Die Theorie der Kommunisierung – Grundzüge einer Kritik

Die Theorie der Kommunisierung hat viele Personen aus den Randbereichen des Linkskommunismus und Anarchismus angezogen, und ihre Positionen wurden sogar von Gruppen innerhalb des linkskommunistischen Milieus selbst eingenommen.(1) Es gibt keine einheitliche Plattform oder ein Manifest dieser Strömung. Stattdessen haben eine Reihe von Organisationen, Gruppen oder vereinzelten Theoretikern Elemente dieser Theorie entwickelt. Und natürlich gibt es Meinungsverschiedenheiten unter ihnen. Es hat sich ein sehr heterogenes Theoriegebilde entwickelt. Dennoch gibt es einen gemeinsamen Nenner von Ideen, die von diesem Milieu weitgehend akzeptiert werden und die wir im Folgenden betrachten werden. Diese Ideen stellen im Allgemeinen einen Versuch, den Marxismus zu „modernisieren" dar, haben aber auch Elemente des Anarchismus übernommen, wie z.B. die Tatsache, dass eine Organisation für eine Revolution unnötig sei und der Staat sofort abgeschafft werden müsse.

Die Wurzeln dieses Milieus liegen in dem Scheitern des sozialen Aufstands in Frankreich 1968 eine revolutionäre Richtung einzuschlagen. Die ersten Theoretiker wurden durch die Situationistische Internationale und die Publikation Invariance beeinflusst, deren Haupttheoretiker Jacques Camatte war. Eine Kritik an der Sozialdemokratie (die wir teilen können) verband sich mit einer Bewunderung für die Kämpfe der Operaisten in Italien. Es folgten zahlreiche theoretische Ausarbeitungen mit Bezugnahme auf Werke von Autoren des Instituts für Sozialforschung (die sog. Frankfurter Schule) und deutschen akademisch marxistischen Theoretikern der „Neuen Marx-Lektüre". Dabei wurde sowohl auf die frühen Texte von Marx als auch auf seine nun vorliegenden, bis dato unveröffentlichten Aufzeichnungen zurückgegriffen. Das Ergebnis war ein neuer Versuch, die Entwicklung des Kapitalismus mit den Konzepten der formalen und reellen Subsumtion des Arbeitsprozesses zu periodisieren und die „Wertform-Analyse" dazu zu benutzen, das Programm dessen zu untergraben, was sie als traditionellen Marxismus bezeichnen. Dies lieferte die theoretische Grundlage für die völlige Ablehnung der theoretischen Programme der Zweiten und Dritten Internationale und damit für die Ablehnung aller Lehren, die aus früheren revolutionären Bemühungen gezogen werden konnten. Endnotes, die britische Kommunisierungsgruppe, erklärte in ihrer ersten Veröffentlichung unverblümt, dass es: "nichts aus dem Scheitern vergangener Revolutionen zu lernen"gäbe.(2)

Die allgemeine Schlussfolgerung ist, dass das gesamte Programm zur Schaffung des Kommunismus, das aus den Lehren der Fehlschläge der Zweiten und Dritten Internationale entstand, nutzlos war. Stattdessen müsse der Kommunismus sofort während der revolutionären Periode geschaffen werden, ohne dass das Proletariat die politische Macht übernehmen oder irgendeinen Übergang vom Kapitalismus vollziehen müsse. Die Kommunisierung würde sowohl das Proletariat als auch die Bourgeoisie gleichzeitig zerstören, die Arbeit abschaffen, die Wirtschaft und den Staat zerstören. Was all dies utopisch macht, ist die Tatsache, dass die gesellschaftliche Kraft zur Durchführung dieser Revolution nicht klar ist. Das liegt daran, dass, wie uns gesagt wird, das Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital selbst zerbricht.(3) Die produktive ArbeiterInnenklasse wird als ein schrumpfendes, atomisiertes und sich zersetzendes Segment eines zunehmend überschüssigen Proletariats betrachtet. Die Erklärung der Kommunisierer, wie dieser enorme und unmittelbare soziale Wandel zustande kommen soll, fehlt entweder völlig oder ist schlicht mysteriös. Es wird erklärt, dass es keine Partei bräuchte, oder diese zumindest eine spontane(4) und keine umfassende Organisation sei. Möglicherweise würden klassenübergreifende Kämpfe, Plünderungen, Ausschreitungen und Arbeitsverweigerung diese Revolution auslösen. Théorie Communiste, die französische Hauptgruppe des Milieus, sieht die ArbeiterInnenklasse nicht mehr als potentielle revolutionäre Kraft. Sie erklären einfach, dass die Kommunisierung ein Ergebnis der historischen und gesellschaftlichen Entwicklung des Kapitalismus sein werde. Mit anderen Worten, die historische Entwicklung wird diese Fragen lösen, und darauf müssen wir warten. Dies ist ein Garant nicht nur für das völlige Scheitern der Revolution, sondern auch für die Duldung der Entwicklung des Kapitalismus zur Barbarei. Es basiert jedoch auf einer Fülle theoretischer Ansichten, die wir im Folgenden überprüfen wollen.

Muss der Marxismus erneuert werden?

Die Kommunisierer behaupten, dass in den 150 Jahren, seit Marx die Kritik des Gothaer Programms schrieb, die Entwicklung des Kapitalismus die Vorschläge von Marx, sowie das Programm der traditionellen marxistischen Bewegung völlig untergraben habe. Sie behaupten, dass die Subsumtion (Unterordnung) des Arbeitsprozesses durch das Kapital im 19. Jahrhundert nur formal war, aber seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts diese Subsumtion real geworden sei. Die Unterscheidung zwischen formaler und reeller Subsumtion wird von Marx im ersten Band des Kapitals kurz erwähnt und ausführlicher in seinen von 1863-1867 geschriebenen Entwürfen zum Kapital dargelegt, die jetzt unter anderem als "Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses" vorliegen.(5) Dies ist sicherlich kein Schlüsselbegriff in der Marxschen Analyse, aber es ist ein zentrales Mittel in der Kritik der Kommunisierer an dem, was sie den „traditionellen Marxismus“ nennen. Für Marx ist die formale Subsumtion, auf die er sich bezieht, das frühe Stadium der kapitalistischen Entwicklung innerhalb des Feudalismus:

Die Klasse der Lohnarbeiter, die in der letzten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstand, bildete [...] nur einen sehr geringen Volksbestandteil [...]. In Land und Stadt standen sich Meister und Arbeiter sozial nahe. Die Unterordnung der Arbeit unter das Kapital war nur formell, d. h. die Produktionsweise selbst besaß noch keinen spezifisch kapitalistischen Charakter.(6)

Unter der formalen Unterordnung des Kapitals unter den Arbeitsprozess hat das Kapital noch keine direkte Kontrolle über den Arbeitsprozess erlangt. Für Marx stellt sie ein frühes und vorübergehendes Stadium in der Entwicklung des Kapitalismus dar. Eines der Merkmale dieses Stadiums ist, dass die Steigerung des Mehrwerts durch die Verlängerung der Arbeitszeit erreicht wird und nicht durch die Verbesserung der Produktionsmittel, die Reorganisierung der Arbeit usw. Dieses Stadium ist daher durch die Extraktion des „absoluten" Mehrwerts durch das Kapital gekennzeichnet:

zur Produktion des absoluten Mehrwerts [genügt] die bloß formelle Subsumtion der Arbeit unter das Kapital [...] z.B. daß Handwerker, die früher für sich selbst oder auch als Gesellen eines Zunftmeisters arbeiteten, nun als Lohnarbeiter unter die direkte Kontrolle des Kapitalisten treten.(7)

Die Produktion des relativen Mehrwerts setzt voraus, dass das Kapital die volle Kontrolle über den Arbeitsprozess übernommen hat, bzw. dass reelle Subsumtion vorliegt. Dies nennt Marx die eigentliche kapitalistische Weise der Produktion. Hier werden Maschinerie, Organisation der Arbeit und eine große Anzahl von ArbeiterInnen eingesetzt. Die Steigerung des Mehrwerts wird durch die Verbesserung der Produktionsmittel erreicht, wodurch die Produktivität erhöht und damit die notwendige Arbeit für die Reproduktion der ArbeiterInnen verringert wird. Dieses Stadium ist durch die Extraktion des „relativen" Mehrwerts gekennzeichnet. Es ist klar, dass die reelle Subsumtion des Arbeitsprozesses das ist, was in der gesamten Analyse von Marx im Kapital angenommen wird, einschließlich in den Schemata der Reproduktion im zweiten Band des Kapitals. Es ist auch klar, dass Marx diese Begriffe streng in Bezug auf den Arbeitsprozess verwendet, während die Kommunisierer die reelle Subsumtion auf alle Aspekte der Gesellschaft ausweiten. Die Begriffe werden in einer Weise verwendet, die von Marx nicht beabsichtigt war.

Die Periodisierung der Entwicklung des Kapitalismus

Der primäre Nutzen dieser Aufteilung ist der Versuch, die Entwicklung des Kapitalismus zu periodisieren und dies mit Taktiken zu verbinden, die die ArbeiterInnenklasse innerhalb jeder Periode anwenden sollte. Das ist natürlich problematisch, da die kapitalistische Entwicklung weltweit ungleichmäßig verläuft und sogar innerhalb eines Landes beide Stadien nebeneinander existieren können. Daher gibt es Meinungsverschiedenheiten über die Periodisierung. Endnotes z.B. hält die Einteilung für die Periodisierung der kapitalistischen Geschichte für völlig unbrauchbar. Es scheint jedoch eine gewisse Einigkeit darüber zu bestehen, dass die Periode bis 1914 durch die formale Subsumtion gekennzeichnet war. Für Théorie Communiste wird die reelle Subsumtion, die auf 1914 folgt, in zwei Perioden unterteilt, von denen die erste 1970 endet und die zweite, die die Umstrukturierung umfasst, bis in die Gegenwart andauert. Andere, wie Internationalist Perspective, sehen jedoch bestimmte Sektoren der Wirtschaft unter formaler Subsumtion, während andere gleichzeitig unter reeller Subsumtion standen. Die britische Landwirtschaft stand ihrer Meinung nach bis 1900 unter formaler Subsumtion, die Industrie hingegen nicht. Trotz dieser Verwirrung wird die Periodisierung genutzt, um Implikationen für den Klassenkampf und die Revolution herauszuarbeiten.

In der Periode der formalen Subsumtion, die, wie es scheint, das 19. Jahrhundert umfasst, gab es keine Hoffnung auf Revolution. Die ArbeiterInnenklasse konnte nur versuchen, ihre Position durch Kämpfe für die Verbesserung ihrer Bedingungen innerhalb des Kapitalismus zu schützen. Damit bekräftigte sie ihre Position als Klasse innerhalb des Kapitalismus, als ein Pol des Arbeit/Kapital Verhältnisses. Sie war nicht in der Lage, ihre Klassenposition zu negieren und damit das Verhältnis von Arbeit und Kapital zu überwinden. Sie war noch keine revolutionäre Klasse. In der Periode der reellen Subsumtion, so argumentieren sie, erstrecke sich die kapitalistische Unterordnung nicht nur auf den Arbeitsprozess, sondern auf alle Aspekte des Lebens.

Die Wertform und die gesellschaftlichen Beziehungen, die sie instanziieren, dringen in jede "Pore" der Zivilgesellschaft, der soziokulturellen und politischen Existenz ein und ordnen sie ihren Imperativen unter.(8)

Integration der ArbeiterInnenklasse in den Kapitalismus?

Das Ergebnis davon sei, dass die ArbeiterInnenklasse immer mehr in den Kapitalismus integriert werde. In allen Aspekten ihres Lebens werde sie vom Kapital beherrscht. Die italienischen Theoretiker der Operaisten, die der Strömung der Kommunisierung vorausgingen und die von den Kommunisierern bewundert wurden, zogen einige der Schlussfolgerungen aus der Idee der totalen gesellschaftlichen Beherrschung durch das Kapital. Mario Tronti(9) zum Beispiel kam zu dem Schluss, dass die Gesellschaft zu einer einzigen großen Fabrik geworden sei, die durch die gesamte Gesellschaft hinweg einen Mehrwert für das Kapital produziere. Antonio Negri, ein weiterer Theoretiker der Operaisten, führte die Analyse noch einen Schritt weiter und schlussfolgerte, dass dies das Ende der „Zentralität der Fabrikarbeiterklasse“, als Entstehungsort revolutionärer Subjektivität bedeute. Revolutionäres Bewusstsein würde also nicht aus der Klasse am Ort der Ausbeutung hervorgehen. Endnotes erklärt:

Wir können uns nicht mehr auf den Begriff des Klassenbewusstseins berufen. Wir sind gezwungen, uns mit der Tatsache zu konfrontieren, dass die Arbeiterklasse eine Klasse dieser Produktionsweise ist, die nur in der Vereinzelung geeint ist.(10)

Das kann nur bedeuten, dass die ArbeiterInnenklasse in den Kapitalismus integriert sei und durch reelle Subsumtion zu einer Klasse für das Kapital werde. Eine Vielzahl von Aussagen bestätigen, dass dies die Schlussfolgerung der meisten Kommunisierer ist. Zum Beispiel sagt uns Endnotes, dass die Lohnarbeitsform nicht mehr der Mittelpunkt der Auseinandersetzung sei(11), dass „Wissenschaft und Technik die Arbeit im Herzen des Produktionsprozesses ersetzt haben“.(12) Wenn die ArbeiterInnen nicht mehr im Zentrum des Produktionsprozesses stehen, kann man sich nur fragen, wie der Mehrwert produziert wird und was mit der Werttheorie geschehen ist. Man sagt uns auch, dass es ein Verschwinden jeglicher positiven ArbeiterInnenidentität gegeben habe. Die ArbeiterInnen, so wird behauptet, seien keine lebendige Kraft mehr, sondern sie seien zu Anhängseln der Maschinen geworden. Die Basis der Einheit der ArbeiterInnenklasse sei erodiert. Das Proletariat sei atomisiert. Es gäbe keinen „kollektiven Arbeiter(13), kein revolutionäres Subjekt.(14)

Aufgrund der Ausbeutung des relativen Mehrwerts und der daraus folgenden Verdrängung der ArbeiterInnen aus dem Produktionsprozess kommen die Kommunisierer zu dem Schluss, dass es einen relativen Rückgang der produktiven ArbeiterInnenklasse gegeben habe, der zu einem absoluten Rückgang übergehe. Die produktive ArbeiterInnenklasse, so argumentieren sie, sei nicht mehr die treibende Kraft der Revolution. Es sei ein Trugschluss, dass die Entwicklung des Kapitalismus die ArbeiterInnenklasse vereinheitlichte, vielmehr atomisiere sie sie. Das Proletariat sei zu einer Masse von Überschussbevölkerung geworden, nicht einmal mehr eine Industrielle Reservearmee, sondern eine menschliche Masse, die niemals in die produktive Arbeit integriert werden könne. Das Proletariat sei arbeitslos, landlos, machtlos, obdachlos und nicht mehr fassbar geworden.(15)

Dies legt die Schlussfolgerung nah, dass die Revolution in der Periode der formalen Subsumtion nicht möglich war, weil der Klassenantagonismus unterentwickelt war. Die Revolution aber auch in der Periode der reellen Subsumtion nicht möglich sei, weil das produktive Proletariat in die kapitalistischen Produktions- und Gesellschaftsverhältnisse integriert und das Proletariat als Ganzes eine atomisierte, gebrochene Masse an menschlichem Überschuss sei.

Die Programme der ArbeiterInnenbewegung, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelt wurden, wurden unter Bedingungen der formalen Subsumtion entwickelt und versuchten, so argumentieren die Kommunisierer, die Bedingungen der ArbeiterInnenklasse innerhalb des Kapitalismus zu verfestigen. Sie versuchten, die produktive ArbeiterInnenklasse zu verallgemeinern und alle in die produktive Arbeit in einer Republik der Arbeit zu integrieren. Sie zielten nicht darauf ab, das Verhältnis von Arbeit und Kapital zu sprengen, und enthielten in sich selbst die Saat der Konterrevolution. Sie seien folglich völlig überflüssig. Deshalb, so behaupten die Kommunisierer, hätten wir aus früheren revolutionären Versuchen nichts zu lernen. Die programmatische ArbeiterInnenbewegung sei tot. Insbesondere die geplanten Schritte zum Aufbau der kommunistischen Gesellschaft, die im Großen und Ganzen die Gründung einer proletarischen politischen Organisation, die Initiierung von Massenstreiks, die zu ArbeiterInnenräten führen, dann die Revolte, die Übernahme der politischen Macht mit Waffengewalt und die Einleitung des Übergangs zur kommunistischen Gesellschaft würden alle der Vergangenheit angehören. Ihre heutige Propagierung sei nicht nur rückwärtsgewandt, sondern reaktionär. Dies gilt insbesondere für die Übergangsperiode, für die Marx in seiner Kritik des Gothaer Programms plädierte und die nach Ansicht der Kommunisierer direkt zum Kapitalismus zurückführen würde.(16) Bruno Astarian, ein Theoretiker der Kommunisierer, schreibt:

Man fragt sich, wie diese üble Fiktion [einer Übergangsperiode] die Menschen so lange Zeit täuschen konnte.(17)

Marx, so argumentieren die Kommunisierer, lag falsch als er sich mit der ArbeiterInnenbewegung des 19. Jahrhunderts identifizierte. Diese sei lediglich eine Bewegung zur Emanzipation des Proletariats innerhalb des Kapitalismus gewesen.(18) Stattdessen, so das Argument, müsse die Revolution sowohl das Proletariat als auch die Bourgeoisie abschaffen und den vollständigen Kommunismus(19) sofort einführen. Aber wenn dies nicht nur leere Worte bleiben sollen, muss die revolutionäre Kraft zum Umsturz der kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse identifiziert werden. Dies muss eine Klasse mit materiellen Interessen sein, die sie zur Revolte gegen ihre Bedingungen zwingen, aber auch eine Klasse, von der das kapitalistische System abhängig ist. Es bedarf also einer ausgebeuteten Klasse, die den materiellen Reichtum liefert, der ihre Ausbeuter am Leben erhält, in Marx' Worten, einer „Klasse mit radikalen Ketten“. Eine Klasse, die nur in der Lage ist, ihre Ketten zu sprengen, indem sie das gesamte System in Stücke reißt. Die einzige Klasse, die in diese Kategorisierung passt, ist die produktive ArbeiterInnenklasse, die von den Kommunisierern mehr oder weniger abgeschrieben wurde. Die produktive ArbeiterInnenklasse ist in der Lage, das Funktionieren des Kapitalismus durch Streiks zu stoppen, und sie ist in der Lage, den Arbeitslosen und der Überschussbevölkerung einen Leitfaden für den revolutionären Prozess zu geben. Die Kommunisierer haben jedoch eine allgemeine Beschreibung geliefert, wie die Kommunisierung zustande kommen könnte.

Die Revolution der Kommunisierer

Bruno Astarian hat in seinem Text „Crisis Activity and Communisation"(20) den Verdienst, dass er die Themen klar formuliert, anstatt sie in einem Gewirr verwirrender Abstraktion zu verpacken, daher zitieren wir ihn hier ausführlich. Was offenbar ins Auge gefasst wird, ist ein vollständiger Zusammenbruch der kapitalistischen Gesellschaft, bei dem das System nicht einmal mehr in der Lage sein wird, die Grundbedürfnisse des Proletariats zu decken. Das Proletariat würde, so Astarian, gezwungen sein, sich zu erheben und eine andere gesellschaftliche Form zu finden, die seine Vergesellschaftung und unmittelbare Reproduktion wiederherstellen kann. Es würde eine Phase dessen geben, was er als Krisenaktivität bezeichnet, die zur Überwindung des Arbeit/Kapital Widerspruchs und gleichzeitig zur Kommunisierung führe. In der Krisenaktivität würde das Proletariat Fabriken, Fahrzeuge und Gebäude in Besitz nehmen und sich weigern zu arbeiten. Aufgrund der Dequalifizierung sei das Proletariat nicht in der Lage, die Produktionsmittel zu übernehmen. Wenn sie die Leitung einer bestimmten Kategorie von ArbeiterInnen überlassen würden, würden diese ArbeiterInnen zum kollektiven Kapitalisten werden und die Kommunisierung würde scheitern. Daher die Notwendigkeit, die Lohnarbeit und die Arbeit selbst, das fixe Kapital und den Staat abzuschaffen. Er führt die Textilstreiks in Bangladesch an, wo die ArbeiterInnen Fabriken niederbrannten, als Zeichen der Arbeitsverweigerung(21), was aufzeigen soll, was Krisenaktivität bewirken würde. Aufstände ohne Forderungen wie die französischen Ausschreitungen in den Banlieues, Forderungen nach Abfindungen anstelle von Forderungen nach Arbeitsplätzen, die CPE-Kämpfe in Frankreich.(22) Das alles seien Hinweise darauf, wie sich die Krisenaktivität entwickeln werde.

Es würden keine ArbeiterInnenräte oder Nachbarschaftsräte gebildet werden.(23) Das Proletariat würde Kampfformen mit „Phantasie" hervorbringen! Es würde kein Programm und keine Planung geben. Lokalismus wie in Spanien 1936 würde vorherrschen. Durch die Vervielfachung der Kampfplätze würde der Staat aus dem Gleichgewicht gebracht werden und unfähig sein, Widerstand zu leisten. Das Problem der Machtübernahme wäre verschwunden und es gäbe keine Übergangsphase. Es würde keine Bilanzierung und Rechnungsführung geben. Geplünderte und beschlagnahmte Produkte würden ohne sie zu zählen verteilt werden.

In diesem Fantasieszenario sehen wir eine Bewunderung für Riots und Plünderungen, was darauf hindeutet, dass auf einen klassenübergreifenden Kampf geschielt wird. Die produktive ArbeiterInnenklasse, die, wie uns gesagt wurde, eine gebrochene, atomisierte und degenerierte Masse sei, macht mit, indem sie sich weigert zu arbeiten, aber sie führt nicht an. Es würden keine ArbeiterInnenräte gebildet werden. Die Kommunisierer waschen ihre Hände rein von den Problemen der Organisation des Proletariats und natürlich des bürgerlichen Widerstands. Das Ergebnis ist mystisches Wunschdenken, und wir fragen uns, in Astarians eigenen Worten, wie diese Fiktion jemanden täuschen konnte!

Wir haben also eine Vision des Kommunismus ohne Arbeit, ohne Organisation, ohne Planung und ohne Rechnungsführung auf dem Tisch. Aber wie könnten 7,8 Milliarden Menschen auf dem Planeten ohne Arbeit zur Befriedigung der Grundbedürfnisse, ohne Organisation und ohne Planung zur kollektiven Befriedigung dieser Bedürfnisse existieren?

Diese Absurditäten sind das Ergebnis der theoretischen Probleme, die wir erwähnt haben. Ein zentrales Problem ist die Arbeit selbst und die Bilanzierung der Arbeit oder der Produkte der Arbeit. Jede Form der Rechnungsführung, auch einfach nach der Zeit, die für die Ausführung von Aufgaben benötigt wird, wird als Wiedereinführung des Wertes gesehen und damit als trojanisches Pferd, das zurück zum Kapitalismus führe.

Die Wertform und die Abschaffung der Arbeit

Unter kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen, und nur unter kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen, wird Arbeit in Wert ausgedrückt. Die Dauer der durchschnittlich notwendigen Arbeitszeit, die für die Produktion einer Ware erforderlich ist, wird als Wert auf die Ware übertragen. In diesem Prozess wird konkrete Arbeit zu abstrakter Arbeit, die den Produkten ihren Tauschwert gibt. Der Produktionsprozess erschafft den gesamten Wert, der im Produkt kristallisiert ist. Der Tauschprozess realisiert den Wert, der dem Produkt bereits während des Produktionsprozesses anhaftet. Wert wird nicht im Tauschprozess geschaffen. Die abstrakte Arbeitszeit wird somit zum Maß des Wertes, ausgedrückt im Tauschwert. Die Kommunisierer behaupten, dass die traditionelle marxistische Sicht des Kommunismus nicht die Abschaffung der abstrakten Arbeit beinhaltet und dass Marx selbst abstrakte Arbeit in der Übergangsperiode beibehält, wie sie in seiner Kritik des Gothaer Programms dargelegt wird. Was aufrechterhalten wird, so argumentieren sie, sei eine Bekräftigung des Proletariats als Produzent von Wert, nicht die Abschaffung der proletarischen Verhältnisse, und, was noch tückischer ist, die Periode des Übergangs soll andere Klassen in Proletarier verwandeln, was wiederum die kapitalistischen Verhältnisse weiter festigt.

Wertform-Theoretiker argumentieren, dass der gesamte gesellschaftliche Prozess, einschließlich der Tätigkeit der ArbeiterInnenklasse, von der Wertform dominiert werde.(24) Dies sei eine Auswirkung der oben diskutierten reellen Subsumtion. Der Wert, so behaupten sie, existiere vor der Arbeit und habe Vorrang vor ihr. Die Wertform setze die Arbeit als ihren Inhalt voraus. In einer Gesellschaft, die nicht mehr von entfremdeten sozialen Formen beherrscht wird, wird der Zwang zur Arbeit verschwinden; daher die Vorstellung, dass die Kommunisierung die Arbeit abschaffen wird. Aus dieser Schlussfolgerung folgt die Vorstellung der Abschaffung von Bilanzierung, Rechnungsführung und Planung.

Wenn nichts bilanziert wird [...] hat das aus der Tätigkeit resultierende Produkt keinen abstrakten Inhalt [keinen Tauschwert – Übersetzer]. [...] Wird es ein totales Chaos sein? Sagen wir einfach, dass die Zeit nicht zählen wird.(25)

Die Bestätigung der Arbeit als Organisationsprinzip der kommunistischen Gesellschaft bedeutet, so argumentieren die Kommunisierer, dass die abstrakte Arbeitszeit bestehen bleibt und der Kapitalismus nicht abgeschafft wird. Aber selbst wenn die Wertform die Arbeit als ihren Inhalt postuliere, bedeutet das nicht, dass alle Arbeit notwendigerweise die Form des Werts annimmt. Im Mittelalter nahm die Arbeit der Leibeigenen und Vasallen nicht die Form des Werts an. Die Zeit, die sie auf den Feldern des Herrn arbeiteten, oder die Produkte, die sie an den Herrscher lieferten, wurden nicht in Wertform erfasst. Im ersten Kapitel des ersten Band des Kapitals gibt Marx das Beispiel der patriarchalischen Bauernfamilie, um zu illustrieren, wie verschiedene Arten von Arbeit innerhalb der Familie direkt gesellschaftliche Funktionen sind und die Produkte keine Waren sind, noch die Arbeit die Form von Wert annimmt, obwohl sie in Zeit gemessen wird. Gebrauchswerte werden als gesellschaftliche Produkte produziert und als gesellschaftliche Produkte innerhalb der Familie geteilt. Die kommunistische Gesellschaft wird in ähnlicher Weise gesellschaftliche Gebrauchswerte zur Verteilung und Nutzung durch die zugehörigen Produzenten produzieren. Obwohl Arbeit existiert, bedeutet dies nicht, dass eine solche Gesellschaft von der Wertform dominiert wird. Was bei all dem ignoriert wurde, sind die Gesellschaftsverhältnisse, unter denen Arbeit geleistet wird. Auch Gilles Dauvé argumentierte, dass jede Form der Bilanzierung von Arbeit zurück zum Kapitalismus führen würde:

Arbeitszeit ist kapitalistisches Blut. [...] Die Arbeitszeit ist die Wertsubstanz.(26)

Er kam zu diesem Schluss, indem er behauptete, dass der Gebrauchswert eine analytische Kategorie sei, die den Tauschwert beinhalte. Daher würde die Produktion von Gebrauchswerten notwendigerweise Tauschwerte und damit abstrakte Arbeit, gemessen in Arbeitszeit, produzieren. Wertformtheoretiker hingegen argumentieren, dass der Wert eine Form sei, die die Arbeit als ihren Inhalt voraussetzt, und kommen zu demselben Schluss. Verschiedene Kommunisierer kommen also auf unterschiedlichen theoretischen Wegen zur gleichen Schlussfolgerung, was darauf hindeutet, dass die Schlussfolgerung wahrscheinlich erreicht wurde, bevor die Theorie zu ihrer Rechtfertigung erstellt wurde.

Arbeit

Obwohl sie sagen, dass die Arbeit durch die Kommunisierung abgeschafft werde, können selbst die Kommunisierer nicht ernsthaft glauben, dass die Menschheit in einer Gesellschaftsform ohne Arbeit überleben kann. Arbeit stellt die notwendige reale Verbindung zwischen Mensch und Natur dar. Das erkennt Astarian selbst an:

Damit eine Beziehung zwischen Menschen im grundlegenden Sinne sozial ist, muss sie eine reproduktive Beziehung zur Natur beinhalten.(27)

Eine reproduktive Beziehung zur Natur ist eine andere Art zu sagen, dass Arbeit erforderlich ist, um aus der Natur das zu produzieren, was wir zum Überleben brauchen. Aber laut Astarian kann Arbeit nicht ohne Ausbeutung existieren(28), also nennt er sie nicht Arbeit, sondern totalisierende Aktivität:

Totalisierende Aktivität - bei der die Menschen nicht die Freude an ihrer Beziehung aufgeben müssen, nur weil sie etwas produzieren.(29)

Totalisierende Aktivität sei Arbeit ohne Produktivität, ohne Standardisierung, ohne Messung nach Zeit, ohne Aufsicht, ohne Planung und so weiter. Das sind alles Dinge, die, so wird uns mitgeteilt, die Wertproduktion und damit den Kapitalismus zurückbringen. Wenn man sich daran erinnert, dass es keine Übergangsperiode geben soll und diese utopische Vision der Arbeit sofort eingeführt werden soll, kann man verstehen, warum sogar Astarian zugibt:

Es bleibt noch viel zu tun, um zu verstehen, warum und wie die Kommunisierung die Produktion ohne produktivistische Maßnahmen wieder in Gang bringen wird.(30)

Mit anderen Worten: Er selbst hat ernsthafte Zweifel an seinen Vorgaben. Die kommunistische Gesellschaft wird natürlich die Lohnarbeit abschaffen, aber sie wird weiterhin nützliche Arbeit benötigen, d.h. Arbeit, die Gebrauchswerte produziert. Es ist einfach falsch zu sagen, dass jede Arbeit Ausbeutung mit sich bringt, ebenso falsch ist die Behauptung, dass die Integration der unproduktiven Klassen in die gesellschaftliche Arbeit dasselbe ist wie ihre Umwandlung in Proletarier. Diese Integration wäre ein Teil des Prozesses der Abschaffung der Klassengesellschaft. Ob Arbeit ausgebeutet wird oder nicht, hängt von den gesellschaftlichen Verhältnissen ab, unter denen die Arbeit verrichtet wird.

Die produktive ArbeiterInnenklasse - immer noch die einzige Kraft für den Kommunismus

Kommunisierer sehen die Welt als deindustrialisiert und die produktive ArbeiterInnenklasse als schrumpfend an. Nicht nur relativ zum Proletariat als Ganzes, sondern auch absolut. Endnotes geht sogar noch weiter und behauptet, die produktive ArbeiterInnenklasse sei nicht mehr die primäre Produktivkraft, ihr Platz sei von der Wissenschaft eingenommen worden.(31) Diese Überlegungen veranlassen die Kommunisierer, das revolutionäre Potenzial der produktiven ArbeiterInnenklasse anzuzweifeln.

Aber der Kapitalismus, wie auch immer er sich restrukturiert, globalisiert oder anderweitig reformiert, kann nicht ohne die produktive ArbeiterInnenklasse auskommen, da diese die einzige Quelle des Mehrwerts ist und somit die einzige Möglichkeit, sein Kapital zu valorisieren. Das System würde zusammenbrechen, wenn die produktive ArbeiterInnenklasse aufhören würde, Mehrwert zu produzieren. Die Tendenz zum Ausschluss der ArbeiterInnen aus dem Produktionsprozess, die eine Folge der fallenden Profitrate ist, drückt lediglich die Widersprüche des Systems und seine unvermeidliche Tendenz zu Krise und Zusammenbruch aus.

Objektiv gesehen sind die Bedingungen für eine globale Revolution heute besser als je zuvor und sicherlich besser als 1917. Das Gewicht der Bauernschaft ist massiv reduziert worden und sie stellt keine bedeutende konterrevolutionäre politische Kraft mehr dar. Die Globalisierung in der Zeit seit den 70er Jahren hat eine ArbeiterInnenklasse hervorgebracht, die einheitlicher ist als je zuvor. Die Produktion ist international vernetzt und zu einer kollektiven Bestrebung geworden. Wir bestreiten auch die Behauptung der Kommunisierer, dass die produktive globale ArbeiterInnenklasse schrumpft. Richard Freeman, ein Wissenschaftler der Harvard University, schätzt, dass der Eintritt Chinas, Indiens und des Sowjetblocks in den 90er Jahren in den Weltmarkt dazu führte, dass 1,47 Milliarden zusätzliche ArbeiterInnen für das globale Kapital verfügbar wurden. Entscheidend ist, dass diese ArbeiterInnen sehr wenig Kapital mitbrachten, was die globale organische Zusammensetzung des Kapitals reduzierte. Dadurch erhöhte sich die globale ArbeiterInnenschaft auf 3 Milliarden.(32) Aktuelle Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) für 2018 ergeben eine globale ArbeiterInnenschaft von 3,5 Milliarden, ein weiterer Anstieg um 500 Millionen gegenüber der von R. Freeman ermittelten Zahl. Von diesen 3,5 Milliarden sind nach Angaben der IAO 3,3 Milliarden erwerbstätig, 172 Millionen arbeitslos und weitere 140 Millionen stehen nicht für eine Arbeit zur Verfügung oder haben die Suche nach einem Arbeitsplatz aufgegeben.(33) Auch wenn wir akzeptieren, dass diese Zahlen nicht die produktiven ArbeiterInnenschaft beschreiben, sondern nur die vom Kapital beschäftigten, sind sie ein Grund, an der Idee zu zweifeln, dass die produktive ArbeiterInnenschaft schrumpft. Wäre die Zahl der produktiven ArbeiterInnen absolut rückläufig, wäre auch der weltweit produzierte Mehrwert absolut rückläufig und die kapitalistische Akkumulation wäre absolut rückläufig. Dies würde sich in einem rückläufigen globalen Wachstum widerspiegeln, was aber sicher nicht der Fall ist.

Die Frage, die wir beantworten müssen, ist, wie kann die ArbeiterInnenklasse, die eine Klasse der kapitalistischen Gesellschaft ist, diese Gesellschaft abschaffen, während sie ein integraler Bestandteil von ihr ist? Um dies zu beantworten, ist das oben betrachtete mystische Denken der Kommunisierer nur ein Weg, um schwierigen Fragen auszuweichen. Was heute fehlt, ist das subjektive Bewusstsein der Notwendigkeit, das gegenwärtige verrottete System zu stürzen und eine höhere Organisation der Produktion, nämlich den Kommunismus, aufzubauen. Das kann nur durch eine gewaltige Phase des Kampfes gegen ein System in der Krise entstehen. Der Kampf wird als Kampf um die grundlegenden Klassenbedürfnisse beginnen, d.h. als Kampf um das Überleben innerhalb des Systems. Die Kommunisierer werden einwenden, dass ein solcher Kampf nur ein Kampf zur Bekräftigung der ArbeiterInnenklasse als Klasse innerhalb des Kapitalismus sei und nicht zum Sturz des Kapitalismus führen könne. Aber wir müssen mit dem anfangen, was wir haben, mit der Realität, nicht mit den Träumen. Erst wenn der Kampf um die Grundbedürfnisse nicht befriedigt werden kann, wird der Kampf eine revolutionäre Richtung einschlagen. Aber dafür müssen diese Kämpfe politisch werden, und dafür sind eine revolutionäre politische Organisation und eine revolutionäre politische Intervention erforderlich. Eine revolutionäre politische Organisation wird nicht automatisch auf der Weltbühne erscheinen(34), wie Kommunisierer es sich vorstellen, sie muss aufgebaut werden und sich in der ArbeiterInnenklasse verankern, bevor diese Kämpfe ausbrechen. Geschieht dies nicht, wissen wir aus der Vergangenheit, dass die Bourgeoisie sehr wohl in der Lage ist, revolutionäre Energien auf den Weg des Nationalismus und des Krieges zu lenken.

Fazit

Die Strömung der Kommunisierung behält einen gewissen Einfluss, weil sie eine glaubwürdige Erklärung für zwei bedeutende Probleme bietet. Die erste ist der Niedergang der industriellen ArbeiterInnenklasse in den Metropolen und dem daraus resultierenden Rückgang des Klassenkampfes. Das zweite sind die Veränderungen des Kapitalismus als System in seiner historischen Entwicklung. Die zweite Frage wird in der Theorie der formalen/reellen Subsumtion theoretisiert, die als Alternative zur Dekadenztheorie erscheint, die in der Dritten Internationale entwickelt wurde (aber in der Praxis bald aufgegeben wurde, als sie versuchte, die UdSSR in die kapitalistische Weltordnung zu integrieren). Unserer Meinung nach handelt es sich jedoch um eine kurzsichtige europäische Sichtweise und nicht um eine globale. Wie wir zu zeigen versucht haben, erweitern die Kommunisierer die reelle Subsumtion des Arbeitsprozesses auf die Subsumtion des gesamten sozialen Reproduktionsprozesses, materiell, intellektuell und kulturell. Der nächste Schritt ist die Integration der ArbeiterInnenklasse in den Kapitalismus als eine Klasse für das Kapital. Sie sehen, dass der Produktionsprozess immer effizienter wird und die ArbeiterInnen für ihn immer überflüssiger werden. Die ArbeiterInnen seien nicht mehr die alleinigen Produzenten des Werts und damit keine revolutionäre Kraft mehr. Daher das Liebäugeln mit Riots und Plünderungen.

Aber das Ergebnis von all dem besteht darin, dem Proletariat den Charakter einer potentiell revolutionären Klasse abzusprechen. Stattdessen wird eine völlig mysteriöse Erklärung zusammengezimmert, wie Revolution und Kommunisierung zustande kommen würden. Die Kommunisierer haben keine Strategie für den Weg aus der kapitalistischen Gesellschaft. Die wirklich schwierigen Probleme des Klassenbewusstseins, der politischen Organisation, der bürgerlichen Macht und einer Übergangsperiode werden einfach als Nichtigkeiten beiseitegeschoben. Was also großspurig als Erneuerung und Innovation daher kommt, entpuppt sich als Desillusionierung und ein Schrei der Verzweiflung.

Anmerkungen

(1) Die Gruppe Internationalist Perspective (IP) zum Beispiel spaltete sich 1985 von der Internationalen Kommunistischen Strömung (IKS) ab, da sie „zentristisch in Bezug auf den Rätekommunismus" war. Damit lehnte sie bereits die Notwendigkeit einer kommunistischen Organisation ab, aber es sollte noch einige Jahre dauern, bis sie ihren Rest-Luxemburgismus in der Ökonomie abschütteln (die Wertform-Analyse übernehmen) konnten und sich viele der theoretischen Positionen dieser Schule zu eigen machte. Die Schnittpunkte liegen in der Ablehnung der politischen Organisation.

(2) „Endnotes – bringt eure Toten raus“, übersetzt aus „Endnotes 1 - Preliminary materials for a balance sheet of the 20th century”

(3) Siehe „Endnotes 4 – Unity in Separation“

(4) Siehe Gilles Dauvé: „Eclipse and re-emergence of the communist movement”, S. 105

(5) Siehe MEGA II/4.1: Ökonomische Manuskripte 1863-67, Teil 1, S. 24-135 bzw. marxists.org

(6) MEW Band 23, S. 766

(7) MEW Band 23, S. 533

(8) Internationalist Perspective: “The World As We See It: Reference Points”

(9) Siehe auch “Autonomism – “Many Flowers Little Fruit” (leftcom.org/en/articles/2018-02-21/autonomism-–-“many-flowers-little-fruit”-1) und “Autonomism – Cutting the Ground from under Marxism”

(10) Siehe “Endnotes 4 – Unity in Separation“, S. 166

(11) Siehe „Endnotes 1 - Preliminary materials for a balance sheet of the 20th century”, S. 19

(12) Siehe “Endnotes 4 – Unity in Separation“, S. 184

(13) Siehe “Endnotes 4 – Unity in Separation“, S. 174. Internationalist Perspective ist damit nicht einverstanden. Für sie hat die reelle Subsumtion den Unterschied zwischen produktiven und nicht produktiven Arbeitern aufgehoben und somit einen kollektiven Arbeiter geschaffen.

(14) Siehe „Endnotes 3 - Gender, race, class and other misfortunes”, S 247

(15) Siehe Gilles Dauvé: “Eclipse and re-emergence of the communist movement”, S. 140

(16) Eine Kritik einiger der Einwände gegen die Übergangsperiode wurde in „Die Kommunistische Gesellschaft - Wert, Arbeit und Zeit: Eine Antwort an Gilles Dauvé“ gegeben:leftcom.org

/(17) Unsere Übersetzung nach Bruno Astarian: “Crisis activity and communisation”

(18) Siehe “Endnotes 2 - Misery and the value form”, S. 97. Dies ist eine Schlussfolgerung die von „Wertkritikern“ gezogen wird.

(19) Der vollständige Kommunismus ist das, was Marx in seiner "Kritik des Gothaer Programms" als Endergebnis der Übergangsperiode vorsah.

(20) Siehe Fußnote 17

(21) Die TextilarbeiterInnen rebellierten, weil sie nicht bezahlt wurden. Sie kämpften für ihre Rechte innerhalb des Systems. Das Niederbrennen von Fabriken war ein Angriff auf die kapitalistischen Eigentümer wegen Nichtzahlung der Löhne, nicht eine Arbeitsverweigerung.

(22) Siehe leftcom.org und leftcom.org)

(23) Siehe Fußnote 17

(24) Doch Endnotes 4, S. 146 sieht die Wertform als obsolet und die menschliche Arbeit nicht mehr als die primäre Produktivkraft. Die Wissenschaft habe den Platz der Arbeit eingenommen. Begründet wird dies mit dem sog. Maschinenfragment, das 1858, 9 Jahre vor Kapital Band 1, geschrieben wurde. Das Milieu der Kommunisierung wird so dazu gebracht, das revolutionäre Potenzial der ArbeiterInnenklasse anzuzweifeln.

(25) Siehe Fußnote 17

(26)Unsere Übersetzung nach Gilles Dauvé: „Value, Time and Communism: Re-Reading Marx“ aus „Eclipse and re-emergence of the communist movement

(27) Unsere Übersetzung aus Bruno Astarian: „Value and its abolition

(28) Siehe Fußnote 27

(29) Ebenda

(30) Ebenda

(31) Siehe “Endnotes 4 – Unity in Separation“, S. 146

(32) Siehe Richard Freeman: “Labor Market Imbalances: Shortages, or Surpluses, or Fish Stories?”, Harvard University, 2008

(33) Siehe ilo.org

(34) Siehe Gilles Dauvé: “Eclipse and re-emergence of the communist movement”, S. 105

Sunday, April 9, 2023