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Startseite ›Gegen die AfD – aber nicht nur gegen die!
Das Ergebnis der Bundestagswahl wurde von nahezu allen Kommentatoren übereinstimmend als „politisches Erdbeben“ gewertet. Bundeskanzlerin Merkel hat deutlich Federn gelassen, das Projekt „GroKo“ ist abgestraft. Dies unterstreicht die schwindende Glaubwürdigkeit des politischen Establishments und die Vielzahl krisenhafter Prozesse, die von der bisherigen Bundesregierung mehr schlecht als recht unter dem Deckel gehalten wurden. Der Einzug der rassistischen AfD in den Bundestag markiert zudem eine drastische Rechtsentwicklung in der Gesellschaft. Vielerorts konnte die AfD ihre Ergebnisse bei den letzten Landtagswahlen stabilisieren, ja sogar ausbauen. Laut Umfragen begründeten viele AfD- Wähler ihre Entscheidung mit der Unzufriedenheit über die etablierten Parteien. Besonders besorgniserregend ist ihr Einbruch in Teile der ArbeiterInnenklasse und die Tatsache, dass es ihr gelungen ist im verstärkten Maße unter Sozialdeklassierten Stimmen zu gewinnen. Sie profitierte dabei von der sozialen Misere, vor allem aber von einem durch Vereinzelung und Perspektivlosigkeit geprägten gesellschaftlichen Klima, indem sich politischer Unmut und soziale Ängste allzu leicht in Aggressionen gegen Schwächere übersetzen lassen. Doch das Gerede vom vielbeschworenen „Protestwähler“ kann nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass dieser „Protest“ maßgeblich rassistisch intendiert war. Selten wurde ein Wahlkampf so sehr von „Law and Order-Themen“ und offenen Rassismus geprägt. Die Politiker aller Parteien überboten sich geradezu mit ihren Forderungen nach schärferen Abschiebungen und mehr Abschottung gegen Geflüchtete, was der AfD eine ideale Steilvorlage für ihre menschenverachtende Propaganda bot. Süffisant konnten AfD-Vertreter immer wieder darauf hinweisen, inwieweit die sog. „Altparteien“ schon ihr Programm übernommen hätten, um dann im gleichen Atemzug mit gezielten Provokationen nachzulegen. Sie konnte so die Tonart des Wahlkampfes bestimmen, und sich gleichzeitig als angebliche Opposition gegen das Establishment in Szene zu setzen. Wir können heute sehen mit welchen Ergebnissen.
Rechts ist die deutsche Mitte
Die AfD stellt sich gerne als „Anwalt des kleinen Mannes“, als Verkörperung des „Volkswillens“ dar. Der Habitus des konformistischen Rebellen, der von der Herrschaft die Wiederherstellung einer als „natürlich“ angenommen autoritären Ordnung einklagt, die Frauenrechte beschneidet, Sexualität reglementiert und Nationalismus und Rassismus verfestigt, ist ihr wesentlicher Markenkern. Sie steht damit nicht außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, sondern spiegelt vielmehr ihre Krisentendenzen und Zerfallserscheinungen wieder. Die AfD ist der politische Ausdruck eines durch die Krise verunsicherten und zunehmend verrohenden Mittelstands. Bereits 2010 deutete die von dem sozialdemokratischen Rassisten Thilo Sarrazin angestoßene Hetze gegen MuslimInnen und MigrantInnen an, wieweit autoritäre Ressentiments in die sog. „Mitte“ der Gesellschaft vorgedrungen waren. Schon damals wurde über das Potential einer „konservativen Partei rechts der Union“ spekuliert. 2012 nahm dieses Projekt mit Unterstützung eines Geflechts neoliberaler „think tanks“ und Lobbygruppen wie bspw. der „Friedrich August von Hajek Gesellschaft“ und der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ erste organisatorische Konturen an. Auf der Grundlage einer marktradikalen Programmatik und eines aggressiven Chauvinismus profilierte die AfD sich zur sog. „Anti-Euro Partei“ und fuhr bei den Bundestagswahlen 2013 mit 4,8 Prozent einen ersten Achtungserfolg ein. Mit dem Aufkommen der PEGIDA verlagerte sich der inhaltliche Schwerpunkt mehr und mehr Richtung Rassismus. Die Implikationen der „Flüchtlingskrise“ boten den Reaktionären zusätzliche Anknüpfungspunkte, um das Elend der Geflüchteten auszuschlachten und ihre rassistischen Botschaften in die Gesellschaft zu transportieren. „Man kann diese Krise ein Geschenk für uns nennen“ erklärte AfD-Chef Gauland in kaum zu überbietenden Zynismus. “Sie war sehr hilfreich.“
Widersprüche, Dynamiken und Gefahren
Mit ihrem Propagandamix aus Marktradikalismus und völkischen Nationalismus ist die AfD fraglos von Widersprüchen gezeichnet. Im schwarzbraunen Reigen der neuen Bundestagsfraktion, in der sich allerlei zwielichtige Geschäftemacher, Karrieristen und offene Nazis tummeln, sind Konflikte vorprogrammiert. Davon zeugt nicht zuletzt der Abgang der AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry. Doch sollte man sich nicht der Hoffnung hingeben, dass sich die AFD von alleine zerlegen wird, oder der Illusion anheimfallen, dass sie „parlamentarisch entzaubert“ wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Politik der etablierten Parteien der AfD auch weiterhin Inspirationsquellen, Steilvorlagen und allerlei Munition bieten wird. Die AfD hat kein Urheberrecht auf reaktionäre Positionen. Nationalismus und Rassismus sind die Geschäftsgrundlage aller bürgerlichen Parteien – von rechts bis links. Bereits kurz nach der Wahl machten Vertreter der CSU unmissverständlich deutlich, dass die „offene rechte Flanke“ nun geschlossen werden müsse. Für die sog. „Links“partei plädierte Sarah Wagenknecht wiederholt dafür, rassistische Hetze stärker in den Vordergrund zu rücken und Politik auf den Rücken von Geflüchteten zu machen: „Gut möglich ist, dass auch wir es uns in der Flüchtlingspolitik zum Teil zu leichtgemacht haben. So konnte der Eindruck entstehen, die AfD sei die einzige, die Probleme anspricht, die durch ankommende Flüchtlinge in einem kaputt gesparten Land entstehen.“ Diese verquere Logik das Thema Rassismus nicht den profiliertesten Rassisten zu überlassen ist die Quintessenz jeder bürgerlichen Politik! Der demokratische Wettstreit darüber, wer am „konsequentesten“ nach härteren Abschiebungen krakeelt oder das rassistischste Einwanderungsgesetz in petto hat, wird den Aufstieg der extremen Rechten weiter befördern und mit ihm die autoritäre Formierung dieser Gesellschaft. Schon jetzt sind die Nazis und Rassisten in Anbetracht des Wahlerfolgs völlig aus dem Häuschen: „Das Ende der Linken und dieses antideutschen Systems ist gekommen“, heißt es bspw. auf der Facebookseite der AfD Salzgitter.1 Die rassistischen Schreihälse der PEGIDA werden noch deutlicher: „Die Nacht der langen Gesichter ist vorbei! Jetzt kommt die Nacht der langen Messer!“ 2
Die Demokratie, der Antifaschismus und die Perspektive des Klassenkampfes
Tausende haben in verschiedenen Städten gegen die AfD demonstriert. Spontan, solidarisch und mit viel Wut im Bauch. Das war gut, das war richtig! Doch der Widerstand gegen den aufkommenden Rassismus steht vor großen Herausforderungen und Fallstricken. Für viele stellt sich nun die Frage: Wie weiter? Von Seiten der Staatslinken wird derzeit viel über die Notwendigkeit breiter gesellschaftlicher Bündnisse gegen die AfD lamentiert. Was sich zunächst erstmal einleuchtend anhört, läuft zu Ende gedacht auf den Vorschlag hinaus, angesichts der Gefahr der extremen Rechten andere Sachen zurückzustellen und die Grundwerte einer abstrakten Demokratie im breitesten Bündnis aller Gutmenschen verteidigen zu wollen. Unser Problem mit derartigen Konzepten aus der antifaschistischen Mottenkiste ist weniger, dass sie nicht weit genug gingen, sondern in ihrer ganzen Logik schlicht und einfach kapitalistisch sind. Denn was ist die Verteidigung der sog. „Demokratie“ anderes als die Verteidigung der Glitzerfassade einer Warengesellschaft, die den Rassismus tagtäglich institutionalisiert, die Stellschrauben der Ausbeutung immer weiter anzieht und damit reaktionären Kräften wie der AfD den Boden bereitet? Klar, angesichts der jetzigen Entwicklung ist es notwendig etwas gegen die AfD zu unternehmen und schonungslos gegen rassistische und nationalistische Argumentationsmuster vorzugehen. Doch dafür muss man sich nicht „antifaschistisch“ in der „Zivilgesellschaft“ verorten, oder sonst wie auf die bürgerliche Demokratie beziehen, vielmehr geht es darum die Verhältnisse in ihrer Gesamtheit in den Blick zu bekommen. Unser Widerstand sollte sich daher nicht nur gegen reaktionäre Kräfte wie die AfD richten, sondern gegen Herrschaftsverhältnisse die permanent Ausbeutung, Rassismus und Gewalt reproduzieren. Unter den gegebenen Bedingungen ist es schwierig, dem kapitalistischen Wahnsinn etwas entgegenzusetzen. Doch es ist schon viel gewonnen, wenn es gelingt in den alltäglichen sozialen Kämpfen und Auseinandersetzungen Widerständigkeit und Solidarität zu behaupten, revolutionäre Positionen zu verankern und den Kern eines Organisationsansatzes zu entwickeln, der als Ausgangspunkt des Angriffs gegen die Diktatur des Kapitals dienen kann. Der Erfolg der AfD-Rassisten sollte Ansporn genug sein, diese Aufgabe anzugehen.
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