Bitcoin und Kryptowährungen - Der Wahnsinn eines hochspekulativen Kapitalismus

Der Kapitalismus befindet sich in einer für ihn schwer zu bewältigenden Situation. Seit dem Ende des Nachkriegsbooms in den 1970er Jahren ist es, trotz Umstrukturierung der Produktion und Angriffen auf die täglichen Arbeitsbedingungen von Abermillionen Proletarierinnen und Proletariern, schwerer denn je eine profitable Reinvestition für Kapital zu finden. Diese Krise der Schwierigkeit der Valorisierung des Kapitals ist nur eines der vielen Symptome der tieferliegenden Krise des Kapitalismus: dem Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate. Mit diesem Fall der Profitrate gehen die Versuche der Kapitalisten einher, die Krise herauszuzögern, anderweitige, kurzfristige Methoden der Profitgewinnung zu finden oder in welcher Form auch immer ihre eigene Haut, ihr eigenes Unternehmen, zu retten.

Krise und Finanzspekulation

Das Ende des letzten Akkumulationszyklus, der durch den Zweiten Weltkrieg hervorgebracht wurde, und die sich immer mehr verschärfende Profitkrise waren ein klares Zeichen von Handlungsbedarf für den internationalen Kapitalismus. Neue Möglichkeiten der einfachen und schnellen Profitgewinnung wurden gesucht und in der Finanzspekulation gefunden (wobei wir hier lieber von der Erzeugung fiktiven Kapitals sprechen). So wurde z.B. mit der Abschaffung des Bretton-Woods-Systems dem Kapitalismus alle Türen hin zu einer spekulativen Geld- und Finanzpolitik geöffnet. Natürlich ließen die Finanz- und Währungskrisen sowie Staatsbankrotte nicht lange auf sich warten. Laut einem Arbeitspapier des Internationalen Währungsfonds waren dies seit 1970 und bis 2007 der Zahl nach mindestens 514 Stück, dabei keineswegs begrenzt auf Europa oder Nordamerika. Die Finanzkrise von 2007/8 und die Wirtschaftskrise, die durch das Coronavirus ausgelöst wurde, sind nur zwei weitere Faktoren, die den Kapitalismus in die Ecke drängen und nach Auswegen suchen lassen.

Die Auswirkungen jeder Spekulation und jeder Krise sind dabei für die ArbeiterInnenklasse am stärksten zu spüren. Jedes Mal muss sie sich auf Kürzungen des Reallohns, Arbeitsplatzverlust, Abbau von Sozialhilfen und die allgemeine Prekarisierung ihres Lebens einstellen. Selbst heute noch sind die Auswirkungen der Krise von 2007 erkennbar und das gekoppelt mit der absehbaren (und eingetretenen) Rezession von 2020. Die Angriffe der Kapitalisten sind schon in vollem Gange. Das Proletariat hingegen versucht am Leben zu bleiben und sucht in einer Zeit der Niedrigzinspolitik andere Methoden, um ihr Geld anzulegen. Dass Spekulationen und Wertanlagen für einen Großteil des Proletariats keine Möglichkeit bilden, sollte völlig klar sein. Sie müssen erst einmal die nötigsten Dinge im Leben besorgen und bei steigenden Mieten und Verbraucherpreisen ist selbst das heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr.

Bei KleinanlegerInnen sowie der Oberschicht sind Aktienfonds oder Immobilien als Wertspeicher beliebt, doch seit geraumer Zeit gesellen sich, oft bepriesen von Millionären, auch Kryptowährungen dazu. Doch was haben die kapitalistischen Krisen schon mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen zu tun? Sollten sie als "dezentrale Währungen", die keiner Bank oder keinem Währungsinstitut unterliegen, nicht frei sein von Kursmanipulation oder Spekulation im großen Stil? Eine Art digitales Gold? Ein sicherer Wertspeicher als Gegenentwurf zur risikoreichen Börse?

Bitcoin und Kryptos - eine Rebellion gegen die Banken?

Als Bitcoin von Satoshi Nakamoto, einem Phantom ohne Gesicht und Geschichte, ins Leben gerufen wurde, sollte es eine Alternative zum etablierten Währungssystem der großen Banken und Kreditinstitute darstellen. Es war dezentral reguliert, das heißt keine einzelne Institution verfügte über die Macht Zahlungen einzuschränken, Konten einzufrieren oder mit dem Geld anderer zu "arbeiten". Geschaffen werden Bitcoins nicht wie andere Währungen durch das Drucken von Geld und der Regulierung des Zahlungsflusses, sondern durch sogenanntes Mining bzw. Schürfen.

Dabei werden komplexe kryptographische Aufgaben gelöst, die eine Zahlung von X nach Y validieren. Als Belohnung für das Lösen der Aufgabe und dem Aufrechterhalten des Systems werden 6,25 Bitcoins erschaffen und dem Miner zugesprochen. Die Menge der zu erschaffenen Bitcoins ist dabei auf einen Höchstwert von knapp 21 Millionen festgesetzt. Somit soll gleichzeitig eine Inflation verhindert werden und der stetige Anstieg des Preises eines Bitcoins garantiert werden. Der Wert eines Bitcoins wurde in den frühen Tagen, nach fast schon marxistischer Methode bestimmt. So wurde der Preis in den ersten Transaktionen gegen „echtes Geld“, auf 0,07 Dollar anhand der Produktionskosten festgelegt.

Nachdem Bitcoin, vor allem im Darknet zum Kauf illegaler Drogen, an Bekanntheit gewonnen hatte entwickelte sich auch der Preis weiter nach oben. Es gab die ersten Anleger, die in Bitcoin weniger ein Zahlungsmittel, als vielmehr ein Spekulationsobjekt oder Wertspeicher sahen. Im Laufe der Jahre entstanden so die ersten Krypto-Fonds und Terminbörsen die einen Handel mit Bitcoin anboten. Gleichzeitig investierten viele Hedgefonds in Kryptowährungen und der Handel wurde immer weiter professionalisiert und zentralisiert. Diese Fonds sind dabei meist nur in Form von CFDs (Differenzkontrakten) verfügbar. Dadurch wird die Chance eines Totalverlustes des Geldes durch zu große Kursschwankungen bei zu kleinem „Einsatz“ für Kleininvestoren groß. Diese Entwicklung des „dezentralen“ Bitcoin hin zum zentralisierten und professionalisierten Spekulationsobjekt macht klar, dass Bitcoin und andere Kryptowährungen keine Alternative zu dem vorherrschenden Geld- und Finanzsystem darstellen können. Sie agieren strikt innerhalb der kapitalistischen Logik und sind somit natürlich auch allen Gesetzen dieser Produktionsweise unterworfen.

Umweltzerstörung und Ressourcenverschwendung

Das eben genannte "Mining", also das Erschaffen von Kryptowährungen, ist hierbei die nächste Lächerlichkeit. Da die Schwierigkeit, der zu lösenden "Aufgaben" mit der Anzahl an geschaffenen Bitcoins skaliert, werden sie mit der Zeit immer komplizierter zu lösen. Während man früher noch am eigenen Computer ein Paar Bitcoin Minen konnte, ist das heutzutage lange nicht mehr profitabel. Ohne spezielle Maschinen, sog. ASICS, ist es unmöglich gegen die internationale Konkurrenz anzukommen. Die Konkurrenz sind hierbei riesige Firmen mit zehntausenden ASICS in gekühlten Lagerhallen in China, Island, Kasachstan, der USA oder dem Iran. Für die Kapitalisten hinter diesen Firmen ist dies, auf Grund niedriger Strompreise, ob durch subventionierten Kohle- und Gasstrom in Kasachstan oder erneuerbaren Energien in Island, eine profitable Sache. Wir sehen hier wieder davon ab, dass keine tatsächliche Wertschöpfung zustande kommt und rein spekulative, fiktive Werte von A nach B geschoben werden.

Dennoch zeigt auch dieses Beispiel ein wichtiges Merkmal des globalen Kapitalismus auf: die Zentralisierung und Monopolisierung von Produktion und Handel. Doch kommen wir auf den Stromverbrauch zurück, denn dieser ist immens. Eine Bitcoin-Farm eines iranisch-chinesischen Investors in der Stadt Rafsandschan im Iran, verbraucht dort ungefähr so viel Strom wie 50.000 Haushalte. Das gesamte Netzwerk an Minern auf der Welt verbraucht jetzt schon so viel Energie pro Jahr wie Schweden. Eine Studie der University of Cambridge zeigt zwar auf, dass knapp 39% des für den Abbau genutzten Stroms aus regenerativen Energiequellen kommt, dennoch stößt Bitcoin pro Jahr etwa 64 Megatonnen CO2 aus. Das entspricht dem CO2 Abdruck von Serbien. Eine einzige Transaktion ist, auf den CO2 Ausstoß bezogen, vergleichbar mit etwa 1,7 Millionen VISA Transaktionen oder einem Energieverbrauch eines durchschnittlichen US-Haushalts von zwei Monaten. Was auch berücksichtigt werden muss ist, dass selbst wenn regenerativer Strom genutzt wird, dieser oft Schwankungen unterliegt und durch Gas- und Kohlestrom ausgeglichen werden muss. Dabei hilft außerdem der Fakt nicht, dass Regionen mit „grünem Strom“ wie Teile Norwegens die Subventionierung von Bitcoin-Mining beendet haben oder dass China (die in Sichuan und Yunnan viele Hydrokraftwerke betreiben) den Abbau weitesgehend verboten hat.

Die Konsequenz? Es werden neue Lagerhallen in neuen Gebieten gesucht. Vor allem Kasachstan und die USA werden nun als neues Ziel angesehen, wobei beide Länder hauptsächlich Energie aus fossilen Brennstoffen beziehen. Die ständige Anpassung und Erhöhung der Schwierigkeit des Erschaffens eines Bitcoins bedeutet natürlich für die Kapitalisten die ständige Anpassung ihrer Maschinerie. 6,3 Kilotonnen an alten ASICS werden dabei pro Jahr einfach als Elektroschrott weggeworfen. Die verbauten Ressourcen sind dabei die gleichen wie in anderen Computerchips: Gold, Palladium, Neodym, Kobalt, Gallium usw. Diese werden, der kapitalistischen Logik entsprechend, mit möglichst großem Profit in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo unter schrecklichen Bedingungen gefördert und dann in China oder Russland weiterverarbeitet. Es ist absurd. Für ein Spekulationsobjekt wird die Ausbeutung von Tausenden an ArbeiterInnen in Kauf genommen, die Umwelt zerstört, Ressourcen verschwendet und der Klimawandel beschleunigt. Doch genau das ist die Realität, die uns der Kapitalismus bieten kann. Die einzige Alternative ist und bleibt dabei die Zerschlagung der kapitalistischen Produktionsweise und die Umwandlung in eine auf Bedürfnissen beruhende Produktion in der kommunistischen Gesellschaft.

Sieger ist und bleibt die Kapitalistenklasse

Der Wahnsinn dieses finanzialisierten und spekulativen Kapitalismus spiegelt sich in den Kursen von Bitcoin wider. Dieser kann auf Grund von kleinsten Ereignissen in Minuten um mehrere Prozente fallen oder steigen. Das beste Beispiel dafür ist Elon Musk. Als dieser im Januar 2021 das Wort Bitcoin auf Twitter nur erwähnte, explodierte der Kurs und sein Wert stieg um 14% an. Nach einem weiteren Tweet, in dem Musk ankündigte, dass Tesla Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren wolle und die Firma 1,5 Milliarden Dollar in Bitcoin umgewandelt hatte, erreichte dieser seinen bislang höchsten Wert. Die Blase wuchs und wuchs und platzte letztendlich. Und das wieder nachdem Musk etwas bekannt gab: den Verkauf einiger seiner Bitcoins und die Umstellung auf eine andere Kryptowährung. Diese Taktik von Großinvestoren ist altbekannt. Eine „unterbewertete Aktie“, in diesem Fall Bitcoin, nach oben treiben, eine Blase aufbauen und dann die eigenen, nun deutlich teureren, Aktien verkaufen und die Blase platzen lassen.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter, die dazu animiert wurden, selbst in diese Wertanlage zu investieren verlieren dabei mitunter extreme Mengen an Geld oder verschulden sich bis an ihr Lebensende durch aufgenommene Kredite. Der Gewinner ist und bleibt der Kapitalist, für das Proletariat gibt es keine Chance zu profitieren. Das Spielfeld der Börse versucht dabei die Illusion aufrechtzuerhalten, dass hier, mit etwas Glück, jeder Mensch reich werden kann, wenn er sich doch nur anstrengt und die richtigen Entscheidungen trifft. Immerhin kann jeder mit ein wenig Geld, bei den ganz Großen mitmachen und Gewinne durch andere erzielen. Das dem nicht so ist zeigen, ungeachtet von Kryptowährungen, die historischen Beispiele der Spekulationsblase von 1929 oder der Dotcom-Blase von 2000.

Auch die Unternehmen, die für den Verkauf und Umtausch von Kryptowährungen zuständig sind, nehmen hierbei eine besondere Rolle ein. So gibt es in den wenigen Jahren seit ihrer Existenz schon mehrere Fälle von Betrugsmaschen, in denen sich solche „Krypto-Börsen“ mit mehreren Millionen oder sogar Milliarden Dollar aus dem Staub gemacht haben. Zum Beispiel als dem Handelsplatz „MtGox“ 750.000 Bitcoin, damals knapp 800 Millionen US-Dollar, einfach so verloren gingen (bzw. gestohlen wurden). Oder als die App „PlusToken“ es schaffte, vor allem in China und Korea unvertraute Anleger zum Investieren zu animieren. Nachdem über ein Pyramidensystem fast 3 Milliarden US-Dollar gesammelt wurden, verschwanden die Betreiber mit dem Geld, ohne jemals die versprochene Kryptowährung zu liefern. Man kann die Verluste der Menschen nur erahnen, die mit der Hoffnung auf eine Chance auf Reichtum in solch ein System investieren. Ein gutes Bild hierfür liefert das jüngste Beispiel der Firma „Theodex“ in der Türkei. Nach dem jahrelangen Abwärtsstrudel der türkischen Lira, einem Wertverlust von fast 24%, und einem extremen Anstieg der Inflation in Folge der Corona-Krise versuchten immer mehr Menschen ihre Rücklagen in sichere Werte zu verwandeln und horteten Gold oder Dollar. Aber auch Bitcoin wurde deutlich mehr gekauft. Und so sah die Verkaufsplattform „Theodex“ die Chance auf einen großen Gewinn. Nach der Preissteigerung von Bitcoin in der Türkei, in Folge des Ansturms auf die Kryptowährung, wurde der Zugriff auf viele Konten gesperrt und das Geld verschwand. Einige der Betrüger wurden später festgenommen doch der Schaden war schon getan. Viele KleinanlegerInnen die versuchten durch Bitcoin ihr Geld zu sichern, verloren mehrere 10.000 bis zu einigen 100.000 Euro und können kaum erwarten es je wieder zu sehen. Der Traum das schnelle Geld durch Kryptowährungen oder an der Börse verdienen zu können ist ein falscher.

Wir als ArbeiterInnen und RevolutionärInnen können nicht auf individualistische Tricks oder Systeme setzen, die sich innerhalb der kapitalistischen Logik befinden. Wir müssen es schaffen unseren kollektiven Rahmen und unsere Kraft im Klassenkampf wiederzuentdecken und so proletarische Waffen gegen einen immer verzweifelteren und offen aggressiven Kapitalismus zu schaffen. Dieser Kampf in und mit der Klasse kann nur in einer internationalen und internationalistischen Organisation geführt werden, die das kommunistische Programm versteht und das historische Wissen von zwei Jahrhunderten Klassenkampf in sich vereint. Es gilt auf dem eigenen Klassenterrain und so gegen die wachsende Ungerechtigkeit, Armut und Mutlosigkeit zu kämpfen, die für eine Generation neuer Arbeiterinnen und Arbeiter, die von Krise zu Krise stolpert, fast schon Normalität geworden ist.

Forradalom

Sunday, July 25, 2021