ländern unterscheiden. Die Haltung der Organisationen der Arbeiterklasse in und gegenüber diesen beiden Gruppierungen kann nicht dieselbe sein. Der gegenwärtige Krieg in China und Japan ist ein klassisches Beispiel. Es ist absolut unbestreitbar, das es sich auf der Seite Japans um einen Raubkrieg und auf der Seite Chinas um einen Krieg der nationalen Verteidigung handelt. Nur bewusste oder unbewusste Agenten des japanischen Imperialismus können beide Länder auf die gleiche Ebene stellen.(9)

Die marxistische Antwort der Kommunistischen Linken auf diesen Rückgriff auf die altbekannte Position der Vaterlandsverteidigung der Sozialdemokratie war klar und unmissverständlich:

Im Krieg stehen sich immer Länder gegenüber, die nicht `auf der gleichen historischen Ebene´ stehen, und in gewisser Hinsicht ist dies auch eine der Ursachen für den Krieg. Das ganze Problem besteht jedoch darin, zu bestimmen, welche Klasse den Krieg führt, und eine entsprechende Politik zu entwickeln. In diesem Fall ist es unmöglich zu leugnen, dass es die chinesische Bourgeoisie ist, die den Krieg führt, und unabhängig davon, ob sie Angreifer oder Angegriffener ist, ist es die Pflicht des Proletariats, genauso wie in Japan für den revolutionären Defätismus zu kämpfen. Dies nicht zu tun, was bedeutet, das Gegenteil zu tun und wie Trotzki die chinesischen Arbeiter zu verpflichten, `im Krieg gegen Japan ihre ganze Pflicht zu tun´ ,weil angeblich daraus die Revolution in Japan folgen würde, bedeutet, sich auf denselben Weg wie die Verräter von 1914-18 zu begeben. Und es ist kein Wunder, dass Trotzki, um seinen Betrug und Verrat zu vertuschen, auf sein ganzes Arsenal an Beleidigungen gegen Proletarier zurückgreifen musste, die dem Marxismus treu blieben. Was übrigens keineswegs neu ist und wozu es keiner übermäßigen Intelligenz bedarf: Es genügt, keine Skrupel zu haben, um erfolgreich zu sein.(10)

Diese Beispiele veranschaulichen den Prozess, in deren Verlauf sich die Trotzkisten in den 1930er Jahren aus dem proletarischen Lager verabschiedeten. Sie werden nicht angeführt, um den Heroismus und die Opfer derjenigen Trotzkisten zu schmälern, die Ende der 1930er Jahre in Sibirien (zusammen mit Mitgliedern der russischen Kommunistischen Linken) massakriert wurden. Ebenso liegt es uns fern zu behaupten, dass Trotzki selbst jemals ein bewusster Agent des Imperialismus gewesen sei. Was wir zu zeigen versuchen, ist, dass die von späteren Trotzkisten eingenommenen Positionen keine Ausrutscher waren. Sie entsprangen der Methodik Trotzkis und damit des Trotzkismus. Der Übergang zu konterrevolutionären Positionen wurde bereits zu Trotzkis Lebzeiten vorbereitet und vollzogen.

Die Partito Comunista Internazionalista seit dem Zweiten Weltkrieg

Während Trotzki seinen eigenen kleinen Beitrag zur Verteidigung des Kapitalismus leistete, war die Internationale Kommunistische Linke zunächst auf kleine verstreute Gruppen reduziert. Viele ihrer Mitglieder waren in verschieden Exilländern versprengt oder befanden sich in Haft. Mit dem ersten Aufbäumen des Proletariats gegen den Krieg in Italien in den Jahren 1942-43 gelang es ihnen jedoch sich in der Partito Comunista Internazionalista neu zu formieren. Sie hielt an den grundlegenden revolutionären Prinzipien der ersten beiden Kongresse der Kommunistischen Internationale fest und vertrat einen unversöhnlichen Defätismus:

Gegen die Losung des nationalen Krieges, die die italienischen Arbeiter gegen die deutschen und englischen Proletarier in Stellung bringt, setzten wir die Losung der kommunistischen Revolution, die die Arbeiter der ganzen Welt gegen ihren gemeinsamen Feind, den Kapitalismus vereint. (Prometeo November 1943)

Sie war somit die einzige relevante Organisation die die Klassenautonomie ohne Abstriche verteidigte und alle Seiten als imperialistisch denunzierte.

Der PCInt gelang es aus den Reihen viele junge KämpferInnen aus den Reihen der stalinistisch geführten Partisanenbewegung für ihre internationalistische Orientierung zu gewinnen und stand an der Spitze der ArbeiterInnenkämpfe im Nachkriegsitalien. Die Beschränkung dieser Kämpfe auf Italien und der kapitalistische Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg führten dazu, dass sich die neue Partei nach 1952 außerhalb Italiens kaum entwickeln konnte.(11) Gleichwohl legte die PCInt 1952 eine Plattform vor, die zu jener Zeit der klarste Ausdruck der revolutionären Methoden und Ziele der Oktoberrevolution war.

Im Jahr 1977 leistete sie einen bedeutenden Beitrag zum Aufbau einer zukünftigen Weltpartei des Proletariats, indem sie eine Reihe von internationalen Konferenzen von Gruppen der Kommunistischen Linken initiierte. Dies führte 1983 zur Bildung des Internationalen Büros für die Revolutionäre Partei, der Vorläuferorganisation der heutigen Internationalistischen Kommunistischen Tendenz.

Im Gegensatz zu dieser Arbeit der Umgruppierung auf der Grundlage der Lehren aus den proletarisch-revolutionären Erfahrungen, schlitterte der Trotzkismus mit seinen Myriaden von Spaltungen von Krise zu Krise. Immer „reinere" Trotzkismen lösten sich in schwindelerregender Geschwindigkeit voneinander ab. Der Trotzkismus ist eine Sackgasse für die kritischen Bewunderer der ehemaligen UdSSR, des Staatskapitalismus und des imperialistischen Krieges, die sich bei der Suche nach einem Weg nach vorn permanent im Kreis drehen.

Die Vielzahl der heute existierenden trotzkistischen Sekten zeugt von der Masse der Widersprüche, aus denen sich die Elemente des Trotzkismus zusammensetzen. Objektiv gesehen stellen diese Gruppierungen den linken Flügel des politischen Apparats der Bourgeoisie dar. Sie stehen nicht für die Emanzipation des Proletariats, sondern für eine staatskapitalistische Ordnung in der sie sich als neue Führung sehen. Praktisch fungieren sie als linker Flankenschutz der sozialdemokratischen oder stalinistischen Parteien, die sie vor Angriffen revolutionärer politischer Positionen in Schutz nehmen und ihnen das Image von „Arbeiterparteien“ verpassen. Indem sie stur an der Formel festhalten, dass das Proletariat nur eine Führungskrise zu überwinden habe, verkennen sie die wirklichen Bedingungen für die Wiederbelebung der revolutionären Partei: Der objektiven Notwendigkeit des eigenständigen Kampfes des Proletariats sowie der programmatischen Klarheit der Partei. Unfähig, diese grundlegenden Bedingungen zu erkennen, können die Trotzkisten nicht aus ihrer historischen Sackgasse herauskommen, ohne sich mit den revolutionären proletarischen Erfahrungen ernsthaft auseinanderzusetzen. Damit würden sie natürlich aufhören, Trotzkisten zu sein, denn sie wären nicht nur gezwungen, ihre grundlegenden Konfusionen zu überwinden, sondern auch den bürgerlichen, antirevolutionären Charakter des Trotzkismus selbst zu erkennen.

Zum Weiterlesen:

Trotzki und die Ursprünge des Trotzkismus: leftcom.org

Trotzki und der Klassencharakter der UdSSR: leftcom.org

Trotzkis Übergangsprogramm und die sog. Vierte Internationale: leftcom.org

Der Trotzkismus und der Krieg in Syrien: leftcom.org

Anmerkungen:

(1) Bezeichnenderweise gehörte zu diesem Manöver auch eine bösartige Verleumdungsampagne gegen Bordiga, der in den Jahren 1925-26 in der Parteizeitung „Unita“ als Trotzkist verunglimpft wurde. Bordiga wurde schließlich 1930 wegen seines angeblichen „Trotzkismus“ aus der PCd'I ausgeschlossen. Für weitere Informationen über den frühen Kampf der Italienischen Linken gegen die "Bolschewisierung" siehe u.a. die Broschüre der CWO, Platform of the Committee of Intesa, 1925 - the start of the Italian Left's fight against Stalinism as Fascism increases its grip: leftcom.org

(2) m.sites.google.com

(3) Brief in Contre Le Courant Nr. 13, August, 1928

(4) Bilan, Nr. 1, Introduction: archivesautonomies.org

(5) Leo Trotzki: Revolution und Konterevolution in Spanien 1931-1939, Bd.1, Frankfurt 1986, S. 196.

(6) Ebenda, Bd.2, S.235.

(7) Ebenda, 272.

(8) Ebenda

(9) sites.google.com

(10) Ein großer Renegat im Pfauengewand: Leo Trotzki, Bilan Nr. 46 – Dezember-Januar 1937 - archivesautonomies.org

(11) Zu diesem Zeitpunkt hatte die PCInt die Krise überstanden, die durch Bordiga nach 20 Jahren seiner politischer Abstinenz verursacht hatte. Wie Trotzki hatte er angesichts seiner früheren Verdienste enormes Ansehen - aber er schleppte auch das Gepäck der Vergangenheit mit sich herum. Unfähig, den Klassencharakter der UdSSR zu begreifen, schwankend in Bezug auf die Notwendigkeit der Partei in dieser Periode, unfähig zu erkennen, dass die fortschrittliche Ära der nationalen Kämpfe vorbei war, und nicht in der Lage, die Natur der Gewerkschaften als Bollwerke des Kapitalismus in der imperialistischen Epoche zu verstehen, drohte er, die geduldige Arbeit der theoretischen Neuausrichtung, die die Italienische Linke über zwei Jahrzehnte geleistet hatte über den Haufen zu werfen. Bordiga trat nie in die PCInt ein, aber sein Wiederauftauchen auf der politischen Bühne kostete die PCInt viele Kader, und es dauerte bis 1952, bis diese Konfusionen überwunden waren.

Saturday, December 9, 2023