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Startseite ›Anarchismus im Rückblick: Unsere Suche nach einer revolutionären Praxis
Der Anarchismus ist nicht selten die Strafe für die opportunistischen Sünden der Arbeiterbewegung.
W. I. Lenin
Wir wollen diesen Text mit einer Vorbemerkung beginnen: Dies ist kein Angriff auf die Militanz unserer libertären GenossInnen. Sie legen ein äußerst ernsthaftes revolutionäres Engagement an den Tag und wir haben großen Respekt vor dem Mut, den sie in unseren gemeinsamen Kämpfen gegen die Angriffe der Bourgeoisie unter Beweis gestellt haben. Dieser Text ist der Versuch unsere Praxis zu klären, ohne die historischen Fehler der ArbeiterInnenbewegung zu wiederholen. Auch wenn wir unsere Kritik hart und prägnant formulieren, wollen wir versuchen dabei so konstruktiv wie möglich zu bleiben. Die AutorInnen dieses Textes sind beide ehemalige AnarchistInnen, bzw. um genauer zu sein libertäre KommunistInnen in der Tradition des Plattformismus 1. Wir haben uns also an einer Strömung beteiligt, die versucht den Anarchismus zu einer revolutionären Bewegung mit dem Ziel der Überwindung des Kapitalismus zu „verändern“. Wir waren in der Periode 1998-2010 als AnarchistInnen aktiv. Damals wurde es für klassenkämpferische Strömungen möglich, die Hegemonie individualistischer und liberaler Tendenzen, die den nordamerikanischen Anarchismus über 30 Jahre dominiert hatten, infrage zu stellen und zu kritisieren. Das Scheitern dieser Initiativen brachte uns schließlich in Verbindung mit der Italienischen Kommunistischen Linken, einer Strömung die auf eine lange Tradition der Kritik an der offiziellen „kommunistischen“ Bewegung zurückblickt. Wir meinen, dass unsere Entwicklung nicht von ungefähr kam, und andere Genossen, die die gleichen oder ähnliche Erfahrungen durchmachen bzw. durchgemacht haben, zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen können. In den letzten Jahren ist uns aufgefallen, dass sich auch andere in ähnlicher Richtung äußern, so z.B. auf Libcom.org, wo kritische Strömungen aus dem anarchistischen und marxistischen Spektrum zusammentreffen. Wir hoffen anderen die lange und beschwerliche Entwicklung, die bitteren Erfahrungen, Enttäuschungen und Sackgassen ersparen zu können, die wir erlebt haben. Unsere Bilanz zeigt, dass die postmodernen Deformationen des Anarchismus nicht zufällig zustande kommen. Sie sind ein integraler Bestandteil dieser Bewegung. Dies hat zur Folge, dass selbst jene libertären KommunistInnen, die scheinbar eine dem anarchistischen Liberalismus entgegengesetzte Richtung einschlagen, letztendlich in einem Theoriegebäude ohne jedes revolutionäres Potential behaftet bleiben.
Dieses Papier ist daher nicht einfach nur eine weitere Kritik am Livestyle-Anarchismus oder dem sog. „Insurrektionalismus”. Derartige Kritiken wurden in der anarchistischen Szene schon „intern“ geleistet und wir wollen dem hier nichts hinzufügen. Dieser Text richtet sich nicht an jene, die glauben die Welt durch „Containern“, selbstverwaltete Wohnprojekte und Freiräume verändern zu können. Vielmehr wendet er sich an alle GenossInnen, die anfangen eine Synthese aus Marxismus und Anarchismus zu entwickeln. Wir werden an vielen Punkten ansetzen und den Text in vier Teile gliedern. Dabei werden wir nicht mit Kritik sparen. Denn mit Rosa Luxemburg sind wir der Meinung:
Selbstkritik, rücksichtslose, grausame, bis auf den Grund der Dinge gehende Selbstkritik ist die Lebensluft und Lebenslicht der proletarischen Bewegung.
Eine (große) Vorliebe für den Liberalismus – trotz des kommunistischen Etiketts
Anfangs bestand das wesentliche Ziel der NEFAC („Northeastern Federation of Communist Anarchists“) darin, die Essenz des Anarchismus wieder zu seinen Ursprüngen zurückzuführen und ein proletarisches klassenkämpferisches Projekt zu entwickeln. Dieser Ansatz (der weitgehend auf historischen Betrachtungen basierte) zog sich schon immer den Zorn jener AnarchistInnen zu, die die liberale Tradition im Anarchismus hochhielten bzw. halten. Von einem Kampf zweier antagonistischer Klassen zu sprechen impliziert eine Reflexion über Machtverhältnisse, also die Frage, wer die Macht hat und wie man sie übernehmen, bzw. knacken kann. Von einem revolutionären Subjekt zu reden, einer gesellschaftlichen Klasse, die das Potential hat eigenständig für ihre Interessen und ihr soziales Projekt einzutreten, erfordert natürlich in letzter Konsequenz auch, sich von einer nebulösen Multitude und dem bequemen Szenerahmen zu verabschieden. All dies wurde kurzerhand als etwas Autoritäres abgetan.
Die Militanten der Gründungsgruppe machten den Fehler innerhalb des Anarchismus einen “Kampf der Ideen” anzuzetteln. Anstatt in sozialen Konflikten und Arbeitskämpfen mit proletarischen Sektoren in einen Dialog über konkrete Probleme wie die Situation am Arbeitsplatz, die Wohnungsnot und Migration zu treten, bestand der Hauptbestandteil unserer Arbeit darin AnarchistInnen davon zu überzeugen weniger „anarchistisch“ zu sein. Es wurde viel zu viel Energie darauf verwendet, die libertäre kommunistische Tradition innerhalb des Anarchismus zu verteidigen. Texte von Malatesta, der „Dielo Truda“ Gruppe und George Fontenis wurden bestenfalls denen von Stirner, Proudhon und Bob Black entgegengestellt – im schlimmsten Fall jedoch einfach neben sie gestellt. Historische Organisationen wie die FCL, die FORA oder die CNT/FAI wurden als leuchtende Beispiele verwendet um Leute daran zu erinnern, dass der Anarchismus einmal tausende von ArbeiterInnen in seinen Strukturen organsierte. Das war der Stoff unserer Träume, während zu Veranstaltungen maximal 50 und zu Demos vielleicht 500 Leute kamen.
Der Kampf um Ideen fand weder (wie erwartet) in den sozialen Bewegungen statt, noch schlug er sich auf theoretischer Ebene innerhalb der anarchistischen Bewegung nieder. Doch wo dann? Faktisch fand so etwas von Zeit zu Zeit nur informell zwischen verschiedenen Individuen und Gruppen statt, die all darum bemüht waren, ihre eigene Traditionslinie zu verteidigen, ohne dabei jedoch die Fassade der Einigkeit aufzubrechen. Letztlich führte das stets zu einem Kompromiss zwischen den sich entwickelnden strategischen und programmatischen Ansätzen des Neo-Plattformismus und den ewigen unveränderlichen Werten der liberalen Traditionslinie im Anarchismus. Dies war zum Scheitern verurteilt.
Was ist die liberale Richtung im Anarchismus? Sie ist in erster Linie wie der klassische Liberalismus eine Philosophie, die der individuellen Freiheit und dem menschlichen Verhalten in einer mehr oder weniger bestimmten Gruppe großes Gewicht beimisst. Auf der anderen Seite steht sie für die Akzeptanz rivalisierender, für ein politisches Projekt schädlicher Tendenzen unter dem Deckmantel eines falschen „Bewegungspluralismus“ Ein klassisches Beispiel dafür ist die Koexistenz von primitivistischen und klassenkämpferischen AnarchistInnen (wie bspw. im Buchladen „Insoumise“) aber es gibt noch viel andere Beispiele. Auf die Spitze getrieben führt der liberal anarchistische Gedanke zu absurden Positionen. So z.B. die Vorstellung, dass man in einer zukünftigen Gesellschaft auch die Existenz einer kapitalistischen „Kommune“ akzeptieren könne, solange sie in ihrem Territorium verbleibe und mit ihrer Organisations- und Produktionstätigkeit uns nicht in die Quere komme. Letztlich läuft das politische Projekt auf der Erstreben diverser Freiräume hinaus, wobei vergessen wird, dass eine einzige Klasse die Welt beherrscht und diese gestürzt werden muss, um alle sozialen Klassen abzuschaffen. Letztendlich wird die Perspektive der Diktatur des Proletariats abgelehnt, bzw. zugunsten diverser Facetten liberaler Toleranz aufgegeben. Der Begriff der „Demokratie“, der stets zwischen bürgerlicher und direkter Demokratie hin und her pendelt triumphiert über den Begriff des Kommunismus.
Eine Organisation im ständigen Wiederaufbau
Anfangs erschien es uns als gute Idee in einer libertären kommunistischen Organisation anzufangen, um uns revolutionäre Theorie anzueignen, Erfahrungen in sozialen Kämpfen zu machen und eine Gruppenstrategie zu entwickeln. Wir glaubten die Grundlage gelegt zu haben, zu der neue dazu stoßende AktivistInnen, ihren Beitrag leisten könnten. Doch das war kaum der Fall. Die Organisation veränderte sich fortlaufend, und brach nach Eintrittswellen in den Jahren 2003 und 2007 wieder ein. Die Struktur war zwar hyperhorizontal – aber auf der anderen Seite von der Arbeit einiger SekretärInnen (für Internes, Kampagnen und Publikationen etc.) abhängig. Der Zustrom neuer Mitglieder brachte die heikle Frage politischer Schulungen auf die Tagesordnung, führte aber auch dazu, dass sich die politischen Prioritäten fortlaufend änderten. Neue Projekte, Initiativen und Bündnisse die ursprünglich abgelehnt worden waren, wurden nun auf einmal auf Gruppentreffen für gut befunden und angegangen. Es ist nicht überraschend, dass viele dieser Ideen uns wieder enger an die “militante” Szene von Montreal heranführten, und uns für die ProtagonistInnen einer Synthese aus Anarchismus und Liberalismus attraktiver machten. Wenn man auf die Geschichte der NEFAC-UCL(„NortheasternFederationof Anarchist Communist/ Union CommunisteLibertaire“) in Montreal zurückblickt, kann man mit einigen Mühen drei “gemeinsame Kampagnen“ ausmachen: Eine Jugendkampagne, vereinzelte antiparlamentarische Kampagnen sowie sporadische Interventionen in der Studierendenbewegung. Doch es ging nicht nur um neue Projekte, man braucht auch die Kräfte sie durchzuführen. Diese Kräfte hätten auf eine starke Organisation konzentriert werden müssen, die mit Elementen der Klassenbewegung im Dialog steht. Doch das war nicht der Fall. Die Weitergabe von Wissen und Erfahrungen war mangelhaft und die gleichen Fehler wurden immer wiederholt. Anstatt unsere Aktivitäten kritisch auszuwerten, nahmen wir sie einfach nur zur Kenntnis, was zur Folge hatte, dass sie alles in einem Klima des laissez faire und der Konfusion ständig wiederholte. Wir wurden zwar Jahr für Jahr zahlreicher und bekamen Ansehen in der anarchistischen Szene, doch umso mehr entfernten wir uns von der wirklichen Bewegung des Klassenkampfes. Wir waren damals auch sehr weit von Marx entfernt, der 1851 geschrieben hatte:
Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen
Je mehr die Organisation „idealer“, respektabler und stärker wurde, desto mehr entfernte sie sich von ihren ursprünglichen Zielen.
Theoriefeindliche Attitüden und praktische Sackgassen
Einer der wichtigsten Gründe für unseren Bruch mit dem Anarchismus war die Verachtung dieser Strömung für theoretische Kohärenz und den daraus resultierenden Folgen auf die tägliche Praxis eines/r Militanten. Der Fall der UCL, die von sich behauptet, dass die Einheit in der Theorie zu ihren wichtigsten Organisationsprinzipien gehöre, in der es aber keine gemeinsame theoretische Schulungsarbeit gab, ist hierfür ein gutes Beispiel. Praktisch führt das dazu, dass die UCL in alle Richtungen lief. In ihrem internen Internetforum wurde die Organisation permanent durch ätzende Diskussionen über Grundsatzfragen zerrissen. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl zur NEFAC war im Kollektiv von Montreal nur schwach bis gar nicht vorhanden. Die Geschichte des „Workers` Solidarity Network“, die Erfahrungen mit den Kontakten mit Ontario und politischen Kollektiven in den USA und der Zeitschrift „Le Trouble“- nichts von dem wurde an die nächste Generation weitergegeben. Der Mangel an theoretischer Klarheit sprengte die Debatten. Einige vertraten eine Art Entrismus in sozialen Bewegungen, andere traten für eine halbautonome insurrektionalistische Aktivität ein, während andere auf postmoderne Identitätspolitik setzten. All dies unterminierte zunehmend die Organisation, die schließlich kaum zwei Jahre nach ihrer Gründung drohte auseinander zu fallen. Es gab kein Gefühl mehr zu einer gemeinsamen Organisation zu gehören. Eine falsche demokratische legalistische Dezentralisierung verschärfte die Spannungen zwischen Montreal und anderen Kollektiven. Die Mitgliedschaft basierte vorwiegend auf sozialen und persönlichen Beziehungen und einer unbestimmten Vorliebe für den Anarcho-Kommunismus der offenkundig nichts für Punks und Akademiker war. Der Mangel theoretischer Schulungen führte zu der Vorstellung in kürzester Zeit und um jeden Preis unmittelbare Ergebnisse zu erzielen zu können. Kampagnen wurden schnell abgebrochen, wenn sie nicht schnell genug Ergebnisse zeitigten. Der Mangel an historischer Perspektive verunmöglichte mittel- und langfristig aus den Erfahrungen zu lernen. Eines der schlimmsten Ergebnisse dieser Kurzsichtigkeit war das Bestreben erfahrene AktivstInnen zu gewinnen, die sich mit dem Anarchismus und der Arbeitsweise der aktivistischen Szene aber nicht in der ArbeiterInnenbewegung auskannten. Abgesehen davon, dass dieses Konzept scheiterte, stand es auch jedem Versuch entgegen, sich an proletarische Sektoren zu wenden. Die ganze Kultur der Gruppe war auf das Zusammenführen von Erfahrungen anarchistischer AktivistInnen und nicht von Menschen aus der ArbeiterInnenklasse ausgerichtet. Dies zeichnete maßgeblich das Kollektiv der UCL in Montreal aus. Neue Mitglieder und Unterstützer kamen und gingen, ohne dass sich etwas grundlegend änderte. Die Geschichte der Gruppe war von einer schnellen Entwicklung gekennzeichnet, der ein eine mehr oder weniger unmittelbarer Auflösungsprozess folgte. Was am Ende übrig blieb war eine enttäuschende Erfahrung, ein unbedeutendes Kapitel in der Geschichte der radikalen Linken in Quebec. Ein Kapitel, welches mehr oder weniger von Libertären geprägt wurde, die faktisch aus dem Nichts kamen, um das Vakuum, welches die Marxisten-Leninisten in den 70er Jahren hinterlassen hatten, auszufüllen. Die Tatsache, dass die numerisch bedeutendste linksradikale Organisation der letzten 25 Jahre, im Frühling 2012 kaum Einfluss in der größten sozialen Bewegung Quebecs ausüben konnte, unterstreicht dieses Scheitern.
Die Ablehnung der Theorie ist keineswegs nur ein Problem des anarchistischen Milieus in Montreal. Weltweit verfügt der Anarchismus über wenig bis gar keine theoretische Kohärenz. Während marxistische Gruppen mit ganz unterschiedlicher Ausrichtung zumindest an einem gemeinsamen Kern identifiziert werden können, ist der Anarchismus im Allgemeinen ein schwarzes Mischmasch, in dem jeder sein eigenes Denksystem entwickeln kann. Er basiert auf einer Kombination aus Rebellion, Individualismus, Liberalismus und Arbeitertümelei. Das Problem besteht in einer vorgeblich „antiautoritären“ Attitüde, die jeden Schulungsprozess, bzw. die kritische Auswertung von Erfahrungen als Herrschaftsverhältnis ansieht. Revolutionäre Theorie zielt auf die Auswertung der Erfahrungen der proletarischen Bewegung. Theorie außen vor zu lassen, bedeutet ständig von vorne anfangen zu müssen. In ihrer Weigerung die Weitergabe von Erfahrungen zu akzeptieren, versucht die libertäre Bewegung systematisch ihre eigene Vergangenheit zu vergessen und muss die Erfahrungen verlorener Generationen von Militanten immer von Neuem erlernen. Mit einem gewissen Zynismus müssen wir feststellen, dass nur jene Libertären, die ein einigermaßen tragfähiges theoretisches Rüstzeug verfügen, jene sind, die sich um eine Synthese aus Anarchismus und Marxismus bemühen. In den meisten Fällen argumentieren diese bei politischen Fragen als AnarchistInnen und als MarxistInnen, wenn es um ökonomische Analysen geht. Doch diese Zweiteilung in Ökonomie und Politik ist falsch.
Reflexion und Perspektiven versus Prinzipien und Werte
Es wäre nützlich sich die Differenzen zwischen Anarchismus und Marxismus ins Gedächtnis zu rufen. Dies ist eine Frage von Methoden und politischen Praxen. AnarchistInnen gehen in der Regel von einer bestimmten Ethik aus, die strikte Anwendung von Prinzipien zu jeder Zeit, völlig losgelöst vom politischen Kontext und theoretischer Reflexion. Ihre Niederlagen erklären sie ausschließlich durch die Abkehr einiger Libertärer vom anarchistischen Verhaltenskodex oder die Aktivitäten anderer politischer Strömungen. Dies führt letztlich zu einem Fetischisieren der Form. Kürzlich waren wir mehr als überrascht als einige Anarchisten die Riots in der Ukraine wegen ihres angeblich spontanen Charakters und ihres Massengehalts abfeierten. Doch dieses Phänomen trifft nicht nur auf die Riotfantasien einiger „Insurrektionalisten“ zu. Der Fetisch der Demokratie besonders in ihrer direkten horizontalen, spontanen Form ist nur ein Aspekt der Verklärung einer konfusen Organisationsform.
Als KommunistInnen wissen wir, dass das Proletariat seine eigenen Organisationsformen hervorbringen muss: Autonome Versammlungen, Streikkomitees und Räte. Diese sind jedoch nicht aus sich selbst heraus revolutionär. Das haben viele historische Beispiele gezeigt, wie bspw. die massive Dominanz der Sozialdemokratie in den Arbeiterräten in Deutschland 1918-1919. Amadeo Bordiga brachte dies folgendermaßen auf den Punkt:
Es gibt (deshalb) keine Organe die aufgrund ihrer Form revolutionär sind. Es gibt nur soziale Kräfte, die durch die Richtung in die sie wirken revolutionär sind und diese Kräfte transformieren sich in eine Partei, die für ihr Programm kämpft (2).
Das Fetischisieren der Form findet seinen prägnantesten Ausdruck in der Betrachtung und Bewertung zweier proletarischen Bewegungen der Vergangenheit: Der Russischen Revolution und dem Spanischen Bürgerkrieg. Hier kristallisieren sich die Gegensätze zwischen AnarchistInnen und MarxistInnen besonders deutlich heraus. Während den Bolschewiki (aus anarchistischer Perspektive) vorgeworfen wird, die autoritäre Zerschlagung der Provisorischen Regierung vorangetrieben zu haben, wird die Regierungsbeteiligung der Libertären im Rahmen der Spanischen Republik gerechtfertigt. Elemente der bürgerlichen Demokratie werden gegenüber der revolutionären Diktatur bevorzugt. Während der angeblich von einer Avantgarde durchgeführte „Putsch“ im Oktober 1917 wegen seiner akribischen Vorbereitung verurteilt wird, wird die spontane Erhebung der Massen zur Verteidigung einer bürgerlichen Regierungsform (der Republik) zur revolutionären Apotheose verklärt. Versuche die Produktionsverhältnisse in Russland umzuwälzen werden verurteilt, eine weitgehend vom kapitalistischen Markt paralysierte Selbstverwaltung jedoch als ultimative revolutionäre Gesellschaftsveränderung abgefeiert. Auch die Erklärungsansätze für das Scheitern der beiden Revolutionen folgen diesem Muster. Während wir MarxistInnen die Niederlage des Proletariats in Russland als Ergebnis der internationalen Isolation und der daraus resultierenden unweigerlichen Degeneration ansehen, und das Scheitern des Proletariats in Spanien 1936-37 auf die Unfähigkeit zurückführen den bürgerlichen Staat anzugreifen, erklärt die Mehrheit der AnarchistInnen die Gründe für die Niederlage mit den Umtrieben rivalisierender leninistischer Tendenzen. Was die AnarchistInnen als Abkehr von den Prinzipien der reinen Lehre betrachten, ist für uns eine bittere historische Lehre aus der es zu lernen gilt. Was für sie eine Verletzung des Ehrenkodex ist, ist für uns Ausdruck eines tiefgreifenden organisatorischen und politischen Scheiterns. Die Kommunistische Linke hat sich stets bemüht die Erfahrungen der Klassenkämpfe in den letzten 150 Jahren zu verstehen und zu bilanzieren. Der Anarchismus hat sich dasselbe Ziel gesetzt, ist jedoch „wie durch ein Wunder“ zu ganz anderen Ergebnissen gekommen.
Fazit: Eine doppelte Wette auf einen organisatorischen und programmatischen Ansatz
Dieser Text soll nicht einfach ein Bruch, bzw. eine simple Abgrenzung von organisatorischen und theoretischen Verkürzungen, vom Liberalismus und den Schwächen des Anarchismus sein. Wenn wir eines Tages die schwarz-rote Fahne aufpflanzen, dann weil wir ein gemeinsames Ziel haben. Ein Ziel welches nichts mit dem mörderischen sozialen Frieden der Sozialdemokraten oder der mit roter Soße garnierten kapitalistischen Entwicklung eines Stalin, Mao oder Castro zu tun hat. Dieses Ziel war von jeher der Kommunismus, eine Gesellschaft ohne Klassen, Staaten und Herrschaft, eine egalitäre und gerechte Gesellschaft. Dass unsere Fahne mehr und mehr rötliche Töne annimmt, liegt daran, dass es eine weitgehend unbekannte und missverstandene politische Tradition in der ArbeiterInnenbewegung gibt, die uns motiviert hat uns politisch weiter zu entwickeln. Die Italienische Kommunistische Linke, die sich energisch dagegen verwahrte das Kind mit dem Badewasser auszuschütten, hat es letztlich verstanden eine Kritik an den Kämpfen unserer Klasse, sowohl ihren Niederlagen als auch ihren kurzen und begrenzten Erfolgen zu entwickeln. Es ist diese Tradition mit der wir übereinstimmen und die es uns ermöglicht unsere Zeit in der Wildnis zu beenden, bzw. eine Handlungsunfähigkeit zu überwinden, die von viel zu vielen AntikapitalistInnen als Ausweis politischer Reinheit ausgegeben wird. Wir haben uns in die „Internationalistische Kommunistische Tendenz“ (IKT) eingereiht, um uns mit den bewusstesten proletarischen Elementen umzugruppieren, und das revolutionäre Instrument zu entwickeln, das wir brauchen: Eine im Feuer des Klassenkampfes auf dem Amboss der revolutionären Theorie geschmiedete internationale proletarische Partei. Eine Organisation, die in der Lage ist, die politische Autonomie unserer Klasse zu verteidigen und das kommunistische Programm zum Herzstück des Kampfes für eine internationale, soziale und libertäre Revolution zu machen.
Liam und MaximilianLiam und Maximilian sind in der GIO (Groupe Internationaliste Ouvrier) aktiv
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- 2001: War in Afghanistan
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- 2005: Hurricane Katrina
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