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Startseite ›Der Einmarsch der Türkei in Syrien
Seit Beginn des Krieges gegen Baschar el Assad (2011) war klar, dass die Türkei beabsichtigte, in das Gebiet entlang der Grenze zu Syrien einzudringen. Die Türkei beteiligte sich erst mit großer Verspätung und nie mit großer Entschlossenheit am Krieg gegen den „Islamischen Staat“ (IS). Für Erdoğan war es nur ein Vorwand, um sein langgehegtes Ziel zu verfolgen, alle kurdischen Milizen in Syrien zu bekämpfen, vor allem aber jene, die mit der Anti-IS - Koalition im Grenzgebiet zur Türkei kämpfen. Die einzig mögliche Erklärung für diese Haltung ist seine Absicht, die Bildung eines autonomen kurdischen Staates nach Ende des Krieges in Syrien zu verhindern. Strategisch zielt Erdoğan darauf ab, nicht nur die Entstehung eines zweiten kurdischen Staates in der Region zu verhindern, der sich in naher Zukunft mit demjenigen im Irak verbinden könnte, sondern auch ein politisches und militärisches Erstarken der PKK zu stoppen. Sie wird von Ankara als Hauptfeind angesehen, als „Terrororganisation“, die für alle Probleme der fragilen türkischen Wirtschaft verantwortlich sei, und deshalb um jeden Preis bekämpft werden müsse.
In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, dass Erdoğans Militäroperation eindeutig gegen das Völkerrecht verstößt, welches zwar ein bürgerlicher Betrug und ein Instrument der imperialistischen Großmächte ist, dennoch aber zumindest den Anschein der Gültigkeit haben sollte, um die Probleme zwischen den verschiedenen Imperialismen zu kitten. Es spielt keine Rolle, dass es die kurdischen Milizen der YPG waren, die an der Seite der USA kämpften und die Hauptlast des Krieges gegen den IS auf sich nahmen. Während die Amerikaner und der Rest der Anti-IS-Koalition die Stellungen des "Kalifats" wie in einer Art Videokriegsspiel aus der Luft bombardierten, kämpften die kurdischen Milizen als Bodentruppe und verloren Tausende von Kämpferinnen und Kämpfern, die entweder getötet oder verwundet wurden. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, dass die kurdische YPG nie so enge Beziehungen zur den „Terroristen“ der PKK hatte, wie Erdogan gerne behauptet, - von sporadischen militärischen Verbindungen im Kampf gegen den IS und einer gemeinsamen stalinistischen Ideologie, die wir immer kritisiert haben, einmal abgesehen.(1)
Wichtig allein ist, dass der kurdische "nationalistische Fluch" Erdogan nicht den Schlaf raubt und vor allem nicht seinem Zielen im Weg steht: Dem Drang nach einer sunnitischen Vorherrschaft in der Region und dem Bestreben die Türkei zur Öldrehscheibe im Mittelmeerraum zu machen, was die Kontrolle über das strategisch wichtige Gebiet in Nordostsyrien voraussetzt. Dies war seit 2011 offensichtlich. Anders sieht es jedoch mit der Position der USA aus. Trump hat uns mittlerweile hinsichtlich seines Verhaltens und seiner Außen- und Innenpolitik an die bipolare Störung seiner ganzen Administration gewöhnt. Diese wird auch hier wieder offensichtlich. Dennoch liegt dem Handeln von Trump und seinem treuen Mitarbeiter Pompeo eine gewisse Logik zugrunde. Die USA sind nicht in Syrien aktiv geworden, um den IS zu zerstören, sondern haben im Gegenteil ursprünglich zu seiner Entstehung beigetragen, indem sie ihn auf Augenhöhe mit der Türkei und ihren Verbündeten bewaffnet und finanziert haben, um so zu verhindern, dass Russland sich weiterhin in syrischen Häfen und Marinestützpunkte festsetzt. Weitere Ziele waren: die Eindämmung der iranischen Präsenz im Golf, die Untergrabung der schiitischen Koalition (Assads Syrien, libanesische Hisbollah, Iraker, Iraner und die Houthi-Rebellen im Jemen), die in Syrien (aber nicht nur dort) unter der Ägide Russlands um die Vorherrschaft über den gesamten persischen Golf, den Mittelmeerraum sowie die großen Öl- und Gaspipelines, die vom Nordosten Russlands bis zum Iran nach Europa und dem Arabischen Meer führen, kämpften. All dies hatte den imperialistischen Zielen der USA und ihren Verbündeten schweren Schaden zugefügt.
Die russische Militärintervention im Syrischen Krieg (2014) veränderte das Gleichgewicht vor Ort so sehr, dass die taumelnde Regierung von Assad bestehen blieb und der Krieg aller gegen alle formell zugunsten der Achse Moskau-Damaskus beendet wurde. Frühere Friedensversuche, die auf eine Aufteilung Syriens (bspw. die Sotschi-Abkommen) abzielten, sind gescheitert. Trump musste sich seine Niederlage eingestehen, und zog es nun vor seine Verluste unter bestimmten Bedingungen zu reduzieren. Mit der heuchlerischen Aussage, in der Trump fragte: "Was machen wir in Syrien, wenn wir Geld für kleine Stammeskriege ausgeben", wurde mit dem Abzug der US-Truppen der Rückzug aus Syrien eingeleitet. Dies war nichts anderes als die Umsetzung eines zuvor beschlossenen Plans, auch wenn seine Mitarbeiter Trump dazu brachten, dort noch ein Militärkontingent von ein paar tausend Mann und zweihundert Militärberater zu belassen. Der Rückzug der US-Truppen gab der türkischen Armee faktisch grünes Licht für ihre Militäroperation, auch wenn Trump heute das Eindringen der Türkei in den Nordosten Syrien bedauert und schamlos leugnet, dass er die Augen vor der Tatsache verschließt dass sich Erdogans Aggression gegen die einstigen treuen kurdischen Verbündeten der USA richtet. Erklärtes Ziel Ankaras ist es, eine breite Sicherheitszone entlang der türkischen Grenze zu schaffen, in die fast drei Millionen syrischen Flüchtlinge umgesiedelt werden sollen. In Wirklichkeit geht es darum, alle bereits zuvor genannten Ziele zu erreichen.
Für die USA gilt die Devise: Der Krieg ist noch nicht vorbei, aber die Destabilisierung des Gebietes ist nützlich, um das Assad-Regime und seinen großen Verbündeten, den russischen Imperialismus, zu schwächen. Erdoğan wurde somit von den USA freie Hand gelassen, auf Kosten weiteren Blutvergießens, welches Syrien bereits seit acht Jahren heimsucht.(2) Dem liegt die unersättliche Gier der imperialistischen Akteure zugrunde, die in diesem geplagten Land des Todes und der Vertreibung operieren. All dies ist Ausdruck einer Weltkrise, die Konflikte schürt und verschärft, welche den Kapitalismus samt seiner unlösbaren Widersprüche am Leben halten. Den Kapitalismus zu bekämpfen und für die einzig mögliche Alternative – den Kommunismus – einzutreten, setzt voraus, gegen alle Erscheinungsformen des Krieges und alle Ausformungen des Imperialismus vorzugehen. Das bedeutet auch sich nicht am nationalistischen Spiel der kurdischen Minderheiten zu beteiligen. Ihr Ziel ist ein bürgerlicher Nationalstaat. Um dieses Ziel zu erreichen hängen sie sich an die eine oder andere imperialistische Macht und lassen sich zu ihrem Werkzeug machen, um dann, wenn sie ihre Schuldigkeit getan haben, beiseitegeschoben zu werden. Dies zeigt sich besonders im Fall der YPG, die von den USA gegen den IS benutzt, und nun dem türkischen Imperialismus ausgeliefert wird. Inmitten einer verheerenden Krise, die Kriege über Kriege hervorbringt, führt die Entwicklung neuer Nationalismen, sei es nun kurdischer oder anderer ethnischer Gruppen immer weiter in die Sackgasse. Die einzige Perspektive aus dem Dilemma ist die proletarische Revolution, um Krisen und Kriege und die inhumane Arroganz des Imperialismus zu stoppen.
(1) Siehe dazu:leftcom.org
(2) Siehe dazu auch:leftcom.org
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