Der Krieg in der Ukraine, die ArbeiterInnenklasse und die zukünftige Internationale

Der Krieg ist eine ständige Tatsache des heutigen Kapitalismus. Das Funktionieren des kapitalistischen Systems führt unweigerlich zu einem Konkurrenzkampf um die Aneignung des von der weltweiten ArbeiterInnenklasse produzierten Mehrwerts - mit anderen Worten zu einem imperialistischen Kampf. In dem Maße, in dem die Menge des Mehrwerts im Verhältnis zum vorhandenen Kapital sinkt, wird dieser Kampf immer heftiger und führt schließlich zum Krieg. In den letzten 120 Jahren hat es fast ununterbrochen Krieg gegeben. In bestimmten Perioden, wie 1914-1918 oder 1939-1945, hatte er sich so weit ausgebreitet, dass er als „Weltkrieg“ bezeichnet wurde. Die Gründung der UNO nach dem Zweiten Weltkrieg sollte - so ihre Gründungserklärung - den Weltfrieden garantieren. Doch irgendwo auf der Welt herrscht seit 1945, ja seit Beginn des 20. Jahrhunderts, nahezu ständig Krieg.

Obwohl wir den Krieg als konstanten Faktor betrachten, stellt der russische Einmarsch in die Ukraine eine erhebliche Verschärfung der zwischenimperialistischen Spannungen dar, abgesehen von der Katastrophe für die Menschen in der Ukraine und in Russland, die auf unterschiedliche Weise von den militärischen Aktionen beider Seiten betroffen sind. Die Gründe für den Krieg sind im Wesentlichen wirtschaftlicher Natur. Die anhaltende Krise der kapitalistischen Wirtschaft ist das Ergebnis ihrer unlösbaren Widersprüche, aber auf nationaler Ebene kann ein Krieg vorübergehend Abhilfe schaffen, indem er die Produktionskapazitäten von Konkurrenten zerstört und Ressourcen direkt an sich reißt. Die Ukraine ist ein wichtiger Produzent von landwirtschaftlichen Grundnahrungsmitteln wie Weizen und Sonnenblumenöl. Sie verfügt auch über bedeutende Bodenschätze. Der Erwerb dieser Ressourcen wäre ein Gewinn für die russische Wirtschaft. Andernfalls würde die Zerstörung oder Verlagerung der ukrainischen Produktion der russischen Wirtschaft helfen, indem ein wirtschaftlicher Rivale ausgeschaltet wird. Die politischen Manöver im Zusammenhang mit umstrittenen Wahlen und dem Status der überwiegend russischsprachigen Regionen in der Ostukraine in den letzten 20 Jahren sind sowohl der Hintergrund als auch die Folge der Manöver pro-russischer und pro-amerikanischer Fraktionen der ukrainischen Bourgeoisie und externer Fraktionen der Kapitalistenklasse.

Dies ist jedoch nicht der einzige Krieg, der derzeit geführt wird. Aserbaidschan und Armenien bekämpfen sich seit Anfang der 1990er Jahre mit mehr oder weniger großer Heftigkeit, und der Krieg dort flammte im Sommer 2022 kurzzeitig wieder auf; die Kriege in Syrien, Äthiopien, Jemen, Israel/Palästina, Somalia, Irak, Myanmar und im gesamten Maghreb gehen weiter; Warlords und kriminelle Banden (manchmal ist es schwierig, sie zu unterscheiden) verwüsten weiterhin Afrika und Südamerika. Es gibt mehr andauernde Konflikte, als man ohne weiteres aufzählen kann; einige Staaten kämpfen in mehr als einem andauernden Konflikt und sie erstrecken sich über alle Kontinente.(1)

Keiner dieser Konflikte hat der ArbeiterInnenklasse etwas anderes zu bieten als weiteres Elend. Welche Bande auch immer im Staat das Sagen hat, ob sich Regionen und Sprachgruppen von einem bestimmten Staat abspalten, sich einem anderen Staat anschließen oder einen eigenen gründen, ist für die ArbeiterInnenklasse nicht von Belang. Es ändert nichts an der Realität der kapitalistischen Verhältnisse und der Ausbeutung.

Der Krieg in der Ukraine ist zwar bis jetzt nicht der einzig verheerendste der laufenden Konflikte, aber dennoch von enormer Bedeutung. Er betrifft direkt Russland, eine Atommacht, die mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht hat. Russland hat versucht, ein engeres Bündnis mit China, dem heutigen Hauptrivalen der USA, aufzubauen, mit einigem (wenn auch nicht vollständigem) Erfolg.(2) Es hat sich auch diplomatisch und militärisch dem Iran angenähert, der ebenfalls ein langjähriger Feind der USA ist. Die USA und andere NATO-Länder unterstützen die Ukraine und liefern Waffen und Ausbildungsmaterial an die Regierung in Kiew. Den USA ist es gelungen, einige ihrer Verbündeten, wie z. B. Deutschland, zu disziplinieren und sie mehr auf ihre eigene Außenpolitik einzustellen. Schweden und Finnland sind im Begriff, 70 Jahre Neutralität aufzugeben und der NATO beizutreten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt müssen nur noch Ungarn und die Türkei die Beitrittsverträge ratifizieren. Die Türkei ist zwar NATO-Mitglied, spielt aber ihre eigenen diplomatischen Spielchen mit Russland und gibt sich als ehrlicher Makler aus. Ungarn ist für ein EU- und NATO-Mitglied politisch recht nah an Russland, und der Präsident Viktor Orbán wird sich mit der Ratifizierung wahrscheinlich Zeit lassen.(3) Diese Manöver großer und kleiner Mächte sind nichts anderes als ein Ringen um die beste Position, um aus dem Gemetzel in der Ukraine den größten Nutzen zu ziehen, die besten Geschäfte zu machen und gleichzeitig die Toten auszuschlachten, die das Gemetzel hinterlassen hat.

Dies ist ein Krieg zwischen zwei imperialistischen Lagern, und die ArbeiterInnenklasse kann sich in diesem Kampf auf keine Seite stellen. Die liberalen westlichen „Demokratien“ sagen, dass Putin ein autoritärer Herrscher und die Ukraine ein Leuchtturm der Demokratie sei. Ersteres mag stimmen, aber Letzteres ist eine Lüge. Putin sagt, die Ukraine sei weich gegenüber dem Faschismus und die Russen seien Befreier. Auch hier mag Ersteres zutreffen, aber Letzteres ist eine Lüge. Weder die a_ntifaschistische Operation_“ noch die „Verteidigung der Demokratie“ sind auch nur einen Tropfen Blut der ArbeiterInnenklasse wert.

Die ArbeiterInnenklasse ist die einzige Kraft, die den Krieg beenden kann, indem sie den Kapitalismus, die Triebkraft des Krieges in der modernen Welt überwindet. Doch ist die ArbeiterInnenklasse schwach und gespalten. In weiten Teilen der Welt ist sie – wohl oder übel - an die Nation gebunden und sich kaum ihrer selbst und ihrer Stellung als internationale Klasse bewusst, die die Kapazität hat den Kapitalismus zu überwinden.

In dieser neuen Situation haben revolutionäre Gruppen (und vorgeblich revolutionäre Gruppen) versucht zu verstehen, was passiert, und Parallelen in der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung gefunden.

Einige Parallelen erscheinen zutreffend. 1914, als die österreichisch-ungarische Armee Serbien angriff, das Ereignis, das die Kaskade von Bündnissen auslöste, die zu dem apokalyptischen Gemetzel des Ersten Weltkriegs führte, rangen SozialistInnen in ganz Europa darum, mit der neuen Situation zurechtzukommen.

Ein Teil der Zweiten Internationale hielt sich an die Entschließungen ihrer Kongresse von 1907 in Stuttgart und 1910 in Kopenhagen, die von Lenin und Luxemburg angeführt und im Basler Manifest von 1912 bekräftigt worden waren. Darin wurden die SozialistInnen aufgerufen, sich dem Krieg auf revolutionärer Grundlage zu widersetzen und für den Sturz des Kapitalismus zu kämpfen. Zu diesen RevolutionärInnen gehörten die russischen Bolschewiki, die bulgarischen Tesnyaki, die holländischen TribunistInnen und die polnischen und vor allem die serbischen SozialistInnen, die erklärten, der Krieg sei ein Krieg zwischen kriegführenden kapitalistischen Mächten und habe der ArbeiterInnenklasse nichts zu bieten, obwohl Serbien direkt von Österreich-Ungarn angegriffen worden sei. Sie erklärten:

Für uns war klar, dass sich unser Land in dem Konflikt zwischen Serbien und Österreich-Ungarn in einer offensichtlichen Verteidigungsposition befand. Serbien verteidigt sein Leben und seine Unabhängigkeit, die Österreich schon vor dem Attentat von Sarajewo ständig bedroht hatte. Wenn die Sozialdemokratie irgendwo ein legitimes Recht gehabt hätte, für den Krieg zu stimmen, dann war das sicher vor allem in Serbien der Fall. Entscheidend war für uns aber, dass der Krieg zwischen Serbien und Österreich nur ein kleiner Teil eines Ganzen war, nur der Prolog zu einem universellen, europäischen Krieg, und dieser konnte – davon waren wir zutiefst überzeugt – nichts anderes als einen deutlich ausgeprägten imperialistischen Charakter haben. Daher hielten wir es als Teil der großen sozialistischen, proletarischen Internationale für unsere Pflicht, uns diesem Krieg entschieden entgegenzustellen.(4)

Die Mehrheit der angeblich „marxistischen“, „revolutionären“ Zweiten Internationale schlugen die Resolution der Internationale gegen den Krieg in den Wind und unterstützten „ihre eigene“ herrschende Klasse. Dies markiert den historischen Verrat der Mehrheit der „Sozialisten“ - der Labour Party in Großbritannien, des größten Teils der französischen sozialistischen Partei, der Mehrheit der Sozialdemokratie in Deutschland -, die sich zusammen mit den Gewerkschaften in den kriegführenden Ländern daranmachten, für „König und Vaterland“, „Kaiser und Vaterland“, die „Verteidigung der Zivilisation“ zu rekrutieren. Was auch immer die Vorwände und Parolen waren, in Wirklichkeit ging es darum, zur Verteidigung der Interessen des nationalen Kapitals zu morden und abgeschlachtet zu werden. In Ländern, die nicht direkt in den Krieg verwickelt waren, zersplitterten viele sozialistische Parteien in Gruppen, die die eine oder andere Seite unterstützten, wie zum Beispiel die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) der Niederlande, die sowohl pro-deutsche und pro-Entente Gruppen als auch eine revolutionäre Minderheit hervorbrachte.

Ein dritter Teil der Zweiten Internationale vertrat eine pazifistische Position. Persönlichkeiten wie Karl Kautsky erklären, dass der Krieg ein Irrtum sei und die Welt zum Status quo ante bellum zurückkehren müsse. Mit anderen Worten, den Interessen der ArbeiterInnenklasse sei am besten mit einer Rückkehr zum „normalen“ Funktionieren des Kapitalismus gedient. Ausbeutung und Elend im Dienste des Kapitals seien in Ordnung, aber der Krieg ginge einfach zu weit.

In den Reaktionen verschiedener Gruppen auf den Ukraine-Krieg können wir Anklänge an diese historischen Positionen erkennen. Es gibt revolutionäre Gruppen, die entschlossen für den Internationalismus und die Interessen der ArbeiterInnenklasse eintreten. Gruppen, die entweder den ukrainischen „Widerstand“ oder die russische „Befreiung“ unterstützen, können mit den sozialistischen Gruppen verglichen werden, die im Ersten Weltkrieg die eine oder andere kriegführende Macht unterstützten, während einige Gruppen eine verworrene Position zwischen offener Unterstützung und offener Verurteilung einnehmen.

Die InternationalistInnen

Die Gruppen der Kommunistischen Linken haben sich ausnahmslos gegen den Krieg ausgesprochen, weil er imperialistisch ist und nur den Interessen des Kapitals dient. Alle Mitgliedsorganisationen der IKT haben seit Beginn des Krieges zahlreiche Texte veröffentlicht, die sich mit dem Krieg auseinandersetzen.(5) (…) Auch die anderen Gruppen der Kommunistischen Linken haben den Krieg rundweg als imperialistisch verurteilt. Wir haben viele wichtige Meinungsverschiedenheiten mit der Internationalen Kommunistischen Strömung (IKS) und den diversen („bordigistischen“) „Internationalen Kommunistischen Parteien“ (IKP), aber wir erkennen an, dass die Erklärungen, die diese Gruppen zum Krieg veröffentlicht haben, im proletarischen Internationalismus verwurzelt sind. Beide haben den Krieg als einen Krieg für den Kapitalismus verurteilt, der der ArbeiterInnenklasse nichts zu bieten hat.(6) Zahlreiche kleinere Gruppen, die von der Kommunistischen Linken inspiriert sind, wie die Internationalist Communist Perspectives in Korea(7), haben ebenfalls internationalistische Erklärungen gegen den Krieg veröffentlicht. Wir sind der Meinung, dass alle diese Gruppen dem imperialistischen Krieg richtigerweise die Perspektive des Klassenkrieges entgegensetzen, ungeachtet aller anderen Meinungsverschiedenheiten, die wir mit ihnen haben. Wir betrachten den proletarischen Internationalismus, der letztlich die Ablehnung einer Parteinahme in imperialistischen Konflikten bedeutet, als einen Eckpfeiler der Positionen der Kommunistischen Linken seit dem frühen 20. Jahrhundert und als grundlegend für alle Gruppen, die heute das Erbe der Kommunistischen Linken beanspruchen.

Verschiedene anarchistische oder dem Anarchismus nahestehende Gruppen haben ebenfalls internationalistische Positionen zum Krieg eingenommen und dem Krieg der Kapitalisten die Perspektive des Klassenkampfs der ArbeiterInnen beider Seiten entgegengestellt. Die internationale Gruppe Anarkismo(8), die Anarchist Communist Group (ACG) in Großbritannien(9), die IWA-AIT (zu der die CNT in Frankreich, die Solidarity Federation in Großbritannien und viele andere gehören)(10), Tridini Valka in Tschechien(11), das kurdischsprachige Anarchistische Forum(12), A$AP Révolution in Frankreich(13) und viele andere Gruppen haben sich auf einer Klassenbasis gegen den Krieg ausgesprochen. Vor allem einige Gruppen in und in der Nähe der kriegführenden Länder haben gegen den Krieg Position bezogen - insbesondere KRAS, die Sektion der IWA-AIT in Russland(14) und die Gruppe Assembly in der Ukraine(15), deren Erklärungen von uns und anderen in großem Umfang veröffentlicht und verbreitet wurden. Zu erwähnen sind auch die Gruppe Some Anarchists From The Central European Region(16), die einen Aufruf zur Solidarität mit den Deserteuren auf beiden Seiten veröffentlichten oder die Gruppe Konflikt in Bulgarien(17), die Erklärungen und Analysen auf der Grundlage klarer Klassenpositionen veröffentlichte. Wir sind ermutigt, dass diese Gruppen in der Lage waren, klare klassenpolitische Aussagen zu machen, ungeachtet aller anderen Meinungsverschiedenheiten, die wir mit ihnen haben mögen.

Die Litanei der Vaterlandsverteidiger

Es überrascht nicht, dass viele Gruppen, die behaupten, für die ArbeiterInnenklasse einzustehen, sich für die eine oder andere Seite entschieden haben. Vor allem stalinistische Gruppen haben Russland verteidigt und die Unterstützung der NATO für die Ukraine und Putins Idee eines „antifaschistischen“ Kreuzzuges als ausreichende Gründe für die Unterstützung des russischen Imperialismus angeführt. Natürlich sehen sie Russland nicht als imperialistisch an und behaupten, Russland sollte gerade deshalb unterstützt werden, weil es „antiimperialistisch“ sei, womit sie eine gegen die USA gerichtete Haltung meinen. Ihr Unvermögen, den Kapitalismus zu verstehen, ist die Kehrseite ihrer Unfähigkeit, die Essenz des Sozialismus zu verstehen. Die CPGB-ML in Großbritannien ist ein Paradebeispiel für diese Strömung: Ihre Position besteht ausschließlich in der Unterstützung der „Moskauer Linie“.(18)

Einige stalinistische Gruppen, wie die Communist Party of Britain (CPB) und die KKE in Griechenland, haben sich zwar gegen den Krieg ausgesprochen. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Gruppen in irgendeiner Weise internationalistisch geworden sind. Ihre grundlegende Methode ist immer noch völlig in der bürgerlichen Linken verhaftet, und die Forderung nach einem Ende des Krieges ist eine Frage der Taktik, nicht des Grundprinzips. Die CPB zum Beispiel fordert einen Verhandlungsfrieden, keinen Klassenkrieg, in Anlehnung an Kautsky und die Pazifisten des Ersten Weltkriegs, die den Krieg als ein Versagen der Politik und nicht als ein Zeichen der grundlegenden Krise des kapitalistischen Systems ansahen.(19)

Die trotzkistischen Gruppen haben unterschiedliche Positionen vertreten, tendieren aber zu einer mehr oder weniger klaren Unterstützung des ukrainischen Regimes, während sie gleichzeitig den Militarismus der NATO kritisieren. Die britische Socialist Workers' Party (SWP), einst die größte Gruppe links von Labour, heute jedoch auf einen Restbestand reduziert, hat einen Rückzug Russlands gefordert und außerdem erklärt, dass eine militärische Niederlage Russlands durch „das ukrainische Volk“ ein positives Ergebnis sein würde.(20) Die Socialist Party of England and Wales, ehemals die loyale interne Oppositionsgruppe Militant innerhalb der Labour Party, fordert „Selbstbestimmung für die Ukrainer“, was inmitten dieses Krieges einer Unterstützung des Regimes in Kiew gleichkommt.(21) Auch die Alliance for Workers' Liberty (AWL), eine Organisation, die aus dem trotzkistischen Milieu hervorgegangen ist, hat ihre Unterstützung für das Regime in Kiew und damit für den US-Imperialismus und den NATO-Militarismus explizit deutlich gemacht.(22)

Die anhaltende Unterstützung der Mehrheit der stalinistischen und trotzkistischen Gruppen für die kriegführenden Mächte (auch wenn sie im Falle der Trotzkisten in Begriffen wie „nationale Selbstbestimmung“ und „Sieg des ukrainischen Volkes“ formuliert wird) ist kaum überraschend. Die politischen Vorläufer dieser Organisationen haben vor langer Zeit ihren Frieden mit dem Kapitalismus als Ganzem gemacht und sich damit abgefunden, für ihren Platz innerhalb der Strukturen des Nationalstaates und der imperialistischen Hackordnung zu kämpfen. Ohne die Grundlagen ihrer Geschichte in Frage zu stellen, können die Organisationen, die vom Stalinismus und Trotzkismus abstammen, der ArbeiterInnenklasse keine wirkliche Alternative bieten. Stattdessen dienen diese Parteien nur dazu, andere Formeln für die Verwaltung des nationalen Kapitals anzubieten und die ArbeiterInnenklasse fester an eine etatistische Version des Kapitalismus zu binden.

Doch nicht nur die Nachfahren des Schiffbruchs der „Kommunistischen“ Internationale haben die ArbeiterInnen zum Kampf für den Kapitalismus aufgerufen. Auch ein Teil der AnarchistInnen hat mit Begeisterung dafür agitiert, dass sich die ArbeiterInnen in die Schlacht stürzen sollen. In den Fußstapfen von Kropotkin, der zusammen mit anderen im „Manifest der 16“ zur Unterstützung der Entente im Ersten Weltkrieg gegen die militärische Aggression des Deutschen Reiches aufrief, haben einige anarchistische Gruppen die Position vertreten, dass es die Aufgabe der ArbeiterInnen sei, die russische Invasion niederzuringen.

Am prominentesten unter ihnen waren in Großbritannien die Gruppe um die Zeitung Freedom (welche seit ihrer Gründung eng mit Kropotkin verbunden war), die enthusiastisch die Idee eines „antiautoritären Widerstands gegen die russische Invasion(23) propagierte, und die Anarchist Federation (AFed), die derzeit eng mit der Freedom-Gruppe verbunden ist. In ihrer Zeitschrift Organize 96 drückte sie ihre Solidarität mit denjenigen aus, die „gegen den Faschismus und die Kräfte der imperialen Invasion“ kämpfen.(24) Die AFed ist Teil einer internationalen Organisation, der International of Anarchist Federations (IAF), die sich im Großen und Ganzen nicht für die ukrainische Nationalverteidigung ausgesprochen hat(25), aber ihre internationale Erklärung lässt keinen Zweifel daran, dass sie den Krieg als Ergebnis der russischen Aggression ansieht, auch wenn er eine Reaktion auf die NATO-Provokation sei.(26) Die Bereitschaft der IAF, die Schuld bestimmten Staaten in die Schuhe zu schieben, Russland als „Aggressor“ und die Ukraine als „Opfer“ zu sehen, öffnet dem Drang Vaterlandsverteidigung Tür und Tor. Die tschechische und slowakische Sektion der IAF hat beispielsweise dieselbe Pro-Kriegs-Rhetorik wie die britische Sektion wiederholt und insbesondere die Verteidigung internationalistischer Positionen durch die italienische Sektion kritisiert!(27) Die britische und die tschechische und slowakische Sektion der IAF wiederholen den Aufruf einiger AnarchistInnen sich in und um die Ukraine, in Russland und Weißrussland, dem russischen „Faschismus“ zu widersetzen - eine Ironie, da die Kampagne gegen den „ukrainischen Faschismus“ wiederum die Rechtfertigung Putins für die russische Invasion darstellt.

Leider haben einige Anarchisten diese Aufrufe ernst genommen was dazu führte, dass sog. „anarchistische“ oder „antiautoritäre“ Abteilungen innerhalb der ukrainischen Armee an der Seite und sogar als Teil von Bataillonen kämpfen, denen Faschisten angehören. Siehe zum Beispiel den Bericht des Anarchist Black Cross Dresden über den Zustand der in der Ukraine kämpfenden AnarchistInnen.(28) Dies ist eine der deutschen anarchistischen Gruppen, die sich mit dem „ukrainischen Widerstand“ solidarisieren. Aus ihrem Hauptziel machen sie keinen Hehl. „Es geht um Freiheit, es geht nicht um Nationalismus, um einen Staat, es geht darum, dass die russische Welt nicht auf die Ukraine übergreift.“ Von der NATO oder den USA ist nicht die Rede. Sie behaupten sogar, dass die Ukraine vor der Invasion eine Art „Zufluchtsort vor Unterdrückung“ war!

Diese Gruppe hat die „antiautoritären“ Einheiten der ukrainischen Armee unterstützt. Es heißt, diese Initiative sei inzwischen zusammengebrochen und der Gründer der Solidaritätskampagne habe 20.000 Euro an Spendengeldern gestohlen. „AnarchistInnen“ und „AntifaschistInnen“ kämpften nun in verschiedenen Militäreinheiten, sowohl in der normalen Armee als auch in speziellen ideologisch rechtsgerichteten Einheiten.

Sie geben zu, „dass es schwierig war, sich der strukturellen Organisation des Krieges, d.h. der Armee, entgegenzustellen, gerade weil es keine unabhängigen Einheiten gibt“. Und sie sagen, die „Versuche ihrer GefährtInnen, einen Platz in den Reihen des Militärs zu bekommen, brachten sie direkt zu Einheiten, die direkt mit ukrainischen faschistischen Gruppen verbunden sind“, dem Rechten Sektor, dem Asow-Bataillon und dergleichen, was bedeutet, „dass einige AntifaschistInnen und AnarchistInnen jetzt auf die eine oder andere Weise zu Kräften werden, die die Entwicklung der rechtsextremen Politik in der Ukraine unterstützen.“

Angesichts dieser Tatsache stellen sie die Menschen nun vor die Wahl, entweder für „AntifaschistInnen und AnarchistInnen“ in normalen Armeeeinheiten oder in rechtsgerichteten Einheiten zu spenden! Auf Umwegen unterstützen diese deutschen AnarchistInnen also auch faschistische Gruppen in der Ukraine und unterstützen ganz klar den militärischen Vorstoß des ukrainischen Staates. So viel zum „Antiautoritarismus“ und dem „Kampf gegen den Faschismus“.

Vielleicht ist der Absturz einiger anarchistischer Gruppen in den Drang zur Vaterlandsverteidigung, egal was als Verteidigung angegeben wird, auch nicht überraschend. Das „kleinere Übel“, das im Allgemeinen auf eine „Verteidigung der Demokratie“ oder etwas Ähnliches zurückgreift, ist ein wiederkehrendes Merkmal politischer Ansätze, die nicht auf einer Klassenanalyse beruhen. Wie gezeigt wurde, stellen viele anarchistische Organisationen den Klassenkampf in den Mittelpunkt, aber andere greifen auf Abstraktionen wie „Freiheit“ oder „das Volk“ zurück, die in Klassengesellschaften keine analytische Bedeutung haben - und plappern damit letztlich die Gemeinplätze der übrigen bürgerlichen Politik nach, auch wenn sie sich als Gegenpol zur Bourgeoisie und zur „Politik“ an sich verstehen. Doch das sind sie nicht! Sie sind bestenfalls deren nützliche Idioten.

Besorgniserregender sind aus der Sicht derjenigen, die versuchen, das politische Programm des Proletariats zum Ausdruck zu bringen, Organisationen, die einen differenzierteren Ansatz zu diesen Fragen haben, aber dennoch in die Fallen der Bourgeoisie tappen und ihr am Ende in einem oberflächlichen proletarischen Duktus nach dem Munde reden.

Die Angry Workers of the World (AWW) sind eine Organisation, mit der die CWO in den letzten Jahren einige interessante und fruchtbare Diskussionen geführt hat. Wir haben gegenseitig unsere Veröffentlichungen rezensiert und über unsere Kritik an der Praxis des jeweils anderen geschrieben.(29)

Doch mit Beginn des Krieges offenbarten sich innerhalb der AWW einige große Meinungsverschiedenheiten. Einerseits wurde erklärt, dass es „unstrittig“ sei, "dass unsere grundsätzliche Haltung lautete: „ArbeiterInnen sollten nicht die Kriege ihrer Bosse führen, also `No War but the Class War`, um es mit einer etwas schlichten Parole auszudrücken. Das sind gewissermaßen noch Fasern der Nabelschnur, die uns mit den Hinterzimmern von Zimmerwald und anderen kommunistischen InternationalistInnen der Vergangenheit verbindet."(30)

Gleichzeitig halle jedoch innerhalb der AngryWorkers wie in der Linken auch ein „objektives Fortschrittsdenken“ nach: „Eine Niederlage des russischen Staates wäre objektiv besser für die ArbeiterInnenklasse insgesamt.“ Folgerichtig heißt es in Hinblick auf die SPD im Jahr 1914:

Die SPD argumentierte, ein Krieg gegen den Zarismus komme den Zielen der modernen ArbeiterInnenbewegung entgegen, weshalb man die Kriegskredite bewilligen sollte – in gewisser Weise war dies kein Verrat, sondern nur ein Beispiel dafür, wohin dieser politische Ansatz praktisch führt.(31)

Die Identifizierung einer Seite als alleiniger Aggressor und der anderen Seite als alleiniges Opfer kann, wie wir gesehen haben nur zu leicht zur Unterstützung des „angegriffenen“ oder „schwächeren“ Staates führen. Ob dies nun als ein „fortschrittlicher“ Akt zur Verteidigung der „Arbeiterautonomie“ verbrämt wird, ist irrelevant. Auf beiden Seiten dieses Krieges kämpfen und sterben in erster Linie ArbeiterInnen. Als internationale, grenzübergreifende Klasse, kann die ArbeiterInnenklasse jedoch kein Interesse daran haben, dass ein nationaler Teil einen anderen abschlachtet. In einem weiteren Text der AWW wird erklärt, dass „im gegenwärtigen System der Krieg ein integraler Bestandteil der Politik aller Staatsmächte ist und die ArbeiterInnen alles tun sollten, um nicht in den Kriegen ihrer Bosse zu kämpfen"(32) Dem können wir zustimmen. Doch eine andere Fraktion der AWW lehnt die Losung „No War but the Class War“ ab und erklärt, dass (im Zusammenhang mit den Kriegen in Jugoslawien in den 1990er Jahren) „viele der Leute, die mit `No War But The Class War` begannen, entweder völlig irrelevant für die Arbeiterklasse wurden oder, was noch schlimmer ist, auf der Seite der Reaktion landeten, weil sie nicht in der Lage waren, den Kern der ArbeiterInnenklasse zu verstehen, der in Nationalflaggen" gehüllt gewesen wäre. (33) In einem späteren Beitrag stellt derselbe Autor wiederholt die Frage, was die ukrainische ArbeiterInnenklasse angesichts der russischen Invasion tun sollte, und verfällt dabei demselben „kleineren Übel“ wie die AnarchistInnen, ohne auch nur anzudeuten, was der Krieg für die russische ArbeiterInnenklasse bedeutet.(34) Es scheint, als ob die russische ArbeiterInnenklasse aufgehört hätte zu existieren und nur die Reaktion der ukrainischen ArbeiterInnenklasse wichtig wäre. Während er davon spricht, dass Russland ein brutalerer Staat sei als die westlichen Unterstützer der Ukraine - was ein wenig an die oben zitierte Angst des „Anarchist Black Cross Dresden“ vor einer die Ukraine umfassenden „russischen Welt“ erinnert -, sagt er wenig darüber, wie Antikriegsstimmen in Russland gestärkt werden können, wie die ArbeiterInnenklasse als Ganzes (nicht nur in der Ukraine) sich diesem Krieg im Besonderen und dem Kriegstreiben des Kapitalismus im Allgemeinen widersetzen könnte, indem sie eigenständig für ihre eigenen Interessen kämpft.

Eine weitere Gruppe, zu der die CWO in der Vergangenheit relativ freundschaftliche Beziehungen unterhalten hat, ist Mouvement Communiste/Kolektivně proti Kapitălu (MC/KpK), die In Frankreich, Belgien und Tschechien existiert. Wir sahen diese Gruppe bisher in weitgehender Übereinstimmung mit den Positionen der Kommunistischen Linken, obwohl sie stark vom Operaismus beeinflusst ist. Im März 2022 veröffentlichte sie jedoch ein Kommuniqué, in dem sie erklärte: „Die ukrainische Bevölkerung leistet Widerstand gegen die Invasoren. Und das ist nur zu erwarten. Die Verteidigung der Städte und Dörfer ist vor allem die Verteidigung ihrer Lage gegen die dramatische Verschlimmerung durch den Krieg. Die Freiheit eines demokratischen Regimes ist in ihren Augen einer militärischen Besatzung vorzuziehen. Der Widerstand im weiteren Sinne muss daher als eine bewaffnete Demokratiebewegung verstanden werden(35) Die Erklärung sagt auch den Zusammenbruch der Kiewer Regierung voraus und fordert die ukrainische ArbeiterInnenklasse auf, den Widerstand gegen die russische Invasion in einen „mobilen Krieg, der Nadelstiche und der Guerilla-Aktion“ gegen Russland zu verwandeln. Weiter heißt es: „Die erste Pflicht der KommunistInnen besteht darin, die demokratische bewaffnete Bewegung mit allen Mitteln (die heute sehr schwach sind) zu ermutigen, sich von der symbolischen Vormundschaft des ukrainischen Staates zu befreien, der bereits zusammenbricht, indem sie an ihre proletarische Komponente - die große Mehrheit der Freiwilligen - appellieren, den Widerstand auf die Verteidigung ihrer eigenen Interessen gegen ihren Staat und ihre Bosse (die sicherlich bei der ersten Gelegenheit die Seiten wechseln werden) zu verankern.“

In späteren Dokumenten sprechen MC/KpK vom „proletarischen Widerstand“ und davon, dass er sich nicht dem ukrainischen Staat unterordnen dürfe, dass er seine Unabhängigkeit bewahren und „den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg verwandeln“ müsse.(36)

Wir halten dies für ein Hirngespinst. Es gibt keinen unabhängigen proletarischen Widerstand in der Ukraine, der sog. Widerstand des „Volkes“ oder der „Arbeiterklasse“ gegen die russische Invasion drückt sich ausschließlich im Rahmen des Widerstands des ukrainischen Staates gegen einen imperialistischen Rivalen aus und ist keine Ausdrucksform des Klassenkampfes. Die MC/KpK sieht Gespenster. Die ukrainischen ArbeiterInnen mögen im Allgemeinen den ukrainischen Staat als besser für sie ansehen als den russischen Staat. Andere ArbeiterInnen in der Ukraine, vor allem im Osten des Landes, sehen den russischen Staat vielleicht als weniger schlecht an. Beide haben für die ArbeiterInnenklasse als Ganzes nicht viel im Angebot. Sie sind die Staaten von Kapitalisten und Kriegstreibern. Die ArbeiterInnenklasse kann Kriege beenden, indem sie sich zusammenschließt, indem sie sich über die Grenzen hinweg verbrüdert, indem sie sich gegen Lohnkürzungen und Angriffe auf ihren Lebensstandard wehrt, auch wenn dies als Sabotage der „eigenen“ Kriegsanstrengungen verketzert wird, und indem sie die Aktionen anderer ArbeiterInnen auf beiden Seiten der Frontlinie gegen alle Regierungen unterstützt, die an diesem barbarischen Gemetzel beteiligt sind.

"Der einzige Krieg, der es wert ist, gekämpft zu werden, ist der Klassenkrieg"

Einige AnarchistInnen, einige Mitglieder der AWW und MC/KpK mögen die Losung und den Grundsatz "No War but the Class War" ablehnen. Für uns bedeutet es jedoch, dass die ArbeiterInnenklasse den Kampf um ihre eigene Befreiung nicht mit der Konkurrenz zwischen kapitalistischen Staaten vermischen kann. Der Krieg in der Ukraine ist ein kapitalistischer Krieg, er ist nicht der Klassenkrieg. Ein Klassenkrieg kann daraus hervorgehen, aber im Moment ist es ein Krieg zwischen zwei kapitalistischen Staaten, mit verschiedenen imperialistischen Verbündeten und Unterstützern, und hat der ArbeiterInnenklasse folglich nichts zu bieten. Wir halten es für die Pflicht der RevolutionärInnen, die ArbeiterInnenklasse vor die Alternative zu stellen: Entweder ihr unterstützt den kapitalistischen Staat, der von euch verlangt, dass ihr euer Leben für ihn riskiert (egal welcher Staat auch immer, egal mit welchen Phrasen, ob nun „Volkskrieg“ oder „bewaffnete Demokratie" etc. auch immer der eigene „Imperialismus“ beschönigt wird), oder ihr nehmt den echten Klassenkampf auf, gegen den Kapitalismus und alle bürgerlichen Staaten.

Die gegenwärtige Situation bestätigt, was wir seit Jahren sagen. Sie markiert einen bedeutenden Schritt nach unten in der jahrzehntelangen Wirtschaftskrise des globalen Kapitalismus, deren einziger Ausweg nur in der massiven Entwertung und Zerstörung von Kapitalwerten besteht. Mit anderen Worten: „Krieg“, der immer mehr zu einem frontalen Zusammenstoß zwischen den „Großmächten“ des 21. Jahrhunderts führt. Wir befinden uns nicht im Jahr 1914, aber für KommunistInnen ist die Situation, mit der sich RevolutionärInnen zu Beginn des Ersten Weltkriegs konfrontiert sahen, eine eindringliche Ermahnung, den Widerstand der ArbeiterInnenklasse gegen den kapitalistischen Krieg zu einem integralen Bestandteil der Organisierung eines klassenweiten Widerstands gegen die „Krise der Lebenshaltungskosten“ zu machen. 1914 brach die Zweite Internationale zusammen, als die Mehrheit ihrer Mitglieder einfach den Laden dichtmachte und ihre „eigene“ kapitalistische Seite im Krieg unterstützte. Die Sozialdemokratie hat damals, wie auch heute, nicht die Verbindung zwischen dem Kampf gegen die wirtschaftlichen Angriffe des Kapitalismus und dem Widerstand gegen einen totalen imperialistischen Krieg hergestellt. Wenn es hart auf hart kam, stellte sich die Mehrheit auf die Seite des eigenen imperialistischen Lagers.

Nur eine Minderheit, die später zur Zimmerwalder Linken wurde, blieb bei den internationalen Interessen der ArbeiterInnenklasse treu. Ihre Losung „den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg verwandeln“ wurde von Lenin geprägt und wurde zur Losung der Bolschewiki während des Gemetzels des Ersten Weltkriegs. Die Bolschewiki machten sowohl innerhalb als auch außerhalb Russlands Propaganda. Nach innen, um der russischen ArbeiterInnenklasse eine konsequente Antikriegsposition zu vermitteln, die schließlich dazu führte, dass sie als die Partei anerkannt wurde, die die Interessen des Proletariat am konsequentesten vertrat, nach außen, um die Verbindungen zu anderen RevolutionärInnen wiederherzustellen und die Internationale neu zu schmieden. Diese politische Strategie fand schließlich ein Echo in der ArbeiterInnenklasse und führte zur russischen Revolution vom Oktober 1917, trug aber auch zu Meutereien in allen kämpfenden Armeen und zu Revolutionen und Aufständen in den kapitalistischen Kernländern bei.

Der Krieg ist dem Kapitalismus inhärent, aber die unlösbare Krise, in der sich der Weltkapitalismus heute befindet, bedeutet, dass wir unabhängig vom Ausgang des Krieges in der Ukraine vor konkreteren, direkten Vorbereitungen für die „finale Lösung“ stehen. Wir sehen diese Vorbereitungen bereits in den Anklagen der USA gegen China wegen Taiwan(37) und in den ideologischen Vorbereitungen, wie etwa einem Krieg zur Verteidigung der „Demokratie“. Der Ausverkauf der Sozialdemokratie im Jahr 1914 ist eine heilsame Erinnerung daran, dass der Klassenkampf nicht aufhört, wenn der Krieg ausbricht. (...) Die Austerität ist der Klassenkrieg der Bosse. Ausbeutung ist der Klassenkrieg der Bosse. Die ArbeiterInnenklasse ist immer das Opfer eines Krieges, ob militärisch oder wirtschaftlich. Der Kapitalismus hat seine fortschrittliche Rolle bei der Entwicklung der sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen für eine sozialistische Weltgemeinschaft längst hinter sich gelassen und muss überwunden werden. Was die Welt jetzt braucht, ist eine neue Gesellschaft ohne Lohnarbeit, Geld und Staaten.

Es ist nicht die Aufgabe der RevolutionärInnen von heute, bis zur „großen Feuersbrunst“ zu warten, bevor sie die Botschaft „Keinen Krieg außer dem Klassenkrieg“ an die breite ArbeiterInnenklasse herantragen. Wir sind der Meinung, dass die Situation so ernst ist, dass sich InternationalistInnen jetzt zusammenschließen sollten, um diese Botschaft in die Kämpfe der ArbeiterInnen zu tragen. Die IKT hat die Bildung von „No War but the Class War“-Komitees vorgeschlagen, als Antwort auf den Krieg, aber nicht nur als Möglichkeit, sich gegen diesen Krieg zu organisieren. Die Grundlage für diese Komitees ist die Einigung auf fünf Bedingungen und die Bereitschaft, diese Botschaft in aktuelle Arbeiterkämpfe einzubringen. Diese Bedingungen sind:

  • Gegen Kapitalismus, Imperialismus und jeden Nationalismus! Keine Unterstützung für irgendwelche nationalen Bourgeoisien , „kleinere Übel“ oder sich formierende Staaten!
  • Für eine Gesellschaft, in der Staaten, Lohnarbeit, Privateigentum, Geld und Profitproduktion durch eine Welt der frei assoziierten ProduzentInnen ersetzt werden!
  • Gegen die wirtschaftlichen und politischen Angriffe, die der gegenwärtige und die kommenden Kriege auf die ArbeiterInnenklasse ausführen werden!
  • Für den selbstorganisierten Kampf der ArbeiterInnenklasse, für die Bildung von unabhängigen Streikkomitees, Massenversammlungen und ArbeiterInnenräten!
  • Gegen Unterdrückung und Ausbeutung, für die Einheit der ArbeiterInnenklasse und den Zusammenschluss von wirklichen InternationalistInnen!

In Großbritannien, in den USA, in Kanada, Frankreich, Italien und der Türkei wurden bereits NWBCW-Gruppen gegründet - oft, aber nicht immer, unter Beteiligung der IKT. Unsere Erklärung und Einladung wurde auch in anderen Ländern, z. B. Korea, verbreitet. Diese Komitees sind kein Ersatz für die selbstorganisierten Organe, die die ArbeiterInnenklasse im Laufe ihrer Kämpfe entwickeln muss (Streikkomitees, Massenversammlungen usw.), sondern sie sind ein Instrument für die internationalistische Intervention in die bereits stattfindenden Klassenkämpfe.

Angesichts der ernsten Lage ist dies keine kurzfristige Initiative, aber wie lange der Krieg auch dauern mag, ist es unsere Aufgabe ist, die Autonomie des Kampfes der ArbeiterInnenklasse zu fördern und zu verteidigen, die unmittelbaren Forderungen mit der Notwendigkeit zu verbinden, den Kapitalismus zu überwinden und eine Organisation von internationalistischen RevolutionärInnen aufzubauen, die für diesen Prozess unverzichtbar sind. Wir hoffen, dass die NWBCW-Gruppen im Laufe der Zeit zu diesem Prozess der Klärung der Positionen beitragen können, den die ArbeiterInnenklasse benötigt, um den Kapitalismus und alle Staaten zu stürzen. Als Teil der Entwicklung ihres revolutionären Bewusstseins wird die ArbeiterInnenklasse schließlich ihr eigenes politisches Instrument, ihren eigenen Bezugspunkt auf globaler Ebene entwickeln müssen.(38) Fantasien dass ArbeiterInnen in der Ukraine die russische Armee in einem „mobilen Krieg“ im Stile eines Nestor Machno besiegen und durch die faschistisch inspirierten Bataillone der ukrainischen Armee zu einer Art internationalistischem proletarischen Bewusstsein gelangen würden, tragen jedoch nichts zur Schaffung einer solchen Internationale bei.

SJ (Communist Workers’ Organisation)

Anmerkungen:

Bild: Graffiti in ukrainischer Sprache, das einen russischen und einen ukrainischen Soldaten zeigt, die beide sagen: "Ich starb für die Kapitalisten".

(1) Eine relativ umfassende Liste findet sich unter:en.wikipedia.org

(2) leftcom.org

(3) atlanticcouncil.org

(4) Dušan A. Popović, 1915 - Brief an Christian Rakovsky. Erstmals auf Russisch in Trotzkis Zeitschrift Nashe Slovo veröffentlicht. Auf Englisch veröffentlicht in „The Balkan Socialist Tradition, 1871-1915“, herausgegeben von Andreja Živković und Dragan Plavšić.

(5) Zum Beispiel die Erklärung der ICT vom September: leftcom.org

(6) Zum Beispiel von der IKS: de.internationalism.org; und von der IKP: international-communist-party.org

(7) communistleft.jinbo.net

(8) anarkismo.net

(9) anarchistcommunism.org

(10) iwa-ait.org

(11) autistici.org

(12) anarchistnews.org

(13) asaprevolution.net

(14) iwa-ait.org

(15) libcom.org

(16) antimilitarismus.noblogs.org

(17) kon-flikt.org

(18) thecommunists.org

(19) communistparty.org.uk

(20) socialistworker.co.uk

(21) socialistparty.org.uk

(22) workersliberty.org

(23) freedomnews.org.uk

(24) afed.org.uk

(25) Die italienische Sektion der IAF, die FAI, hat sich zum Beispiel gegen jede Art von Vaterlandsverteidigung ausgesprochen, siehe: federazioneanarchica.org

(26) i-f-a.org

(27) afed.cz

(28) enoughisenough14.org

(29) Siehe zum Beispiel: leftcom.org

(30) angryworkers.org

(31) Ebd.

(32) angryworkers.org

(33) angryworkers.org

(34) angryworkers.org

(35) mouvement-communiste.com

(36) mouvement-communiste.com

(37) leftcom.org

(38) leftcom.org

Tuesday, February 21, 2023